Klima schützen: Global, effizient und innovativ für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft
Deutschland und die EU haben sich im internationalen Vergleich ambitionierte CO2-Reduktionsziele gesetzt. Allerdings sind die für den Klimaschutz ergriffenen Maßnahmen teils durch eine bürokratische Detailregelung für die Wirtschaft geprägt. Klimapolitische Maßnahmen werden zudem bislang häufig ohne ausreichende Rücksicht auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ergriffen.
Minderungen von Treibhausgasemissionen auf lokaler, nationaler oder EU-Ebene sind wichtig, für sich allein aber kein Gradmesser für eine wirksame Klimaschutzpolitik: Klimaschutz kann nur durch gemeinsame weltweite Anstrengungen gelingen. International abgestimmte Bemühungen sind zugleich notwendig, um weltweit faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen.
Klimaschutzpolitik kann schnell unwirksam werden, wenn sie zu "Carbon Leakage" und zur Verlagerung von Wertschöpfungsketten ins Ausland führt. Denn trotz des Pariser Übereinkommens ergreifen internationale Wettbewerber der EU bisher kaum vergleichbare Klimaschutzmaßnahmen. Ein wirksamer und unbürokratischer Carbon Leakage-Schutz ist neben ausreichend klimaneutralen Alternativen für die grüne Transformation der Industrie notwendig.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
Der technologische Vorsprung der EU im Bereich Klimaschutz sollte dazu genutzt werden, weltweit strategische Partnerschaften und Märkte für Klimaschutztechnologien auf- und auszubauen. Einen wichtigen Beitrag hierzu können die im Pariser Übereinkommen angelegten weltweiten Emissionshandelssysteme und internationale Marktmechanismen leisten.
Zudem sollten nachweislich CO2-mindernde Projekte im Inland und in Drittländern zur Erreichung der deutschen und europäischen Klimaziele beitragen können, indem Artikel sechs des Pariser Abkommens umgesetzt wird (freiwillige Zusammenarbeit bei der Umsetzung der national festgelegten Klimaschutzbeiträge). Minderungspotenziale sollten dort gehoben werden, wo dies am nachhaltigsten und effizientesten möglich ist.
Der von dem G7-Staatenverbund gegründete Klimaclub ist aus der Sicht der deutschen Wirtschaft herausragend wichtig. Er sollte dazu beitragen, einen umfassenden und koordinierten Ansatz zum Klimaschutz auf internationaler Ebene zu realisieren. Um die volle Wirkung der Maßnahmen entfalten zu können und heimische Unternehmen zu entlasten, sollten sich möglichst viele Staaten auf die gleichen Ziele und Maßnahmen verständigen. Standards sollten einfach vergleichbar sein, sodass sie gegenseitig anerkannt werden können, ohne die ansässige Wirtschaft zu benachteiligen.
Im Fokus der Klimapolitik sollte ein zügiges sowie ökonomisch und ökologisch effizientes Anstreben der Klimaschutzziele stehen. Dabei sollten möglichst alle Sektoren miteinbezogen und Rahmenbedingungen für eine schnelle Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen geschaffen werden.
Wichtig ist, Klimaschutzinstrumente immer einer umfassenden Folgenabschätzung zu unterziehen, gemeinsam mit der Wirtschaft und den betroffenen Sektoren. So lassen sich unbeabsichtigt hohe Belastungen, negative strukturelle Wirkungen und Zielkonflikte vermeiden. Dabei sind insbesondere die Wirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen zu berücksichtigen, die häufig indirekt durch Verpflichtungen innerhalb einer Lieferkette entstehen und die nur über sehr begrenzte Kapazitäten zur Umsetzung zusätzlicher Anforderungen verfügen.
Das Europäische Emissionshandelssystem hat sich als Leitinstrument der europäischen Klimaschutzpolitik bewährt. Seine Weiterentwicklung im Rahmen des Europäischen Green Deals und des Fit-for-55-Pakets sollte nicht dazu führen, dass sich die Investitions- und Produktionsbedingungen in der EU verschlechtern. Die rasche Absenkung der Emissionsmengen und das Auslaufen der freien Zuteilungen bis 2034 stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Innerhalb der Wirtschaft gibt es hinsichtlich eines sektorübergreifenden EU-Emissionshandels zum Teil die Sorge, dass die Preise für CO2-Zertifikate für die Industrie aufgrund der im Vergleich hohen Vermeidungskosten oder fehlenden Alternativen besonders in den Bereichen Wärme und Verkehr zu Abwanderungen und Unternehmensaufgaben führen werden. Beispiele hierfür sind der Lkw-Langstreckenverkehr oder vielfältige Hochtemperaturprozesse in der Industrie.
Die Integration des nationalen Brennstoffemissionshandels im Verkehrs- und Gebäudebereich in das europäische Emissionshandelssystem (ETS II) sollte vollständig und ohne zusätzliche Berichtspflichten erfolgen.
Ohne ein "Level Playing Field" bei der CO2-Bepreisung kann die europäische Industrie in hohem Maße ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verlieren – trotz proaktiven Handelns der Unternehmen. Energie- und emissionsintensive Unternehmen brauchen für einen Standorterhalt eine Kompensation der Wettbewerbsnachteile, die durch hohe CO2-Kosten und sonstige klimapolitische Belastungen entstehen – zumindest, solange keine klimaneutralen Alternativen zu gleichen Kosten und im gleichen Umfang zur Verfügung stehen. Dazu ist es erforderlich, dass die europäischen und nationalen beihilferechtlichen Vorgaben an die Anforderungen einer ambitionierten Klimaschutzpolitik angepasst werden.
Die teilweise freie Zuteilung von Zertifikaten an Industrieanlagen im Europäischen Emissionshandel sowie die Strompreiskompensation sollten beibehalten werden, solange dies für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist. Solange der CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) nicht ausgereift ist, sollten Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen erhalten bleiben. Die Europäische Kommission sollte bei der Festlegung der Effizienzbenchmarks die Grenzen des wirtschaftlich und technologisch Machbaren nicht überschreiten und den technologischen Fortschritt berücksichtigen.
Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM führt nach ersten Erfahrungen zu handelspolitischen Verwerfungen und hohen bürokratischen Belastungen für betroffene Unternehmen. Ein Bepreisungsmechanismus, der die CO2-Emissionen in der EU und bei eingeführten Produkten belastet, könnte die Wettbewerbsfähigkeit sichern und auch Wettbewerbsnachteile der europäischen Industrie auf Exportmärkten verhindern. Vereinfachungen beim CBAM sind dafür jedoch dringend notwendig, vor allem ein höherer Schwellenwert für die Berichtspflicht, dauerhaft gültige Standardwerte für den CO2-Gehalt von Produkten und ein einfaches und zuverlässiges Berichtsverfahren.
Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollten auch für die Absenkung von Steuern, Abgaben und Umlagen von Unternehmen verwendet werden – neben der Entlastung zur Vermeidung von Carbon Leakage für besonders betroffene, energieintensive Unternehmen. Letztere ist auch im zukünftigen ETS II erforderlich, solange der CBAM oder multilaterale Vereinbarungen nicht gleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem Ausland herstellen. Die Entlastungen sollten dabei unbürokratisch und rechtssicher erfolgen.
Klimaschutz kann auch eine Chance sein, Wettbewerbsvorteile durch technologischen Vorsprung zu erlangen. Bereiche mit unausgeschöpftem Innovationspotenzial sind zum Beispiel die Eigenstromerzeugung mit erneuerbaren Energien, die sektorübergreifende Vernetzung und die Nutzung der Elektromobilität. Förderprogramme für die Wirtschaft sollten unbürokratisch gestaltet werden und über mehrere Jahre Bestand haben, um Planungssicherheit zu bieten. Sie sollten auf eine Investitionsprämie umgestellt werden.
Für Klimaschutz-Investitionen braucht es zudem gute Finanzierungsbedingungen. Die Regulierung für ein nachhaltiges Finanzwesen (vergleiche Kapitel "Sustainable Finance") sollte darauf ausgerichtet sein, Unternehmen den Zugang zu Finanzierungen für Investitionen in Klimaschutz und Energiewende zu erleichtern. Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Prozessen muss deren Beitrag in Wertschöpfungsketten und für die Herstellung nachhaltiger und klimaschonender Produkte Rechnung getragen werden. Die Regulierung sollte nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen zum Beispiel durch Berichtspflichten führen. Für KMU sollten standardisierte Verfahren entwickelt werden, die den bürokratischen Aufwand auf ein Minimum begrenzen, beispielsweise durch eine Verbindung zu einem Managementsystem.
Die Unternehmen, insbesondere Unternehmen des produzierenden Gewerbes und Betriebe aus dem Bereich der Logistik, werden in Zukunft auf große Mengen alternativer Energieträger wie erneuerbaren Strom, Biogas und CO2-armen Wasserstoff sowie auf Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCUS) angewiesen sein, um ihre CO2-Emissionen deutlich zu senken.
Die Politik sollte nach überwiegender Meinung der Unternehmen die Umstellung auf erneuerbare Energieträger und die Herstellung klimaneutraler Grund- und Ausgangsstoffe im Bereich der energieintensiven Industrie in Deutschland und der EU unterstützen. Dies erfordert einen schnellen Ausbau notwendiger Infrastrukturen ebenso wie strategische Partnerschaften für den Import CO2-freier und -armer Energieträger. Dabei sind auch Unternehmen im ländlichen Raum mit häufig langer regionaler Tradition zu berücksichtigen.
Die Nutzung heimischer Potenziale stärkt die Versorgungssicherheit für die Unternehmen. Dadurch wird die Energieversorgung der deutschen Wirtschaft weniger anfällig für externe Schocks bei plötzlich wegfallenden Importquellen oder -routen. Diese Potenziale von Biomasse über Geothermie bis Schiefergas sollten erschlossen und genutzt werden (siehe "DIHK-Perspektiven für die Energieversorgung 2030 in Deutschland", Positionspapier 2023).
Verstärkte Anstrengungen für zirkuläres Wirtschaften sollten dazu beitragen, durch eine effizientere Ressourcennutzung Emissionen, Materialverbräuche und Abfälle zu reduzieren. Zudem sollte die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten technologieoffen die Forschung und Entwicklung neuer, klimafreundlicher Technologien sowie deren Transfer in den Markt unterstützen. Technologien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 (CCS, CCU) sollten nach ganz überwiegender Meinung der Unternehmen in Deutschland umfassend ermöglicht werden und allen Unternehmen offen stehen.
Das Risiko von Extremwetterereignissen steigt flächendeckend mit teilweise erheblichen Schäden für lokale Unternehmen. Dennoch stellt die Anpassung an den Klimawandel für viele Unternehmen eine bisher unterschätzte Herausforderung dar. Unternehmen, insbesondere KMU, sollten dabei unterstützt werden, Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Anlagen und ihre Tätigkeit frühzeitig zu erkennen und notwendige Anpassungen umzusetzen. Hierzu zählt, mögliche negative Effekte vor Ort und in der Wertschöpfungskette zu antizipieren, wie beispielsweise die Auswirkungen von Extremwetterereignissen. Dafür sollten staatliche Stellen über Klimarisikoanalysen frei verfügbare Daten zur Verfügung stellen. Die Widerstandsfähigkeit der für die Unternehmen relevanten Infrastruktur gegen Klimafolgen sollte kontinuierlich erhöht werden.
Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit der Wirtschaft den Rahmen für Anpassungsstrategien entwickeln. Sie sollten bürokratiearm sein und sich an regionalen Risiken und der Betroffenheit einzelner Branchen ausrichten.