Noch vor der Errichtung des Deutschen Reiches 1871 wurde der "Deutsche Handelstag" (DHT) gegründet – der Vorläufer des DIHK e.V. und nun der DIHK. Der Wirtschaftshistoriker Dr. Ulrich S. Soénius schildert die wechselvolle, oft schwierige Geschichte, die die Wirtschaftsorganisation in den vergangenen mehr als anderthalb Jahrhunderten durchlebt hat. Als Richtschnur durch die Jahrzehnte diente ihr dabei eine zentrale Frage: Welche Wirtschaftspolitik brauchen die deutschen Unternehmen, um zu gedeihen?
Die Interessen der Wirtschaft als Kompass
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer im Wandel der ZeitWährung, Zölle, einheitliche Maße und Gewichte – diese Themen standen schon bei der ersten Sitzung des Deutschen Handelstages auf der Tagesordnung. Am 13. Mai 1861 in Heidelberg von 91 Handelskammern und Kooperationen gegründet, hatte der DHT das Ziel, Verbesserungen für die Wirtschaft zu diskutieren und zu erzielen.
Am Puls der Wirtschaftspolitik
Nach der Reichsgründung im Jahr 1871 richtete sich das Augenmerk des DHT auf Regeln rund um Post und Verkehr, auf den Export und besonders auf die Schutzzölle. Er intensivierte dazu seine Beratungen der jungen Reichsregierung. Zu manchen Themen gab es im Kreis der Mitglieder durchaus unterschiedliche Auffassungen.
Der DHT begleitete die wirtschaftspolitischen Entwicklungen der jeweiligen Epoche – von der Verbreitung des Telefons über die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches bis hin zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 und dessen Auswirkungen für die Wirtschaft.
DHT und IHKs in schwierigen Zeiten
Im Ersten Weltkrieg hatte sich der DHT anfangs der allgemeinen Euphorie angeschlossen. 1918 wurde er in "Deutscher Industrie- und Handelstag" (DIHT) umbenannt und professionalisierte sich weiter, weil die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen dies erforderten. Ruhrbesetzung, Inflation, "Goldene Zwanziger" und Weltwirtschaftskrise – all dies musste die IHK-Organisation meistern.
Besonders dem Wiederaufbau der internationalen Beziehungen für die Wirtschaft widmete sich der DIHT mit Erfolg. Mit seinem Präsidenten Franz von Mendelssohn setzte sich 1931 erstmals ein deutscher Repräsentant an die Spitze der Internationalen Handelskammer. In diese Zeit fällt auch die vermehrte Errichtung von Auslandshandelskammern. 1926 wurde beim DIHT der Berufsbildungsausschuss ins Leben gerufen – dieses Thema hat seitdem eine herausragende Stellung in der Arbeit eingenommen.
Gleichschaltung und Auflösung der IHKs in der NS-Zeit
Die NS-Zeit veränderte die Rolle und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern – wie sie seit 1924 genannt wurden – deutlich: Beim DIHT besetzte der "Reichsführer des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes" mithilfe der SS die Büroräume, in mehreren IHKs übernahmen die Nationalsozialisten die Führung. Der 1932 gewählte DIHT-Präsident Bernhard Grund erreichte mit seinem Protest bei Adolf Hitler eine kurzzeitige Rücknahme der NS-Okkupation. Aber bereits im Sommer 1933 wurde die DIHT-Vollversammlung gleichgeschaltet und die Spitze ausgetauscht. Nach der "Neuordnung" der gewerblichen Wirtschaft im Jahr 1935 wurde der DIHT als "Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern" in die neu geschaffene Reichswirtschaftskammer überführt und praktisch bedeutungslos. Die IHKs wurden 1943 aufgelöst und in die Gauwirtschaftskammern überführt.
Engagement für die Soziale Marktwirtschaft
Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahmen die IHKs vor Ort wieder ihre Tätigkeit auf. Die alliierten Besatzungsmächte erkannten schnell den Wert der wirtschaftlichen Selbstverwaltung beim Wiederaufbau. Bereits im Juli 1945 gründeten IHKs in der britischen Besatzungszone eine erste Arbeitsgemeinschaft. Sie wurde 1947 um die IHKs in der US-amerikanischen Besatzungszone erweitert. Der am 27. Oktober 1949 in Ludwigshafen wieder gegründete DIHT setzte sich vehement für die Gestaltung der IHKs als Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft mit öffentlich-rechtlicher Basis ein. Genauso aktiv engagierte er sich für die Soziale Marktwirtschaft und den sogenannten "dritten Weg" zwischen Planwirtschaft und Kapitalismus.
Getreu seiner Tradition forcierte der DIHT in den folgenden Jahrzehnten den weltweit freien Handel und prägte so die Neugestaltung der außenwirtschaftlichen Beziehungen der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Er engagierte sich zudem fortwährend gegen zu weitreichende staatliche Reglementierungen.
Unterstützung nach der Wiedervereinigung
Nach der Wiedervereinigung kam dem DIHT erneut eine "Wiederaufbau-Rolle" bei der Neuerrichtung der IHKs in den neuen Ländern zu. Auch jetzt funktionierte die wirtschaftliche Selbstverwaltung. Sie hat seither wiederholt ihre volle Berechtigung in der deutschen Wirtschaftspolitik unter Beweis gestellt. Im Zuge der Entscheidung für Berlin als deutscher Parlaments- und Regierungssitz wechselte der DIHT 1999 nach Berlin. Zwei Jahre später wurde der Name in "Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK)" geändert; 2023 erfolgte die Umwandlung in eine Körperschaft öffentlichen Rechts zur "Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)".