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Wettbewerbsrecht: Marktwirtschaft stärken, Fairness fördern, Vergaberecht vereinfachen

Cluster 7

© DIHK / Adobe Express, Firefly Image 3

Im Zentrum jeder marktwirtschaftlichen Ordnung stehen Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb aller Marktakteure sicherstellen. Denn faire Wettbewerbsbedingungen ermöglichen es den Unternehmen, durch Investitionen und Innovationen von Produkten und Prozessen am Markt erfolgreich zu sein. Unternehmen sollten rechtssicher beurteilen können, was sie im Wettbewerb tun dürfen und was nicht. Es gilt den Wettbewerb zu stärken und Verzerrungen zu verhindern. Dafür ist das Wettbewerbsrecht der Rahmen.

Für fairen Wettbewerb ist zudem eine effektive Rechtsdurchsetzung notwendig. Die gut funktionierende zivilrechtliche Durchsetzung auch von Verbraucherschutzgesetzen, soweit neben den Wettbewerbern auch Verbraucher geschützt werden, darf nicht durch die Einführung einer behördlichen Rechtsdurchsetzung gefährdet werden. 

Auch bei öffentlichen Aufträgen ist Wettbewerb wichtig – dieser sollte durch ein einfacheres Vergaberecht sichergestellt werden.

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Verstoßen Unternehmen gegen das EU-Wettbewerbsrecht, wird dies zu Recht geahndet. Die Verfahren im EU-Wettbewerbsrecht sind jedoch häufig intransparent und in ihren wirtschaftspolitischen Folgen teilweise schwer vorhersehbar. Die Bußgeldhöhe bei Kartellfällen ist unverhältnismäßig hoch, für einige Unternehmen existenzbedrohend. Dies verursacht vielfach Druck, Vergleichsvereinbarungen zu treffen. Diskutiert wird sogar die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen gegen einzelne Entscheidungsträger in Unternehmen. Alle nationalen, wie internationalen Kartellverfahren sollten im Hinblick auf die bestehenden Ermessens- und Entscheidungsspielräume der Behörden überprüft werden. Die Behörden treten als Ermittler, Ankläger und zunächst als Richter auf. Es gilt aus Sicht der Betriebe, die Verteidigungsrechte ausnahmslos zu wahren und gerichtlich vollständig überprüfbar zu machen. Dies gilt auch für Verhandlungen zur Verfahrenseinstellung: Wettbewerbsrecht darf nicht zum politischen Instrument der Verwaltung werden. Entscheidungen, auch im Ermittlungsverfahren, sollten gerichtlich vollständig überprüfbar sein.

EU-Entscheidungen zur kartellrechtlichen Sanktionierung sind für Gerichte der Mitgliedstaaten bindend und dienen als Grundlage für private Schadenersatzklagen. Der EU obliegt damit eine besonders hohe Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Verfahren, die bereits vor gerichtlicher Überprüfung eine Vielzahl an Konsequenzen mit sich bringen. So wird die private Durchsetzung des Kartellrechts zunehmend gestärkt, indem zum Beispiel Schäden nicht mehr bewiesen, sondern vermutet werden können. Dadurch entsteht für betroffene Unternehmen ein hoher Druck zu kostspieligen Vergleichsvereinbarungen, allein um Rechtsfrieden zu erreichen. 

Zusätzlichen Druck erzeugt die Möglichkeit der Prozesspartei auf Klägerseite, sich im Kartellrecht den günstigsten Ort für eine Schadenersatzklage zu suchen (sogenanntes "Forum Shopping"), etwa Gerichte mit den höchsten Schadenersatzansprüchen, einem klägerfreundlichen Prozessrecht (zum Beispiel durch Dokumentenvorlagepflichten), vielen Beweiserleichterungen, oder der Möglichkeit zur Drittfinanzierung der Verfahren, ohne dass das nationale Recht Transparenzvorschriften kennt. Die Urteile sind gleichwohl EU-weit vollstreckbar. Der Wettbewerb der Gerichtsstandorte darf aber nicht auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen werden. Die Haftung und der Schadenersatz für tatsächliche Rechtsverstöße sind für die Wirtschaft selbstverständlich. Aber hier gilt es, Regeln zu finden, die die Verteidigungsmöglichkeit von Unternehmen hinreichend sicherstellen. Private Schadenersatzklagen sollten allein der Entschädigung dienen.

Im Rahmen des Green Deal sind Kooperationen zwischen Unternehmen – auch auf horizontaler Ebene – besonders bedeutsam, da viele Innovationen für mehr Nachhaltigkeit einer Zusammenarbeit bezüglich Know-how, Finanzkraft und Wettbewerbsfähigkeit bedürfen und anderenfalls Ressourcen nicht nachhaltig eingesetzt werden. Es sollte daher sichergestellt werden, dass Unternehmen nicht aus rechtlicher Unsicherheit – etwa wegen möglicher wettbewerbsrechtlicher Sanktionierung – von derartigen Kooperationen absehen. Hierfür ist es erforderlich, dass Unternehmen Rechtssicherheit erhalten, zum Beispiel in Form von Kommissions- beziehungsweise Kartellamtsschreiben, wonach die geplante Kooperation auf keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken stößt.

Durch die elfte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (11. GWB-Novelle) hat das Bundeskartellamt 2023 sehr weitgehende Eingriffsinstrumente erhalten, mit denen es – im Anschluss an Sektoruntersuchungen – gegen "Störungen des Wettbewerbs" vorgehen kann. Diese Störungen des Wettbewerbs sind jedoch nicht definiert. Die Anordnung struktureller Abhilfemaßnahmen durch das Bundeskartellamts kann sich damit nunmehr auch gegen Unternehmen richten, denen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und die durchgehend rechtmäßig gehandelt haben. Mögliche behördliche Maßnahmen – wie etwa die Vorgabe konkreter Preis- und Vertragsgestaltung bis hin zur Entflechtung von Unternehmen – können dabei sehr stark in die unternehmerische Freiheit eingreifen. Es gibt deutliche Zweifel an der Verfassungs- und Europarechtskonformität des Gesetzes. Die gesetzgeberische Entscheidung, durch eine Behörde und nicht durch den Gesetzgeber in die unternehmerische Freiheit rechtmäßig handelnder Unternehmen einzugreifen, sollte auf den Prüfstand gestellt werden. 

Keinesfalls sollten diese Fehlentwicklungen des deutschen GWB auf die EU-Ebene übertragen werden – vor allem, weil es noch keine Erfahrung und Evaluierung der gerade erst in Kraft getretenen deutschen Regelung gibt. Die EU hatte sich erst kürzlich bewusst gegen ein vergleichbares New Competition Tool (NCT) entschieden und stattdessen den Digital Markets Act (DMA) verabschiedet. Diese Entscheidung gegen das New Competition Tool sollte nicht ohne Faktengrundlage und ohne nachgewiesene tatsächliche Notwendigkeit revidiert werden; auch nicht für einzelne Sektoren.

Vor allem in den Bereichen Energieversorgung, Telekommunikation und Abfallwirtschaft erfolgten in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreiche Liberalisierungsschritte. Immer wieder wird regional jedoch eine Rekommunalisierung diskutiert. Dabei muss beachtet werden, dass das Steuerrecht Wettbewerbsverzerrungen zulasten privater Unternehmen verursachen kann, wenn öffentliche Unternehmen im Gegensatz zu privaten Wettbewerbern Leistungen zum Teil umsatzsteuerfrei und außerhalb einer kartellrechtlichen Prüfung durch das Bundeskartellamt anbieten können.

Leistungen der Daseinsvorsorge können häufig auch private Unternehmen anbieten. Entscheidend ist, dass die Leistungen der Daseinsvorsorge bestmöglich erbracht werden. Dabei spielen neben der konkreten Betrauung zum Beispiel ein flächendeckendes Angebot, aber auch der Wettbewerb um Kosten, Qualität und die nachhaltige Erbringung der Leistungen eine große Rolle. Sind öffentliche und private Unternehmen auf demselben Markt tätig, sollte der Wettbewerb fair sein, und alle Unternehmen sollten sowohl steuerrechtlich wie kartellrechtlich gleichbehandelt werden.

Das Vergaberecht wird sowohl von öffentlichen Auftraggebern als auch von Unternehmen als Bietern häufig als schwerfällig, bürokratisch und rechtlich zersplittert empfunden. Die Zahlen der Bieter bei Vergabeverfahren gehen dramatisch zurück. Bei Überlegungen zur Vereinfachung und Beschleunigung wird vielfach ausschließlich die Erhöhung der Schwellenwerte als Lösung vorgeschlagen. Dies greift aus Sicht der Wirtschaft zu kurz und konterkariert teilweise die grundlegenden Ziele des Vergaberechts. Diese sind: wirtschaftliche Beschaffung unter den Rahmenbedingungen von Transparenz, Wettbewerb und Korruptionsprävention. Mehr Wettbewerb durch mehr Angebote von Bietern erreicht man nur, wenn die Vergabeverfahren insgesamt bieterfreundlicher gestaltet werden. Das wirtschaftlichste Angebot muss dabei nicht zwangsläufig das günstigste sein.

Eine wettbewerbsförderliche Ausgestaltung beginnt bei gezielter Vereinheitlichung auf den unterschiedlichen gesetzlichen Ebenen und mehr Professionalisierung und Know-how bei den öffentlichen Auftraggebern. Fast jedes Bundesland hat eigene Vorschriften, welche Kriterien zusätzlich zu Preis und Qualität bei der Beschaffung zu berücksichtigen ist. Zudem unterscheiden sich die Wertgrenzen, ab denen öffentlich, beschränkt oder überhaupt ausgeschrieben wird. 

Klare, nachvollziehbare und unter den Bundesländern abgestimmte Regeln und Verfahren helfen den Unternehmen und letztlich den öffentlichen Auftraggebern.

Der Wettbewerb der Unternehmen würde durch ein bundesweites, verpflichtendes Veröffentlichungsmedium für öffentliche Aufträge – auch unterhalb der EU-Schwelle – gestärkt. International sollte auf Reziprozität hingewirkt werden, dass also deutschen Unternehmen bei ausländischen Ausschreibungen die gleichen Chancen eingeräumt werden wie ausländischen Unternehmen bei deutschen Ausschreibungen.

Öffentliche Auftragsvergabe wird zunehmend an politisch erwünschtes Wirtschaften der Auftraggeber geknüpft, sei es durch zusätzliche gesetzliche Auflagen in Bezug auf soziale, ökologische, sei es bezogen auf Tariftreue oder Menschenrechts-Aspekte. Schon jetzt ist es so, dass durch das Ziel sogenannter "strategischer Beschaffung" (unter anderem Nachhaltigkeit, Innovation, Menschenrechte) die Anforderungen in Ausschreibungen häufig so umfangreich und detailliert gefasst sind, dass sie für sehr viele Betriebe in der Praxis nicht erfüllbar sind. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Gesetzliche Vorgaben sind überflüssig, da die Berücksichtigung solcher Aspekte schon auf Basis des bisherigen Rechts möglich ist.

Strategische Vorgaben bei öffentlichen Aufträgen sollten nicht zwingend vorgeschrieben werden. Sie sind nach Ansicht der Mehrheit der Unternehmen zudem nur dann mit Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb vereinbar, wenn sie auftragsbezogen sind und wenn sie vom öffentlichen Auftraggeber auch kontrolliert werden können. Weder das bietende Unternehmen noch die einzelne Vergabestelle wird in der Regel die Einhaltung umfassender Bedingungen an den Produktionsprozess und die Zulieferkette bei globalen Wertschöpfungsketten ausreichend kontrollieren können. Dementsprechend sollten solche umfassenden Bedingungen in Ausschreibungen auch nicht gefordert werden. Dabei dürfen nach dem sogenannten "Think small first"-Prinzip der EU strategische Ziele nicht dazu führen, KMU praktisch von vielen Vergabeverfahren auszuschließen.

Nachhaltige Produkte sollen nach Willen der EU zur Norm werden, politisch unerwünschte Produktgestaltungen hingegen verhindert werden. Richtig wäre aus Sicht der Wirtschaft, Verbraucher und Kunden besser über die Nachhaltigkeit von Produkten zu informieren und so vor unzuverlässigen oder falschen Umweltaussagen zu schützen. Denn für Unternehmen sind Transparenz und Wahrheit mit Blick auf nachhaltige Produkte als Grundgedanken wichtig – Regelungen hierfür gibt es aber größtenteils schon. Dennoch hat die EU überaus detaillierte Regelungen auf den Weg gebracht. Hier sollten einerseits die Anforderungen an die Informationspflichten nicht unangemessen ausgeweitet werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Nutzen der jeweiligen Information für den Verbraucher gering bis verwirrend, aber die Belastung der Unternehmen hoch ist. Andererseits sollte auch bei nachhaltigen Produkten der bewährte Maßstab unzulässiger Irreführung nicht einseitig zulasten der Unternehmen verändert werden. 

Es droht eine Überregulierung für Werbung mit Umweltaussagen durch per-se-Verbote und eine Pflicht zur vorherigen Genehmigung von Werbeaussagen durch eine Behörde. Per-se-Verbote sind auf ihre Notwendigkeit zu prüfen. Vorab-Genehmigungsverfahren für solche Werbung mit Umweltaussagen werden seitens der Wirtschaft vollständig abgelehnt. Aufwand-Nutzen-Relation und die Verhältnismäßigkeit sollten im Blick behalten werden. Werbemöglichkeiten mit Green Claims sollten auch für KMU möglich sein und dürfen nicht an finanziell kostspieligen bis prohibitiven Zulassungsverfahren scheitern. Eine Überforderung der Unternehmen führt erwartbar zum sogenannten "Greenhushing", dem gänzlichen Verzicht auf Werbung mit Nachhaltigkeit. Wenn für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nicht mehr geworben werden kann, dann wird dies auch Auswirkungen auf Innovationen in diesem Bereich haben und wird die erwünschte Wirkung verfehlt.

Tabak, Alkohol oder "ungesunde" Lebensmittel: In der Diskussion wird schnell der Ruf nach Werbeverboten laut. Solange aber Produkte nicht gesetzlich verboten sind oder der empirische Nachweis für Kausalität zwischen Werbung und Schäden für zum Beispiel die Gesundheit erbracht ist, sollten Unternehmer nach überwiegender Meinung für diese legalen Produkte legal werben können. Der Staat sollte am Leitbild des mündigen und informierten Verbrauchers festhalten und es wieder stärker in seine politischen Wertungen einbeziehen.

Bei vulnerablen Gruppen ist es zwar wichtig, zielgerichtete und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, diese dürfen aber nicht zu unangemessenen Schäden bei Unternehmen führen, die über das eigentliche Schutzziel hinausgehen. Diese Maßgaben gelten auch bezüglich des sogenannten "nudging", da legale unternehmerische Verhaltensweisen auch nicht indirekt von staatlicher Seite als illegitim behandelt und gesteuert werden sollten. Soweit sogenannte "Dark Patterns", das heißt, Design, das darauf ausgelegt ist, den Benutzer zu Handlungen zu verleiten, die dessen Interessen entgegenlaufen, gesetzlich geregelt werden sollen, ist zu prüfen, ob und inwieweit es einer Regelung bedarf. Meist sind solche manipulativen Gestaltungen bereits von den bestehenden Regelungen umfasst.

In vielen Bereichen des Wirtschaftsrechts hat sich in Deutschland die private Rechtsdurchsetzung ("Private Enforcement") als effizient und erfolgreich erwiesen. Im Zusammenhang mit der bisher in Deutschland zivilrechtlich erfolgenden Rechtsdurchsetzung von Verbraucherschutzrecht, zum Beispiel dem Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb oder Unterlassungsklagengesetz, wird dennoch vermehrt über zusätzliche behördliche Durchsetzung ("Private Enforcement") diskutiert. Erfasst werden vielfältige Bereiche des Zivilrechts, bis hin zur Vertragsgestaltung (Zahlungsverzugsverordnung).

So unternimmt die EU-Kommission seit vielen Jahren in verschiedenen verbraucherschützenden Regelungen immer wieder Schritte, Details der Sanktionierung in Form von behördlichen Bußgeldern europaweit vorzuschreiben. Für den Binnenmarkt ist es aber ausreichend, dass das Recht durchgesetzt wird und dass es effektive Sanktionen gibt – woran es vor allem bei der Kommission in Bezug auf die Vertragsverletzungsverfahren mangelt (vergleiche Kapitel "Binnenmarkt").

Die zivilrechtliche Durchsetzung durch Wettbewerbsvereine, IHKs, Verbraucherschutzvereine und Wettbewerber insbesondere im Wettbewerbsrecht (UWG) funktioniert effektiv, schnell und kostengünstig. Missstände, die eine Verbraucherschutzbehörde sowohl grenzüberschreitend als auch national besser bewältigen könnte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr droht mit einer Verbraucherschutzbehörde ein weiteres Nadelöhr mit Abgrenzungsproblemen und politischen Prioritäten, so dass Wettbewerbsverstöße weniger zügig als bisher sanktioniert würden – zum Nachteil auch von Wettbewerbern. 

 

 

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Hildegard Reppelmund Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht | Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)