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Bauen und Wohnen: Steuerlast, Regularien und Bürokratie abbauen, um Wachstum zu fördern

Cluster 9

© DIHK / Adobe Express, Firefly Image 3

Deutschland fehlt es an Wohn- und Gewerberaum. Seit Jahren verfehlt die Bundesregierung das selbst gesteckte Ziel im Wohnungsneubau. Die derzeitigen Rahmenbedingungen in der Baubranche stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Regulierung und unklare Vorschriften belasten Unternehmen und erschweren notwendige Investitionen in den Neubau sowie die Sanierung von Wohn- und Gewerbegebäuden und -räumen. Dabei ist die Schaffung von Wohnraum nicht zuletzt ein entscheidender Standortfaktor für KMU, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. 

Ein hohes Maß an Regulierung, mit der die Politik versucht, die ambitionierten Klimaziele auch im Bausektor zu erreichen, belastet die Bau- und Immobilienwirtschaft erheblich. Die gesetzlichen Regulierungen zur Erreichung der Klimaziele und die Umsetzung in den zuständigen örtlichen Verwaltungen sind durch viel zu komplexe durch oftmals nicht rechtssichere Vorschriften gekennzeichnet. Zudem wird im Schwerpunkt mit Verboten und Geboten reguliert und nur selten mit positiven finanziellen Anreizen. In erster Linie benötigen die Unternehmen der Baubranche praxisgerechte und rechtssichere Vorgaben sowie eine größere Flexibilität bei der Wahl der Technologien und der Wahl von Materialien, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu agieren. Ohne tiefgreifende Änderungen und Anpassungen der vielen Vorschriften werden notwendige energetische Sanierungen und Neubauten teilweise ausbleiben. 

Ein weiteres bedeutendes Hindernis für einen schnelleren Bau von Wohnungen und Gewerbegebäuden sind die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Diese verzögern Bauprojekte erheblich und erhöhen die Kosten für die Unternehmen. Ziel sollte sein, der gewerblichen Wirtschaft durch eine deutliche Beschleunigung und konsequente Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren bessere Rahmenbedingungen zu bieten. Vor allem sollten sämtliche Prozesse vereinfacht werden und damit erheblich weniger unnötige Bürokratie verursachen. Nur durch deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Baubranche werden Unternehmen ihr volles Potenzial entfalten können und dabei auch einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene werden ambitionierte CO2-Einsparziele für den Gebäudesektor formuliert. Kurze Fristen, ungenaue und sich oft ändernde Regeln sowie kleinteilige Vorschriften erschweren ein wirtschaftliches Modernisieren im Gebäudebestand. Gleiches gilt für den Neubau von Wohn- und Geschäftsräumen. Insgesamt sind die Vorgaben zu unklar, um Investitionen gut planen zu können. Gleichzeitig erschweren die gesetzlichen Regelungen eine zuverlässige Kostenkalkulation, die es auch ermöglicht, Kosten an Kunden beziehungsweise Mieter weiterzugeben. Zudem fehlen positive Anreize zur energetischen Sanierung durch eine verlässliche und gezielte Förderung. Steuerliche Investitionsanreize wurden erst spät gesetzlich auf den Weg gebracht und sind noch nicht rechtskräftig.

Im Bausektor sind grundlegende Veränderungen erforderlich. So sollte die Finanzierung zumindest eines Teils der Klimaschutzmaßnahmen aus dem Klima- und Transformationsfonds und/oder dem Bundeshaushalt geleistet werden. Der Umbau von Gebäuden bietet ebenfalls große Einsparpotenziale von CO2-Emissionen und ermöglicht auch im Bausektor (vor allem bei den Baumaterialien) eine Stärkung von kreislaufwirtschaftlichen Abläufen. Die Mehrheit der Unternehmen fordert praxisgerechtere Umsetzungsvorgaben zur Erreichung der Klimaziele und vor allem eine größere Freiheit bei der Wahl von Technik und Materialien. Hohe Hürden durch aufwendige und teure Zertifizierungserfordernisse sollten durch ein genaueres Abwägen von zusätzlichem Aufwand und erwartetem Nutzen reduziert werden.

Viele Unternehmen weisen darauf hin, dass mit variablen Maßnahmen vor Ort mehr erreicht werden kann als mit hohen zentralen Standards, die am Ende ökonomisch nicht umsetzbar sind. So sieht die gewerbliche Wirtschaft eine Senkung der KfW-Standards als hilfreich an. Kritisch wird eine zu enge Ausrichtung auf den Einsatz von Wärmepumpen gesehen. In diesem Zusammenhang spricht sich die Wirtschaft für eine klare Transparenz bei der Preisgestaltung der Fernwärme aus. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.

Aus Sicht vieler Unternehmen könnten Investitionsvorhaben wesentlich zuverlässiger geplant werden, wenn eine standardisierte Kosten-Nutzen-Rechnung durch Energieberater etabliert würde. Auf EU-Ebene sollte eine Vereinheitlichung der Energieeffizienzklassen vorgenommen werden. Durch eine Evaluierung sollte die Vergleichbarkeit von EU-Gebäudeklassen bewertet werden, um die jeweiligen Vorgaben besser abstimmen zu können. Dies erleichtert Investitionen in energieeffiziente Technologien und Gebäude. Gleichzeitig kann durch eine Senkung von Bürokratie- und Verwaltungsaufwand die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden.

Mit dem Ziel, das Wohnungsangebot für Fachkräfte zu erhöhen, befassen sich Unternehmen derzeit verstärkt mit dem Thema "Mitarbeiterwohnen". Durch steuerliche Maßnahmen könnten hier positive Anreize gesetzt werden; zu achten ist allerdings darauf, dass keine Konflikte in der Nutzung von Flächen ausgelöst werden.

Die in Deutschland im europäischen Vergleich niedrige Eigenheimquote sollte erhöht werden. Eine höhere Wohneigentumsquote könnte die Bauindustrie beleben und durch mehr Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung das Wirtschaftswachstum fördern. Hierdurch würde auch die Planungssicherheit für Unternehmen erhöht.

Für etliche Unternehmen wäre eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer ein wichtiger Hebel, um Liquidität für mehr Investitionen freizumachen (vergleiche Kapitel "Steuerpolitik"). Die Gesetzgebungskompetenz für niedrigere Steuersätze liegt bei den Ländern. Diese sollten darüber hinaus zusätzliche Möglichkeit erhalten, für die Übertragung von Mietwohnungen oder selbstgenutztem Wohneigentum niedrigere Steuersätze vorzusehen. 

Die steuerliche Einordnung von Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden und 15 Prozent der Anschaffungskosten übersteigen, als sogenannte anschaffungsnahe Herstellungskosten, sorgt derzeit dafür, dass Sanierungen nach dem Erwerb unattraktiv sind, da die Aufwendungen nur über die Nutzungsdauer des Gebäudes abschreibbar sind. Durch eine sofortige Abziehbarkeit könnte ein Investitionsimpuls ausgelöst werden. Durch den Gleichlauf mit dem Handelsrecht in der Buchhaltung käme es zusätzlich zu einer bürokratischen Entlastung bei den Unternehmen. Hiervon erwartet die Branche größere Kaufanreize und höhere Investitionen in die energetische Sanierung. 

Lange Planungsprozesse und Fristen, hohe Auflagen und hohe Standards verteuern und verzögern den Bau und die Modernisierung von Wohn- und Geschäftsräumen. Eine praxistaugliche Genehmigungsfiktion – also ein positiver Bescheid, wenn ein Amt nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist widerspricht – wird daher von der Wirtschaft als Maßnahme zur Beschleunigung der Prozesse vorgeschlagen. Einzelne Verfahrensschritte sollten mit Fristen und einem verbindlichen Zeitplan gesetzlich vorgeben werden. Das könnte etwa für die Vollständigkeitserklärung, für Nachforderungen von Unterlagen sowie für Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Bestehende Fiktionen im Baurecht, die Verfahrensfreistellung und das vereinfachte Genehmigungsverfahren sollten auf möglichst viele Bauvorhaben ausgeweitet werden. Hierdurch würde die Politik nicht nur den Wohnungsbau, sondern auch viele gewerbliche Bauvorhaben erleichtern. Sofern Unternehmen sich von einer Baugenehmigung mehr Rechtssicherheit versprechen, sollten freiwillige Antragswege möglich bleiben. Um die Bebauungsplanung zu beschleunigen, sollte das vereinfachte und beschleunigte Verfahren erweitert und das vorhabenbezogene Verfahren erleichtert werden. Auch im Bestand sollten innovative Ansätze und Konzepte wie Umnutzung ermöglicht werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und Konflikte über Flächennutzungen zu vermeiden.

Unternehmen weisen darauf hin, dass es vielerorts an Fachkräften in den Verwaltungen fehlt. Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie würden auch Genehmigungsbehörden entlasten (vergleiche Kapitel "Plan- und Genehmigungsverfahren" und "Digitalisierung und Digitaler Binnenmarkt"). Zudem sollten einheitliche Regelungen der Musterbauordnung möglichst bundesweit angewandt werden. In einem Bundesland genehmigte Gebäudetypen sollten auch in einem anderen zulässig sein. Typisierte Wohngebäude, die in den Landesbauordnungen verankert werden, würden den Wohnungsbau beschleunigen.

Als großes Investitionshindernis werden die fehlende Präklusion und fehlende Stichtagsregelungen gesehen. Aufgrund von späten Klagen oder Veränderungen in der Sach- oder Rechtslage werden viele Pläne oder Genehmigungen gestoppt oder ganz aufgehoben. Beteiligten Unternehmen und der Öffentlichkeit ist in den Verfahren häufig nicht klar, an welchem Punkt Einwände oder Widersprüche eingebracht werden können. Deswegen fordern die Unternehmen klare Stichtagsregelungen und eine Präklusion, also den Verlust des Widerspruchsrechts, wenn der Widerspruch nicht innerhalb einer bestimmten gesetzlichen Frist vorgenommen wurde. 

Von durchgängigen digitalen Verfahren versprechen sich die Unternehmen ebenfalls eine Beschleunigung von Baumaßnahmen. Der digitale Bauantrag sollte deutschlandweit angewandt werden. Schriftformerfordernisse sollten gestrichen werden. Auch während eines Bauprozesses müssen die Unternehmen eine Vielzahl von Regelungen beachten. Deshalb fordert die Wirtschaft eine Reduzierung und Flexibilisierung dieser Anforderungen, beispielsweise durch Berücksichtigung passiver Schallschutzmaßnahmen in der "Technischen Anleitung Lärm".

Aus Sicht einiger Unternehmen sollten alle Normen und Standards auf Effizienz und Effektivität überprüft werden. Das gilt etwa für den Brandschutz, die Gebäudetechnik, den Lärmschutz, die Stellplätze oder die Natur- und Klimaschutzauflagen.

Die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) enthält hohe Anforderungen an den Neubaustandard. Auch mit der EU-Taxonomie wurden hohe Anforderungen an die Unternehmen in der Baubranche formuliert. Ob diese Vorgaben letztlich in der Praxis anwendbar sind, ist fraglich. Die EU-Kommission wird in der neuen Legislaturperiode gefordert sein, die überbordende Regulierung der zurückliegenden Jahre wieder deutlich zu reduzieren.

Aufgrund ihrer Planungshoheit sind die Kommunen ein wesentlicher Akteur, um Bauland zu schaffen. Bund und Länder sollten den Kommunen hierbei einen möglichst großen Handlungsspielraum zusichern. Allerdings sollten vereinfachte und beschleunigte Verfahren einheitlich die Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen und Investoren erhöhen.

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Kontakt

Karoline Preuß Referatsleiterin Bau- und Immobilienwirtschaft