Seit vier Jahren Vorsitzender des DIHK-Außenwirtschaftsausschusses und im April 2021 wiedergewählt: Dr. Peter Kulitz bewertet in unserem Gespräch die aktuelle Weltwirtschaftslage und erzählt, was er seinen Kindern rät.
"Unsere Zuverlässigkeit wird weltweit geschätzt"
Herr Kulitz, wenn Sie aus Sicht des Unternehmers ins Ausland blicken: Wie geht es Ihnen da?
Die weltpolitische Lage ist tatsächlich besorgniserregend. Brandherde gab es immer, aber nicht so viele gleichzeitig an so vielen verschiedenen Orten. Der wachsende Wohlstand scheint die Menschen in ihrer Wahrnehmung in Gewinner und Verlierer einzuteilen. Es kommt zu Spaltungen – wirtschaftlich, aber auch zwischen Bildungsschichten.
Deutschland ist als Exportnation von solchen Störungen stärker betroffen als andere Länder. Und auch die Knappheit an Rohstoffen und anderen Gütern beunruhigen mich. Immer mehr Unternehmer wissen nicht, ob und wann sie die bestellte Ware erhalten. Das bremst die wirtschaftliche Entwicklung und schadet dem Vertrauen zwischen Partnern.
Trotz alledem: Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht. Wer sein Unternehmen solide am Markt positioniert hat oder mit einem überzeugenden Vorhaben einsteigt, wird auch weiterhin international gute Geschäfte machen können.
Was denken Sie – bleibt "made in Germany" ein globaler Verkaufsschlager oder geht die Entwicklung in Richtung "schnell und preiswert"?
Beides. Nicht jeder braucht für sein Unternehmen oder sein Vorhaben die allerhöchste Qualität. Manchmal reicht ein Produkt, das nicht bis in alle Ewigkeit hält. Außerdem werden die Qualitätsunterschiede geringer, andere Länder holen auf.
Unser Alleinstellungsmerkmal als deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer ist neben der Qualität zunehmend ein anderes: die Zuverlässigkeit. Nehmen Sie nur das oftmals in seiner Wirkung unterschätzte Thema "Reklamationen". Der ordentliche und saubere Umgang mit einer Reklamation ist "Kundenbindung pur". Nicht wegducken, Fehler eingestehen, es besser machen. Das schätzen die Kunden, weltweit.
Was wir aber noch weitaus mehr in Betracht ziehen müssen, ist, welche Bedeutung die Politik für die Wirtschaft hat. Mein Eindruck: Politiker und Unternehmer leben in verschiedenen Welten. In diesen Zeiten großer politischer Weichenstellungen müssen sich Unternehmer mehr Zeit für ordnungspolitische Fragen nehmen. Und zwar nicht nur dann, wenn es um die Betroffenheit des eigenen Unternehmens geht!
… erklärt das Ihr ehrenamtliches Engagement?
Mit unserer Authentizität und Erfahrung aus dem Wirtschaftsleben – übrigens die Basis für ein prosperierendes, dem Gemeinwohl verpflichtetes Gemeinwesen – haben wir jenseits aller parteipolitischen Interessenlagen Gewicht und Stimme, die wir einsetzen sollten. Außerdem dürfen wir uns nicht darauf verlassen, dass andere für uns die Kohlen aus dem Feuer holen. Das wird nicht passieren.
Ich war 15 Jahre lang Präsident der IHK Ulm und sechs Jahre lang Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages. Da kommt man herum, trifft viele interessante Menschen. Über 100 Delegationsreisen habe ich mitgemacht, war mit dem Bundespräsidenten, mit der Bundeskanzlerin, mit Ministerpräsidenten und vielen Landesministern unterwegs. Und besonders gerne habe ich mich am IHK-Programm "Unternehmer in die Schulen" beteiligt, um dort zu erklären, was so ein Unternehmer eigentlich macht und wie wichtig es ist, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen. Jungen Menschen seine Erlebnisse, Erfahrungen und Visionen mitzuteilen, ist eine tolle Aufgabe.
Das ist, was mich bereichert. Und nicht der Blick auf den Kontostand.
Sehen das Ihre fünf Kinder auch so? Wer soll eines Tages das Familienunternehmen übernehmen?
Jeder von ihnen soll erstmal das suchen und finden, wofür er brennt und eine Leidenschaft entwickelt. Ob das nun im elterlichen Unternehmen ist oder woanders. Auch ich war schon einige Jahre als Anwalt tätig, bevor ich die Geschäftsführung von meinem verstorbenen Vater übernommen habe. Sein Credo war: "Man muss immer auf mehreren Beinen stehen und nicht alles auf eine Karte setzen." Daran habe ich mich stets gehalten.
Wichtig ist mir die Einstellung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sollen wissen: Wenn sie ein Problem haben, können sie zum Chef gehen. Das ist einfach unsere Verantwortung als Unternehmer – gute Arbeit machen und uns um die Menschen in unserem Umfeld kümmern.
Zur Person
Dr. Peter Kulitz ist geschäftsführender Gesellschafter der ESTA Apparatebau GmbH & Co. KG und Seniorpartner in einer Ulmer Anwaltskanzlei. Er sitzt mehreren Aufsichtsräten vor und ist Ehrenpräsident der IHK Ulm. 2016 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.