Energiewende zum Erfolg machen: Wettbewerbsfähigkeit sichern, Eigenverantwortung stärken, Chancen nutzen
Die Energiewende ist eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Verlässliche und effiziente Rahmenbedingungen sind daher die Grundvoraussetzung, um notwendige Investitionen der Unternehmen in die Transformation zu schultern und Chancen ergreifen zu können. In weiten Teilen der Wirtschaft wird die Energiewende aber zunehmend als Risiko für die eigene Wettbewerbsfähigkeit wahrgenommen, die zudem mit politischer Detailsteuerung weit in betriebliche Ressourcenplanungen und Investitionsentscheidungen eingreift. Es fehlt Raum für Eigenverantwortung und Innovation sowie die erforderliche langfristige Planungssicherheit. Dabei bietet der Transformationspfad zur Klimaneutralität auch nachhaltige Wachstumsperspektiven, weil die deutsche Wirtschaft eine technologische Vorreiterrolle auf weltweit wachsenden Märkten einnehmen kann. Es mangelt auch nicht am Willen der Betriebe oder an Konzepten. Es fehlt vielmehr das Vertrauen der Politik in die Effizienz des Marktes und es fehlt das Vertrauen der Unternehmen in die Steuerungsfähigkeit der Politik. Ein hohes Maß an Bürokratie bindet dringend benötigte Kapazitäten und Ressourcen für die praktische Umsetzung der Energiewende.
Auch auf europäischer Ebene funktioniert ein wettbewerblich geprägter Energiebinnenmarkt trotz mancher Fortschritte noch nicht vollständig. Staatliche Preisregulierungen, ein schleppender grenzüberschreitender Netzausbau und das Streben nach nationaler Energieautarkie prägen weiterhin das Bild einer zersplitterten europäischen Energielandschaft.
Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:
Die komplexe und kleinteilige Landschaft von politischen Zielen, Regularien und Instrumenten mit hohem Detaillierungsgrad drängt die Bedeutung des Marktes immer mehr zurück. So wird die praktische Umsetzung der Energiewende erschwert und führt zu unnötigen Bürokratie- und Kostenlasten. Dabei gelingt es dem marktlichen Wettbewerb immer noch am effizientesten, mit Knappheiten und begrenzten Ressourcen umzugehen und gleichzeitig wirtschaftlichen Fortschritt zu generieren.
Zentrales Steuerungsinstrument für den Umbau des Energiesystems sollte der CO2-Preis sein. Um die Lenkungs- und Steuerungswirkung der bestehenden Emissionshandelssysteme nicht durch eine politische Detailsteuerung der Energiewende zu konterkarieren, bedarf es einer konsequenten Vereinfachung und Entschlackung des ordnungsrechtlichen Rahmens. In diesem Kontext sind steuerliche Transformationsanreize, wie beispielsweise Investitionsprämien, detailreichen und zugangsbeschränkten Förderungen vorzuziehen.
Ein stärkeres Engagement des Staates ist dagegen dort erforderlich, wo die Voraussetzungen für die neue Energiewelt noch geschaffen werden müssen. Dazu zählen insbesondere der Auf- und Umbau zentraler Infrastrukturen, wie bestehende Energienetze oder neue Leitungen für Wasserstoff, CO2 und Wärme. Dafür bedarf es eines sehr hohen Investitionsvolumens in sehr kurzer Zeit, welches private Investoren allein nicht bereitstellen könnten.
Die hohen Energiekosten sind eine Belastung für die deutsche Wirtschaft und schränken deren internationale Wettbewerbsfähigkeit ein. Für eine dauerhafte Senkung der Strompreise muss primär das Angebot massiv ausgebaut werden. Kraftwerkskapazitäten sollten nur dann abgeschaltet werden, wenn andere (wetterunabhängige) Leistung gesichert zur Verfügung steht. Beim notwendigen Ausbau erneuerbarer Energie setzen Klimaziele und CO2-Bepreisung sowie sinkende Stromgestehungskosten für neue PV- und Windanlagen heute schon einen Rahmen, der, nach ganz überwiegender Meinung der Wirtschaft, eine Förderung schrittweise überflüssig macht. Durch das planbare Auslaufen von Fördersystemen können Energieträger zu gleichen Wettbewerbsbedingungen miteinander konkurrieren, Marktsignale besser wirken und eine effiziente Energieversorgung gewährleisten.
Neben den reinen Stromkosten belasten weiterhin vor allem staatliche Abgaben und Umlagen sowie System- und Netzkosten die Strompreise für die Wirtschaft. Die Übernahme der EEG-Umlage in den Bundeshaushalt war ein erster notwendiger Entlastungsschritt und sollte durch eine umfassende Reform der "Nebenkostenstruktur" ergänzt werden. Dazu zählen insbesondere die Absenkung der Stromsteuer für alle Branchen auf das europäische Mindestmaß und die Übernahme weiterer Umlagen in den Bundeshaushalt. Neben der Sicherstellung eines kosteneffizienten Ausbaus und Betriebs durch die Regulierungsbehörde sollten Zuschüsse des Bundes zum erforderlichen Netzausbau die Übertragungsnetzentgelte senken. Günstige Strombeschaffungskosten ebnen auch den Weg in eine echte Sektorkopplung und das Zusammenwachsen der Energiemärkte über Power-to-X-Lösungen für den Wärme- und Mobilitäts-Sektor.
In der Erfahrung vieler Unternehmen erschwert der normative Rahmen mit kleinteiligen Vorgaben, umfangreichen Berichts- und Nachweispflichten oder nicht synchronisierten Verfahren die praktische Umsetzung der Energiewende, bindet dringend benötigte Kapazitäten und Ressourcen.
Komplexe Förderprogramme und aufwendige Förderbürokratie sollten deutlich vereinfacht, Antragsverfahren und Nachweise homogenisiert werden. Auch in anderen Bereichen, beispielsweise energiesteuerlicher Begünstigungen oder Anlagenmeldungen im Marktstammdatenregister, sollten Antrags- und Nachweisverfahren vereinheitlicht, synchronisiert und bestenfalls über eine zentrale Datenplattform organisiert werden. Hier kann die Digitalisierung wichtige Impulse setzen. Dabei muss die Datensicherheit und -hoheit der Unternehmen jederzeit und umfänglich gewährleistet sein.
Anstatt auf detaillierte technologische Vorgaben zu setzen, sollte die Politik den Weg zur Treibhausgasneutralität mit technologieoffenen Standards und flexiblen Lösungen ebnen und damit eine Berücksichtigung individueller betrieblicher Rahmenbindungen ermöglichen. Insbesondere im Gebäudesektor bestimmt sich der Klimaneutralitätspfad aus einer individuellen Komposition von emissionsfreier Energieversorgung und dem dafür notwendigen Effizienzmaß. Dieses Effizienzmaß sollte aber nicht im Detail vorgegeben werden. Das gilt insbesondere für Nichtwohngebäude, deren Energieverbrauch sich nicht beliebig reduzieren lässt, sondern durch betriebs- und produktionsbedingte Parameter determiniert ist.
Der Wirtschaftsstandort zieht eine Stärke aus der Kombination hoher Innovationskraft gepaart mit starkem ökologischem Verantwortungsbewusstsein für die Optimierung eigener Prozesse und Produkte. Die Bundesregierung sollte daher auf Unternehmergeist statt auf Verbote und Vorgaben setzen. Mit freiwilligen Energieeffizienzmaßnahmen konnte die deutsche Wirtschaft den Energieeinsatz je Euro Wertschöpfung bereits deutlich reduzieren. Die Stärkung der betrieblichen Eigenversorgung und bessere Rahmenbedingungen für unternehmensübergreifende Versorgungsmodelle sind dabei wichtige Maßnahmen. In einem immer volatileren Energiesystem sollte Flexibilität bei der Suche nach den passenden Lösungen gewährleistet sein. Um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen, bedarf es außerdem weiterer Innovationen und neuer Technologien für alle Teile unseres Energiesystems – von der Erzeugung über Transport und Speicherung bis hin zu den Verbrauchssektoren. Ein wichtiger Aspekt sind dabei Lösungen für das Carbon Management (Abscheidung, Transport, Speicherung und Nutzung von CO2). Notwendig sind außerdem weitere und technologieoffene Forschungs- und Entwicklungsprogramme. Mit neuen Technologien kann nicht nur die Energiewende vollendet werden, sie bieten wirtschaftliche Zukunftsaussichten in weltweit stark wachsenden Märkten.
Die Qualität unserer Energieversorgung ist ein wichtiger Standortfaktor und muss auf höchstem Niveau auch für die Zukunft gewährleistet bleiben. Deshalb sollte insbesondere der Energienetzausbau weiter beschleunigt werden. Der regulatorische Rahmen für Systemdienstleistungen ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zeitnah anzupassen. Der Zugang zu diesen Märkten sollte allen Akteuren und Technologien diskriminierungsfrei offenstehen.
Die Einführung von Kapazitätsmärkten zur Sicherung der Versorgung ist immer wieder in der politischen Diskussion. Kapazitätsmärkte hätten aber erheblichen Einfluss auf die Effizienz des bestehenden Strommarktes und wären kostenintensiv. Darum sollten sie nur als Ultima Ratio und zeitlich begrenzt eingeführt werden, europäisch eingebettet sein und die Nachfragseite integrieren. Der überwiegende Teil der Wirtschaft sieht momentan die Möglichkeit, den Strommarkt zum Beispiel durch eine Absicherungspflicht für Stromlieferungen zu stärken. Für eine größere Unabhängigkeit von externen Einflussfaktoren sollten auch heimische Potenziale, wie Geothermie oder Biomasse, stärker in den Blick genommen werden.
Vermehrt berichten Unternehmen von kurzzeitigen Stromunterbrechungen und Spannungsabfällen, die zu erheblichen Schäden führen können. Die Einführung eines Auskunftsrechts zu den Ursachen der Stromausfälle und die Überarbeitung der Entschädigungsregelungen und -ansprüche wären aus Sicht der Unternehmen wichtige Schritte.
Mit dem Zusammenwachsen der Energiemärkte nimmt der Wettbewerb der Netze für Strom, Gas/Wasserstoff und Wärme zu. Für ein kosteneffizientes, innovatives und sicheres Energiesystem bleiben die Entflechtung von Netz und Erzeugung beziehungsweise Vertrieb sowie eine diskriminierungsfreie Netznutzung und Transparenz über Preisbildungen zentrale Voraussetzungen.
Eine sichere und effiziente Versorgung mit Energie lässt sich im europäischen Verbund besser bewerkstelligen als im nationalen Alleingang. Schritte zur Vollendung des Energiebinnenmarktes und zum Abbau nationaler Sonderwege sind daher für die Wirtschaft insgesamt immer vorteilhaft. Der Energiebinnenmarkt sollte gestärkt werden, indem beim Umbau der Energiesysteme marktnahe Lösungen gemeinsam verfolgt werden und europäische Netze konsequent ausgebaut werden.
Die freie Preisbildung ist von großer Bedeutung, damit die europaweit wirtschaftlichsten Kapazitäten zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage bei Erzeugern, Nachfragern und durch Speicher zum Einsatz kommen. Für die Versorgungssicherheit sollte die EU gemeinschaftlich Verantwortung tragen. Eine gemeinsame Beschaffungsstrategie für Wasserstoff, die die Vermeidung neuer Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferregionen sicherstellt, ist sinnvoll – Leitbild sollte die diversifizierte europäische Gasbeschaffung sein. Der Ausbau der Netze ist grenzüberschreitend und für alle Energieträger, insbesondere auch für Wasserstoff, entschieden voranzutreiben. Dazu sollten Möglichkeiten für Transport und Speicherung von CO2 geschaffen werden.
Um ihre Treibhausgasemissionen im Einklang mit den ambitionierten europäischen Klimazielen zu reduzieren, sind Unternehmen und insbesondere die Industrie auf eine sichere und preislich wettbewerbsfähige Versorgung mit erneuerbaren Energien angewiesen. Daher hat ihr Ausbau für die Wirtschaft hohe Priorität und sollte von der Politik als Anliegen im öffentlichen Interesse noch entschlossener vorangetrieben werden. Naturschutzrechtliche Vorgaben, mit Ursprung in der EU-Gesetzgebung, sollten vereinfacht werden. So lassen sich auch resultierende Hürden beseitigten, zum Beispiel lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Beim Aufbau eines liquiden funktionierenden Wasserstoffmarkts kommt der EU eine zentrale Rolle zu. Der regulatorische Rahmen sollte so ausgestaltet werden, dass Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff möglichst zügig und planbar, in großen Mengen und zu wettbewerbsfähigen und kalkulierbaren Kosten von allen Unternehmen beschafft werden kann. Der zügige Übergang zum klimafreundlichen Wasserstoff erfordert nach Auffassung des überwiegenden Teils der Wirtschaft Übergangstechnologien und -zeiträume. Zudem sollte sich die Politik für einheitliche Definitionen von Wasserstoff einsetzen und Konsistenz in ihren Gesetzestexten wahren, um Konflikte zu verhindern und Planungssicherheit zu gewährleisten. Essenziell ist der mit dem Markthochlauf des Wasserstoffs verbundene Infrastrukturausbau. Ob leitungsgebundener Transport aus Lieferländern oder "H2-ready" LNG-Infrastruktur – in jedem Fall ist eine schnelle Umsetzung nötig.
Deutschland sollte seine Energiepolitik stärker mit den europäischen Nachbarn koordinieren. Grenzüberschreitende Kooperation im europäischen Binnenmarkt schafft Effizienzgewinne.
Europarechtliche Vorgaben sollten die Einbeziehung von Abnehmern in den Energiemarkt erleichtern, indem sie gleichberechtigten Zugang zu allen Märkten ermöglichen. Zudem sollte das Recht auf aktive Marktteilnahme, unter anderem durch die Eigenerzeugung von erneuerbarem Strom oder Direktlieferverträge, noch deutlicher im EU-Recht verankert und ambitioniert umgesetzt werden. Hierzu gehört auch die Möglichkeit, Eigenerzeugungsanlagen gemeinsam zu betreiben. Grundsätzliches Ziel sollte die technologieoffene Gleichbehandlung verschiedener Marktakteure sein. Die Förderung wettbewerbsfähiger Technologien sollte nach Meinung des ganzüberwiegenden Teils der Wirtschaft so rasch wie möglich auslaufen und die Vermarktung erneuerbarer Energien sollte europäisch harmonisiert werden.
Zur Sicherung von Akzeptanz und Bezahlbarkeit ist auch die Rolle der Kunden in der Nah- und Fernwärmeversorgung zu stärken. Neben einem deutlich stärkeren Fokus auf transparente und faire Vertrags- und Preisbildungsbedingungen, bedarf es einer zentralen und wirksamen, aber bürokratiearmen, Preisaufsicht und -kontrolle.