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Außenwirtschaft: Bürokratie abbauen, Förderung verbessern

Cluster 6

© DIHK / Adobe Express, Firefly Image 3

Mit seiner hohen Außenhandelsquote ist Deutschland die offenste Volkswirtschaft der G7-Staaten. Deutschland behauptet sich mit qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen seit langem in der Spitzengruppe der Exportnationen. Jeder vierte Arbeitsplatz hängt, direkt oder indirekt, vom Exportgeschäft ab, in der Industrie jeder zweite. Geopolitische Veränderungen, zunehmende Handelsbarrieren und bürokratische Hürden stellen das Auslandsgeschäft der Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Unternehmen ist deshalb eine effektive Unterstützung in Deutschland und rund um den Globus: praxisnah und bürokratiearm. 

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Die deutsche Wirtschaft kann sich grundsätzlich auf ein solides Angebot von Garantieinstrumenten des Bundes verlassen. Um den globalen Verflechtungen der deutschen Wirtschaft Rechnung zu tragen, sollte der zugelassene Anteil an ausländischer Wertschöpfung für Projekte und Produkte flexibler gestaltet werden. Ungebundene Finanzkredite sichern die Versorgung mit notwendigen Rohstoffen und Zugang zu Vorprodukten für emissionsarme Technologien ab. Um die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft zu unterstützen, sollte das Instrument flexibler eingesetzt werden – auch für andere kritische Vorprodukte und mit weniger strengen Kriterien zur Förderwürdigkeit. Gerade bei internationalen Geschäften in Drittländern konkurrieren deutsche Unternehmen zunehmend mit Finanzierungspraktiken anderer Staaten, die den Wettbewerb zu verzerren drohen. Internationale Standards, zum Beispiel der OECD, für öffentlich unterstützte Exportkredite werden oftmals nicht eingehalten. Die Bundesregierung sollte konsequent gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen vorgehen und sich für die Nutzung sowie Einhaltung von internationalen Standards und Regelwerken einsetzen. 

Im Bereich der Güter mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Güter") sind Umsetzungsniveau und Bearbeitungsfristen für Genehmigungen innerhalb der EU unterschiedlich. In Deutschland häufen sich die Beschwerden der Unternehmen darüber, dass Entscheidungen über Genehmigungen monatelang andauern. Bei Anträgen auf exportkontrollrechtliche Bescheide und, generell, bei der Gestaltung des Exportkontrollrechts sowie dessen Anwendung in Deutschland sind EU-weit gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen erforderlich, ansonsten bestehen Nachteile auf den Weltmärkten. Zudem sollten die zuständigen Institutionen Anträge zügiger und transparenter bearbeiten, insbesondere, wenn Bundesministerien in Einzelentscheidungen einbezogen sind. Es braucht Instrumente, die es Unternehmen erlauben, sich in der Fülle an Vorschriften zurechtzufinden und Unsicherheiten, bereits im Vorfeld, weitestgehend zu beseitigen. Die Bundesregierung und die EU sollten am wichtigen "Wassenaar-Abkommen" und dessen Fortentwicklung festhalten sowie weitere internationale Exportkontrollregime in möglichst breiter internationaler Gemeinschaft vorantreiben. 

Globale Investitionsströme sind entscheidend für die international eng vernetzte deutsche Wirtschaft. Staatliche Eingriffe in die Kapitalverkehrsfreiheit und das Grundrecht auf Eigentum finden daher in einem wirtschaftspolitischen Spannungsfeld statt. In Fragen der nationalen Sicherheit gilt dabei das Primat der Politik, aber auch hier gilt der Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Denn Überregulierung und lange Entscheidungsprozesse bedrohen Investitionen und damit Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Staatliche Beschränkungen, Unternehmen im Ganzen oder in Teilen an ausländische Investoren zu veräußern, sollten daher sehr gut begründet und gerichtlich überprüfbar sein. Sie sollten vorrangig dazu dienen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Einführung von staatlichen Prüfungen von Auslandsinvestitionen (sogenannte "Outbound Investment Screening") wäre – aus Sicht des Großteils der Unternehmen – ein zu starker Eingriff in die unternehmerische Handlungsfreiheit und wird daher abgelehnt. 

Die Umsetzung wichtiger Ziele des 2016 in Kraft getretenen Unionszollkodex (UZK) wurde bisher nur unzureichend verwirklicht. Gerade im Hinblick auf die im Mai 2023 vorgeschlagene erneute Reform des EU-Zollrechts ist die zeitnahe EU-weit einheitliche Umsetzung und Anwendung bereits angekündigter UZK-Erleichterungen in Verbindung mit den erforderlichen IT-Anpassungen besonders wichtig. Die überfällige Reduzierung der Zollbürokratie und die damit verbundene Änderung der Ein- und Ausfuhrbedingungen sollte konsequent nach dem Trade Facilitation Agreement erfolgen und für die unternehmensinterne Umsetzung mit mehreren Monaten Vorlauf bereitgestellt werden. 

Die im Rahmen des Vorschlags zur Reform des EU-Zollrechts aus dem Jahre 2023 neu entstehende EU-Zollbehörde sowie der EU-Customs-Data-Hub sollten praxisnah sein und sich an den Anforderungen der Unternehmen und den Erfordernissen des Warenverkehrs orientieren. Das Risikomanagement sollte zugunsten der Unternehmen verbessert werden, die sich marktkonform verhalten. Etwaige Verbote und Beschränkungen sollten also nicht für alle Markteilnehmer zu zusätzlicher Bürokratie führen. Nicht EU-konforme Waren und Marktteilnehmer sollten deshalb – durch ein verbessertes Zusammenspiel von Behörden und Technik im Rahmen bereits existierender Daten – effektiv beschränkt werden. 

Im Rahmen der EU-Zollreform muss die lange überfällige Vereinfachung des EU-Zolltarifs dringend für alle Warengruppen und Unternehmen erfolgen, um Markteilnehmer und Zollbehörden gleichermaßen zu entlasten. Außerdem sollten EU-Vorhaben zu Zollrecht und Umsatzsteuerrecht besser synchronisiert werden.

Mit Blick auf strategische Abhängigkeiten der EU ist eine Modernisierung des EU-Mechanismus zur Aussetzung wirtschaftsschädlicher Zollhürden erforderlich – etwa im Rohstoffbereich. Auch die Digitalisierung von Zollverfahren und Dokumenten sollte nach Ansicht der betroffenen Unternehmen stärker vorangetrieben werden. Entscheidend sind hier eine ausreichende technische und personelle Ausstattung bei den Zollverwaltungen. Ziel sollte sein, EU-interne Wettbewerbsnachteile durch erhöhte Bearbeitungszeiten in deutschen Seehäfen zu vermeiden. Ebenso wichtig ist eine durchgängige und EU-weit mit den Behörden abgestimmte Optimierung vorhandener Prozesse und Ressourcen.

In internationalen politischen Konflikten und Kriegen sind Sanktionen inzwischen häufig Teil des außenpolitischen Instrumentariums der EU. Hier gilt für die deutsche Wirtschaft das Primat der Politik. EU-Verordnungen und das deutsche Außenwirtschaftsrecht legen den gesetzlichen Rahmen fest. Die Zahl der weltweit bestehenden Wirtschaftssanktionen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Dabei laufen Sanktionen international häufig nicht im Gleichklang. Besonders schwierig ist es, wenn Drittstaaten ihre Sanktionsregime mit extraterritorial wirkenden Elementen versehen. 

Bevor es zu legislativen Maßnahmen wie dem Rückgriff auf Sanktionen kommt, sollten bei der Entscheidungsfindung explizit die Folgen für die deutsche Wirtschaft berücksichtigt werden. Die Regelungen selbst sollten zudem ausgewogen, präzise formuliert und für Behörden wie für Unternehmen praktisch umsetzbar sein. Weiterhin sollten die von der EU verhängten Sanktionen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit, aber auch auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Auf internationaler Ebene sollten sich die EU und die Bundesregierung um eine enge Abstimmung in Foren wie den VN sowie mit wichtigen Partnern, zum Beispiel den USA, bemühen und sich zudem verstärkt gegen extraterritorial wirkende Sanktionsmaßnahmen einsetzen. Eine unterschiedliche Auslegung von EU-Sanktionen durch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft führen. Für Exporte und Importe, die nach deutschem und europäischem Recht weiterhin erlaubt sind, sollte insbesondere die Abwicklung der Beförderung, des Zahlungsverkehrs und anderer Dienstleistungen nicht nur möglich, sondern auch praktikabel bleiben. 

Zu den bürokratischen Hürden im Auslandsgeschäft gehört seit Jahren die Vergabe von Visa für Geschäftsreisende und Touristen nach Deutschland. Noch immer gibt es Klagen deutscher Firmen und ihrer ausländischen Geschäftskontakte über praxisferne und langwierige Verfahren. Die Bundesregierung sollte sich für einen möglichst reibungslosen internationalen Geschäftsreiseverkehr einsetzen. Die Visavergabe der deutschen Auslandsvertretungen sollte unternehmensfreundlich gehandhabt werden. Um schnellere Verfahren zu gewährleisten, sollte das Auswärtige Amt langwierige Prozesse entbürokratisieren und pragmatisch im Sinne der Unternehmen durchführen, insbesondere dann, wenn die Unternehmen die Gesamtverantwortung für die Ein- und Ausreise ihrer Mitarbeitenden übernehmen.

Das Netzwerk der Auslandshandelskammern mit 150 Standorten in 93 Ländern weltweit sowie die regional verankerten 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland schaffen internationale Verbindungen und sind kompetente Anknüpfungspunkte für die Wirtschaft vor Ort. Dabei unterstützen die DIHK und das Bundeswirtschaftsministerium die AHKs und die Unternehmen, ergänzt durch eine Vielzahl von Initiativen verschiedener Bundes- und Landesministerien (zum Beispiel Exportinitiative Energie, Exportinitiative Umweltschutz). Neue Initiativen von Kommunen, Bundesländern und Bundesministerien sowie neue EU-Strukturen und Instrumente zur Unterstützung von KMU bei der Internationalisierung, wie European Chambers of Commerce, sollten eine sinnvolle Ergänzung zu den erprobten Instrumenten und Institutionen der nationalen Außenwirtschaftsförderung sein. Es sollten keine Parallelstrukturen aufgebaut, sondern Synergien genutzt und Angebote transparent dargestellt werden. Die Institutionen sollten bei ihren Engagements auf die bewährten Strukturen der deutschen Außenwirtschaftsförderung, insbesondere IHKs, AHKs, Germany Trade and Invest (GTAI), sowie die Instrumente der Bundesländer zurückgreifen und durchgängig die Zugänglichkeit der Angebote für KMU sicherstellen. Europäische Wirtschaftsdiplomatie kann zur weltweiten Durchsetzung europäischer Wirtschaftsinteressen einen wichtigen Beitrag leisten. Generell gilt: Die EU-Kommission sollte das Subsidiaritätsprinzip wahren und die nationalen Institutionen der Außenwirtschaftsförderung frühzeitig und transparent in ihre Vorhaben, wie Global Gateway, einbinden. Insbesondere neue Projekte der EU sollten bestehende Strukturen ergänzen und gegebenenfalls erweitern, nicht jedoch duplizieren.

Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft können entwicklungspolitische Maßnahmen in etlichen Bereichen dauerhaft erfolgreich sein. Noch setzen die deutsche sowie die europäische Entwicklungszusammenarbeit zu wenig nachhaltige Projekte zur Unterstützung der Wirtschaft in den Entwicklungs- und Schwellenländern um. Der Aufbau der Privatwirtschaft in Entwicklungsländern – in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen – sollte mehr in den Mittelpunkt der nationalen und der europäischen Entwicklungszusammenarbeit rücken. 

Zudem könnte es Investitionen vor Ort fördern, wenn die Rechtssicherheit und die Rechtsschutzsysteme für Unternehmen vor Ort verbessert würden. Die Bundesregierung sollte die deutsche Wirtschaft noch intensiver in Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einbinden, gleiches gilt für den Einbezug des Privatsektors bei europäischen EZ-Initiativen. 

Bewährte Instrumente sollten erhalten und ausgebaut statt gekürzt werden. Dazu gehören die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway sowie die Business Scouts for Development. Die Programme der auf Regierungsebene vereinbarten bilateralen Entwicklungszusammenarbeit sollten die Interessen der deutschen Wirtschaft berücksichtigen. Dazu ist eine stärkere Zusammenarbeit mit den vor Ort ansässigen AHKs, Delegationen und Repräsentanzen hilfreich. 

Bei Ausschreibungen in der Entwicklungszusammenarbeit sollte sich die Bundesregierung bezüglich der Offenheit des Zugangs international für ein "Level Playing Field" einsetzen. Dabei sollte Deutschland, wie andere OECD-Länder auch, alle Spielräume für "Tied Aid" – die Bindung der Entwicklungszusammenarbeit an die Herkunft von Investitionen – nutzen.


 
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Porträtfoto Olga van Zijverden
Olga van Zijverden Referatsleiterin Grundsatzfragen der Außenwirtschaftspolitik