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Sustainable Finance: Finanzierung der Transformation fördern statt erschweren

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© DIHK / Adobe Express, Firefly Image 3

"Sustainable Finance" ist, ergänzend zur CO2-Bepreisung und anderen Maßnahmen, ein wesentlicher Eckpfeiler des European Green Deal. Finanzmarktakteure sollen Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Mit der EU-Taxonomie wird der Versuch unternommen, wirtschaftliche Aktivitäten danach einzuteilen, ob sie nachhaltig sind oder nicht. Dazu kommen vielfältige Berichts- und Offenlegungspflichten für Unternehmen sowie für Banken und Versicherungen. In den vergangenen Jahren hat es auf EU-Ebene und in vielen außereuropäischen Staaten Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegeben und es wurde eine Fülle von Rahmensystemen, Methoden und Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt.

Unternehmen, die Teil internationaler Wertschöpfungsketten sind, müssen sich deshalb inzwischen mit vielfältigsten Anforderungen auseinandersetzen. Aus Sicht der überwiegenden Zahl der Unternehmen bedarf es einer vereinfachten, proportionalen und globalen Regulierung, die die Transformation unterstützt. Lediglich einzelne Unternehmen befürworten detaillierte Berichtspflichten für möglichst viele Unternehmen, weil nur so eine Vergleichbarkeit hergestellt werden könne. 

Folgende Leitlinien sollten das wirtschaftspolitische Handeln bestimmen:

Viele Unternehmen sind nicht davon überzeugt, dass sich mithilfe der "Sustainable Finance-Regulierung" die angestrebte klima- und umweltpolitische Transformation erreichen lässt. Die deutliche Mehrheit der Unternehmen kritisiert, dass zwar umfangreiche, bürokratische Berichts- und Offenlegungspflichten eingeführt werden, ihre positiven Wirkungen auf die Transformationsziele aber nicht hinreichend erklärt werden und bisher auch in vielen Fällen keine klaren Nachweise für eine Erreichung der Nachhaltigkeitsziele vorliegen. 

Die bei den Berichtspflichten geforderten Daten lassen sich zudem häufig nicht oder nur mit hoher Unschärfe ermitteln. Dies betrifft sowohl unternehmensinterne Informationen als auch Informationen, die das Unternehmen aus anderen Quellen beschaffen muss.

Die vielen unterschiedlichen Regulierungen (unter anderem Taxonomieverordnung, Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) mit ihren delegierten Rechtsakten, Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und vielfältige Vorgaben im Umweltbereich sowie der europäischen und nationalen Finanzaufsichtsbehörden) sind höchst komplex, detailliert und miteinander verknüpft. Für die meisten Unternehmen ist das nicht durchschaubar und kaum zu beherrschen. Es bedarf daher einer konsequenten Überarbeitung und Harmonisierung der bestehenden europäischen und nationalen Regulierungen, um ein in sich konsistentes und zielgerichtetes Regelwerk zu schaffen, das Aufwand und Nutzen in angemessenem Verhältnis berücksichtigt. 

Anstatt kleinteilige und statische Vorgaben festzusetzen, sollten die Bewertungskriterien vereinfacht und flexibler ausgestaltet sowie in Kooperation mit der Wirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt werden. Das würde die Transformation und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft fördern. Die Vielfalt der bereits bestehenden Kriterien sollte dabei beachtet und konsolidiert werden. Die Ausarbeitung einer weiteren Taxonomie, einer "Sozial-Taxonomie" ist damit nicht vereinbar, weil die Komplexität und damit die Belastung für die Unternehmen sogar noch erhöht würden. 

Die notwendige Vereinfachung betrifft auch die Förderprogramme. Auch diese sollten sich an einheitlichen, einfachen Leitlinien orientieren und sich auf die jeweils in den Unternehmen bereits verfügbaren Daten beschränken. Für nicht kapitalmarktorientierte KMU sollte zum Beispiel eine Beschränkung auf freiwillige Nachhaltigkeitsberichtsdaten vorgenommen werden, wie sie von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit dem sogenannten Basis-Modul für den freiwilligen KMU-Standard vorgeschlagen werden. Ein solcher Standard sollte dann auch für den Informationsbedarf bei kreditfinanzierten Investitionen in die Transformation der Unternehmen hin zu einer größeren Nachhaltigkeit gelten.

Die Berichtspflichten der "Sustainable Finance-Regulierung" sollen den Informationsbedürfnissen von Investoren am Kapitalmarkt dienen und sind damit auf große Unternehmen sowie Finanzmarktakteure ausgerichtet. Der direkte Anwendungsbereich der betroffenen Unternehmen sollte sich aus überwiegender Sicht daher auch nur auf große kapitalmarktorientierte Gesellschaften erstrecken. Sollte daran festgehalten werden, dass auch nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften erfasst werden, so sollten über angepasste Kriterien nur tatsächlich große Gesellschaften und nicht mittelständisch orientierte Unternehmen erfasst werden. Würden – wie von uns empfohlen – die Schwellenwerte in der Rechnungslegungsrichtlinie über die inflationsbedingte Anpassung hinaus angehoben, könnte die Zahl der betroffenen Unternehmen deutlich reduziert werden. Letztlich sollten die Berichtspflichten aber für Unternehmen aller Größenklassen möglichst einfach und unbürokratisch sein.

Die Berichtspflichten belasten nicht nur die großen, direkt berichtspflichtigen Unternehmen, sondern über die Liefer- und Wertschöpfungsketten auch kleine und mittlere Unternehmen (sogenannte "Trickle-down-Effekte"). In den europäischen Regulierungen sollte deshalb ein praktikabler freiwilliger Standard etabliert werden– wie zum Beispiel das Basismodul des freiwilligen KMU-Standards (VSME). Der bürokratische Aufwand für die Unternehmen sollte durch eine standardisierte Eingabe über eine zentrale Plattform mit entsprechenden (digitalen) Schnittstellen und Freigabemöglichkeiten eng begrenzt werden. 

Ein vereinfachter Berichtsstandard für KMU berücksichtigt die unterschiedlichen Interessen und Erwartungen an kapitalmarktorientierte und nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen und beschränkt sie auf ein für KMU handhabbares Maß. Ein klar definierter und eng begrenzter Katalog ("Basisdatenset") standardisiert und strukturiert die Informationsbedürfnisse unterschiedlicher Finanzmarktakteure. Das führt zu einer wesentlichen Entlastung der Unternehmen. Die zur Berichterstattung verpflichteten größeren Unternehmen sollten ihr Informationsbedürfnis auf die zwingend erforderlichen Daten begrenzen. 

Darüber hinaus sollte ein vereinfachter Berichtsstandard für KMU auch von der Finanzaufsicht akzeptiert werden, damit sich Kreditinstitute hieran orientieren können und nicht ihrerseits vielschichtige und heterogene Informationsanforderungen an KMU stellen (müssen).

Unterschiedliche Systeme und Methoden der Nachhaltigkeitsberichterstattung verursachen in den Unternehmen erheblichen bürokratischen Aufwand und verhindern globale Transparenz. Globale Standards können hier Effizienzgewinne heben und für mehr Aussagekraft sorgen. Der europäische Sonderweg bei Klimaschutz, Biodiversität und einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen birgt die Gefahr, dass die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Standorts geschwächt wird, weil in den außereuropäischen Regionen Nachhaltigkeitsaspekte gegebenenfalls keine vergleichbare Rolle spielen. Dies dürfte dann zu einer Abwanderung von Produktion und Beschäftigung in andere Weltregionen führen. 

Durch die Taxonomie liegt der Fokus der Sustainable Finance-Regulierung auf der Finanzierung von rein "grünen" Aktivitäten. Dabei sollte insbesondere die Finanzierung der Phase des schrittweisen Übergangs hin zu grünen Geschäftsmodellen und Technologien (Transition Finance) im Zentrum stehen, weil hier die CO2-Einsparungen am größten sein werden. Die dafür notwendigen wissenschaftsbasierten Transitionspläne können von mittelständischen Unternehmen nicht erstellt werden. Für diese Unternehmen sollten proportionale und vereinfachte Ansätze ohne expliziten Bezug zur Taxonomie zugänglich sein. Es ist entscheidend, dass diese Ansätze auch von der Bankenaufsicht akzeptiert werden und damit den Zugang zu den Finanzierungmitteln für die nachhaltige Transformation eröffnen. An dieser vereinheitlichten Struktur sollten sich auch Förderbanken und andere Förderprogramme orientieren.

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Mann im Haus der deutschen Wirtschaft
Dr. Rainer Kambeck Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand