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Industrie: Standort stärken, Wettbewerb sichern

Cluster 9

© DIHK / Adobe Express, Firefly Image 3

Als Treiber von Forschung und Entwicklung, Vorreiter beim Einsatz von Klima- und Umwelttechnologien sowie maßgebliches Glied von Wertschöpfungsketten prägt die Industrie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung am Standort Deutschland und in Europa entscheidend. Sie ist bedeutender Arbeitgeber und Ausbilder und sichert durch ihre Produktivität hierzulande gut bezahlte Arbeitsplätze.

Der industrielle Kern ist zudem Grundlage für das Netzwerk Industrie am Standort Deutschland – ein enger Verbund von Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern mit Start-ups, kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Großindustrie. Das Netzwerk Industrie steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen wie der digitalen und grünen Transformation und dem demografischen Wandel, die Geschäftsmodelle unter Druck setzen und neue Prozesse, Produkte und Dienstleistungen erfordern. Hinzu kommen neben einer schwierigen konjunkturellen Lage in der Industrie auch wachsende strukturelle Defizite am Standort Deutschland. Dazu gehören schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren, hohe Energiekosten, aber auch eine Fülle von bürokratischen Auflagen. Der heimische Standort verliert an Attraktivität. Die Folge ist, dass notwendige Investitionen, gerade im Netzwerk Industrie, unterbleiben oder an anderen Standorten – auch außerhalb Europas – getätigt werden. Dies wirft nicht nur den Industriestandort Deutschland, sondern vielfach auch Europa zurück.

Umso wichtiger ist daher eine Politik, die auf eine Verbesserung der Standortfaktoren setzt und auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruht. Von solch einer horizontalen Industriepolitik profitiert die Breite der Wirtschaft. Eine vertikale Industriepolitik in Form von selektiven staatlichen Eingriffen kann hingegen marktverzerrende Effekte erzeugen und sollte nur in besonders gut begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. 

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Um den Industriestandort Deutschland zu erhalten und zu stärken, sind verlässliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen eine notwendige Voraussetzung. Das gibt ihnen vor allem die nötige Planungssicherheit für Investitionen. Zu den relevanten Standortfaktoren für die Industrie zählen insbesondere eine bezahlbare, verlässliche und klimaschonende Energieversorgung, eine gut ausgebaute Infrastruktur, das heißt, eine leistungsstarke Verkehrsanbindung, eine umfassende Versorgung mit digitalen Netzen, und ein ausreichend großes Potenzial an kurzfristig nutzbaren Industrie- und Gewerbeflächen. 

Benötigt werden zudem eine langfristige Planungssicherheit für die Rohstoffversorgung sowie gut ausgebildete Fachkräfte. Darüber hinaus braucht ein international wettbewerbsfähiger Industriestandort ein modernes Steuersystem, bürokratische Entlastungen und eine digitale Verwaltung. Insgesamt sollten neue Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene stärker als bisher die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie gegenüber ihren globalen Konkurrenten im Blick haben und die Investitionsbereitschaft anregen. 

Um Wertschöpfungsketten hierzulande zu stärken, benötigen Unternehmen neben funktionierenden Standortfaktoren vor allem ein innovationsfreundliches Umfeld für alle Teile der Wertschöpfungskette. Dafür braucht es zum Beispiel breit angelegte, flexible, technologieoffene und bürokratiearme Ansätze in der Forschungspolitik auch mit Hilfe von innovationsfreundlichen Ausschreibungen der öffentlichen Hand sowie eine stärkere Nutzung industrierelevanter Querschnittstechnologien. Dazu zählt auch eine dynamische Entwicklung beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Wirtschaft und Wissenschaft. Die Politik ist auch hier gefordert, durch praxisgerechte Rahmenbedingungen den Unternehmen die Anwendung zu erleichtern und die Chancen zur Erhöhung ihrer Produktivität zu erhöhen. 

Wenn die EU Maßnahmen zur Stärkung von mitgliedstaatenübergreifenden Wertschöpfungsketten ergreift, sollten sie eine Entlastung für die Breite der Unternehmen schaffen. Dazu gehört zum Beispiel ein beschleunigter Zugang zu europäischen Rohstoffen. Auch die Beseitigung von regulatorischen Hürden etwa bei Planungs- und Genehmigungsverfahren würde die Wertschöpfungsketten stärken.

Grundsätzlich sind Unternehmen in der Verantwortung, ihren spezifischen Weg zu Nachhaltigkeit oder Resilienz selbstständig zu gestalten – insbesondere durch eigene Diversifizierungsmaßnahmen. Die EU sollte diese Diversifizierungsmaßnahmen der Betriebe unterstützen, zum Beispiel durch den Abschluss neuer Handelsabkommen, weil sich dadurch für die Unternehmen zusätzliche Optionen ergeben können. Bei einseitigen kritischen Abhängigkeiten der EU von anderen Ländern können klar definierte und zielgerichtete staatliche Maßnahmen sinnvolle Ergänzungen sein. Anstatt einzelstaatlicher Alleingänge sollte die EU solche Initiativen auf europäischer Ebene koordinieren (beispielsweise im Rahmen von "Important Projects of Common European Interest") und nur in engem Austausch mit der Wirtschaft verfolgen. Allerdings sollten solche Eingriffe nur in wenigen und gut begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. 

Perspektivisch ist es wichtig, die Ursachen für einen teilweise verlorenen Anschluss in wichtigen Technologiefeldern zu beseitigen. Dazu gehört vor allem die Anpassung unternehmerischer Rahmenbedingungen, so dass zukünftige innovative Technologien, wie auch Mid- und Hightech, von Unternehmen in der EU global wettbewerbsfähig entwickelt und produziert werden können. Dadurch würden Importabhängigkeiten bei strategisch wichtigen Produkten zukünftig gar nicht erst entstehen. 

Als stark exportorientierte Nation ist der Industriestandort Deutschland auf offene Märkte und auch auf ausländisches Kapital angewiesen. Wettbewerbsfähige Standortfaktoren helfen, ausländisches Kapital ins Land zu holen. Dazu gehört auch der Schutz des Eigentums sowie die Kapitalverkehrsfreiheit als Eckpfeiler der marktwirtschaftlichen Grundordnung. Unternehmen sollten über ihr Eigentum frei verfügen dürfen, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Deswegen sollten staatliche Beschränkungen, Unternehmen im Ganzen oder in Teilen an ausländische Investoren zu veräußern, sehr gut begründet und gerichtlich überprüfbar sein. Die Politik sollte sich dafür einsetzen, dass staatliche Eingriffe bei ausländischen Kapitalbeteiligungen an deutschen Unternehmen die Ausnahme bleiben. Eingriffe sollten vorrangig dazu dienen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Für Teile der IHK-Organisation sollten sich staatliche Eingriffe allerdings auch auf weitere (Schlüssel-)Technologien beziehen.

Cluster leisten einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von verschiedenen Akteuren, so aus Wirtschaft sowie Wissenschaft, Zivilgesellschaft oder Politik – und das über Branchen und Technologien hinweg. Sie können damit Forschung, Innovation sowie unternehmerische Dynamik fördern und dadurch Transformationsprozesse in Gang setzen. Weitere Synergien können durch eine intensivere Vernetzung der Clusterinitiativen gehoben werden. Erfolgreiche Cluster lassen sich allerdings nicht politisch verordnen, sondern brauchen mittel- und langfristig selbsttragende Strukturen. Basis politischer Aktivität auf diesem Feld sollten dabei die Bedürfnisse und Aktivitäten der Unternehmen vor Ort sein ("Bottom-up"-Ansatz). Eine Clusterförderung (zum Beispiel für ein Clustermanagement) sollte regelmäßig evaluiert, über einen ausreichenden Zeitraum ermöglicht und degressiv ausgestaltet sein.

Die Industrie leistet einen wichtigen Beitrag für das Erreichen der Klimaschutzziele, sie ist zugleich Problemlöser für viele Herausforderungen rund um die Digitalisierung und den demografischen Wandel. Hierfür sind privatwirtschaftliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) erforderlich – zu einem Großteil in der Industrie. Neue Technologien sollten dazu auch gesellschaftlich verstanden und akzeptiert werden. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf den weltweiten Wettlauf um Innovationen. Entsprechend notwendig ist es, den Stellenwert der Industrie für Innovation, Beschäftigung und Wohlstand noch stärker als bisher aufzuzeigen: Hierbei spielen neben Medien auch regionale Industrieinitiativen unter Beteiligung der Wirtschaft und der IHKs eine wichtige Rolle. 

Um die Aufgeschlossenheit gegenüber dem technologischen Fortschritt zu fördern, sollten zudem Wirtschaft, Politik, Medien sowie Schulen und Hochschulen noch stärker als bisher zusammenarbeiten – auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Bereits in der schulischen Ausbildung sollten ein besseres Verständnis und Interesse für Wirtschaft, Innovation und Technologien geweckt werden (vergleiche Kapitel "Fachkräftesicherung: Berufliche Bildung stärken – Fachkräftepotenziale heben"). 

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Dr. Susanne Gewinnus Referatsleiterin Industrie- und Forschungspolitik

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Thorben Petri Referatsleiter Europäische Wirtschaftspolitik