Sicherheit in der Wirtschaft: Mehr Rechtssicherheit statt Kriminalisierung der Wirtschaft
Für die deutsche Wirtschaft ist es wichtig, auf rechtssichere Rahmenbedingungen vertrauen zu können. Gleichzeitig erwarten Unternehmen angemessenen Schutz vor kriminellen und auch nachrichtendienstlichen Aktivitäten. Sie sind bereit, den Staat zu unterstützen, zum Beispiel bei der Geldwäscheprävention, wollen dabei aber nicht unangemessen belastet und selbst kriminalisiert werden.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
Die Bedrohung der Wirtschaft durch Spionage, Cyberangriffe und organisierte Kriminalität nimmt weiter zu: Spionage durch ausländische Nachrichtendienste und konkurrierende Unternehmen sowie Cyberangriffe sind eine ernstzunehmende Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Das Know-how von Unternehmen wird gezielt, zum Beispiel mittels elektronischer Angriffe über die IT-Infrastruktur oder den Einsatz menschlicher Quellen, abgeschöpft. Dies trifft nicht allein die Finanz-, Pharma-, Telekommunikations- und Hochtechnologie-Unternehmen, sondern auch "Hidden Champions".
Betroffen sind wiederholt auch kleine und mittlere Unternehmen. Daher sind alle Unternehmen gefordert, sich Gefahren durch Wirtschaftskriminalität wie Diebstahl, Know-how-Abfluss, Cyberangriffe und Änliches stärker bewusst zu machen und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.
Die IHKs informieren über allgemeine Risiken und Bedrohungen durch Spionage und Cybercrime sowie über Präventionsmaßnahmen. Darüber hinaus sind jedoch seitens der Sicherheitsbehörden gezielte Informationen über Gefahrenlagen erforderlich und es bedarf vor allem effektiver und ortsnaher Strukturen, die auch KMU in Fällen von Angriffen konkrete Unterstützungsangebote bieten.
Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Staat sollte im Interesse von flächendeckenden Informations- und Hilfsangeboten weiter gepflegt und noch ausgebaut werden, um zu einem regelmäßigen, vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe zwischen staatlichen Einrichtungen und der Wirtschaft zu kommen, möglichst proaktiv und nicht reaktiv, wenn beispielsweise ein Cyberangriff bereits geschehen ist. Um das Vertrauen der Wirtschaft in die Arbeit staatlicher Sicherheitsbehörden im Umgang mit Cyberangriffen und Spionage zu erhöhen, sollten diese Institutionen in den offenen Austausch mit der Wirtschaft gehen und Arbeitsweisen sowie Unterstützungsangebote transparent machen, gerade auch bei der Bewältigung und Nachverfolgung von IT-Sicherheitsvorfällen.
Politik und Verwaltung sollten konkret helfen, Wirtschaftsspionage, Sabotage und Cyberangriffe wirksam zu verhindern, unter anderem durch Warnungen, und im Eintrittsfall unbürokratisch die Unternehmen in der Aufarbeitung und Stärkung unterstützen. Insbesondere Cyberkriminalität sollte intensiver verfolgt werden. In diesem Zusammenhang sind wirksame Maßnahmen gefragt, um zum Beispiel den Missbrauch digitaler Währungen für kriminelle Geschäfte zu verhindern. Wirtschaftsspionage sollte politisch auf internationaler Ebene geächtet werden. Dabei könnte über eine Anhebung des Strafrahmens bei professioneller Industriespionage, speziell aus dem Ausland per Internet und Schadprogrammen, nachgedacht werden.
Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung werden auch von der Wirtschaft als wichtige Ziele anerkannt und unterstützt. Denn letztlich schaden sowohl Geldwäsche als auch Terrorismus der Wirtschaft erheblich. Das Ziel der Geldwäscheregeln sollte es sein, professionelle, organisierte Geldwäsche effektiv zu verhindern. Die Geldwäscheregeln dürfen aber nicht dazu führen, dass Unternehmen aufgrund immer neuer bürokratischer Hürden übermäßig belastet werden.
Unübersichtliche Regelungen zur Geldwäscheprävention erschweren deren praktische Umsetzung: nicht praktikable Identifizierungspflichten bezüglich Kunden und deren wirtschaftlich Berechtigte sowie umfangreiche Dokumentationspflichten und Präventionsmaßnahmen führen zu einem hohen Bürokratieaufwand und teilweise zu nicht erfüllbaren Belastungen bei Unternehmen. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zulasten deutscher Unternehmen im internationalen Umfeld sollte es keine strengeren Pflichten als durch die EU-Richtlinien geben.
Wenn schon ein aufwendiges Transparenzregister betrieben wird, sollte dieses auch zu mehr Rechtssicherheit beitragen, indem die zur Geldwäscheprävention Verpflichteten auf die darin enthaltenen Angaben vertrauen können. Vor allem Familienunternehmen befürchten, dass die sehr weitreichende Einsichtnahmemöglichkeit in dieses Register zu persönlichen Gefährdungen führen kann. Schon die doppelte Eintragungspflicht in Handelsregister und Transparenzregister wird von Unternehmen als unangemessene bürokratische Belastung empfunden; die Handelsregistereintragung sollte wieder ausreichend sein. Insbesondere die Bußgeldpraxis des Bundesamtes für Verwaltung im Zusammenhang mit dem Transparenzregister erscheint vielen Unternehmen zu weitgehend. Angesichts der auf Landesebene sehr unterschiedlich geregelten Zuständigkeit für die Geldwäscheaufsicht über den Nichtfinanzbereich ist eine einheitliche Anwendungspraxis der Landesaufsichtsbehörden von großer Bedeutung.
Gewerbliche Schutzrechte sind häufig gefährdet. Unternehmen können ihre Patent-, Design- und Markenrechte sowie ihr Know-how in einer globalen Geschäftswelt immer schwerer verteidigen. Häufig agieren Gruppierungen der internationalen organisierten Kriminalität – auch über digitale Zugänge. Deren Anpassungsfähigkeit und Flexibilität hat sich gerade in der Pandemie deutlich gezeigt. Die Kapazitäten von Justiz, Polizei, Zoll und Gewerbeaufsicht für eine effektive Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie sind zu gering.
Angesichts der hohen Gefährdung sollte eine effektive Verfolgung von Marken- und Produktpiraterie durch eine bessere Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Zoll und Gewerbeaufsicht und den dort notwendigen Kapazitäts- und Know-how-Ausbau sichergestellt werden. Über die Gefahren durch Plagiate sollte auch durch das Deutsche Patent- und Markenamt stärker sensibilisiert werden, die IHKs und der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) tragen dazu bei. Der Schutz geistigen Eigentums sollte regelmäßig ein Baustein in internationalen Handelsabkommen und völkerrechtlichen Vereinbarungen sein. Zwangslizenzen sind angesichts ihrer innovationshemmenden Effekte nur in engsten und klar definierten Ausnahmekonstellationen denkbar, bei denen Schutzgüter mit überragendem öffentlichem Interesse auf dem Spiel stehen.
Das deutsche und europäische Wirtschaftsrecht hat eine Größenordnung angenommen, die es auch für viele Experten im Detail kaum noch überschaubar erscheinen lässt. Rechtsunsicherheit und Bürokratie hemmen Innovation und stellen eine neue Risikokategorie für unternehmerisches Handeln dar. Damit steigen die Anforderungen an die unternehmensinternen Kontrollsysteme unverhältnismäßig.
Die Rechtsunsicherheit ist für Unternehmen in strafrechtlichen Kontexten besonders gefährlich. Der strafrechtliche Untreuetatbestand ist kaum begrenzt und angesichts der Einzelfallrechtsprechung auch für Fachkundige kaum noch verständlich. Echte oder vermeintliche "Unternehmensskandale" führen so zu Forderungen nach "Bestrafung" des Unternehmens und damit aller Arbeitnehmer und Anteilseigner, nicht mehr einzelner schuldiger Täter.
Politik, Strafverfolgungsbehörden und Justiz sollten gemeinsam für ein eindeutiges und verständliches Recht sorgen und dessen einheitliche Anwendung national, aber auch europäisch und international verwirklichen.
Wichtig ist auch, dass Unternehmen erkennen können, welche Stelle im föderalen Staat ihr richtiger Ansprechpartner ist. Kompetenzen sollten klar abgegrenzt, aufeinander abgestimmt und für Unternehmen deutlich wahrnehmbar sein.
In Politik und Gesellschaft ist ein zunehmender Trend einer Kriminalisierung der Wirtschaft erkennbar. Dazu gehört auch der Ruf nach einem Unternehmensstrafrecht. Unternehmerisches Handeln wird im politischen Diskurs wiederholt unter Generalverdacht gestellt, in Deutschland wurde eine Haftung ohne Schuld diskutiert und in der EU diese in Einzelsektoren eingeführt. Die Schaffung eines Unternehmensstrafrechts ist nicht notwendig und wird durch die Wirtschaft abgelehnt.
Demgegenüber erscheint es überlegenswert, Ressourcen der Staatsanwaltschaft zu erhöhen oder etwaige Lücken über das Ordnungswidrigkeitenrecht zu regeln. Dabei ist es entscheidend, anders als bislang, auch Compliance-Maßnahmen als tatbestandsausschließend, zumindest aber bußgeldmindernd oder bußgeldausschließend anzuerkennen. Denn wenn Unternehmen entsprechend ihrer Größe alles ihnen Mögliche getan haben, Rechtsverstöße zu verhindern, muss dies Berücksichtigung finden. Für die Unternehmen sollte hierbei ersichtlich sein, was als angemessene Maßnahmen zu beurteilen ist, um einen Strafausschluss oder zumindest die Milderung zu erreichen.
Gleichzeitig sollte es vermieden werden, fehlende Kapazitäten auf Seiten der Staatsanwaltschaften durch überschießende Kooperationspflichten der Unternehmen zu kompensieren und damit faktisch die Strafverfolgung durch Verlagerung auf die Unternehmen zu privatisieren. Zudem ist sicherzustellen, dass Bußgelder verhältnismäßig und angemessen sind – umsatzbezogene Bußgelder, insbesondere wenn auf den Konzernumsatz abgestellt wird, erscheinen bedenklich.