Im Juni 2023 hat sich der Bau- und Immobilienausschuss in der DIHK konstituiert. Seine Mitglieder wählten Ulrich Caspar zum Vorsitzenden. Der Unternehmer, der auch Präsident der IHK Frankfurt am Main ist, stellt in unserem Interview die wichtigsten Themen des neuen Ausschusses vor.
"Immobilien betreffen jedes Unternehmen"
Herr Caspar, warum braucht es einen Bau- und Immobilienausschuss?
Die Bau- und Immobilienwirtschaft erwirtschaftet etwa 17 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Sie ist die größte Branche in Deutschland. Immobilien sind die Grundlage eines jeden Gewerbebetriebes, es ist also jedes Unternehmen direkt von der Thematik betroffen. Außerdem gibt es zahlreiche indirekte Auswirkungen, denken Sie an den Mangel von Fach- und Arbeitskräften. Wir werben im Ausland für den Arbeitsort Deutschland – aber wo sollen die Menschen leben?
Es fehlt an beziehbarem Wohnraum. Durch den Mangel sind die Mieten stark gestiegen, Kaufen ist zu teuer geworden. Das schreckt Interessenten aus anderen Ländern ab. Dabei ist das Potenzial hoch: Allein in der Europäischen Union sind knapp 13 Millionen Menschen ohne Arbeit. Sie brauchen wir, wenn jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand eintreten. Aber: Wenn Menschen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, machen sie keine Wohnungen frei. Deswegen müssen wir neue bauen.
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, jedes Jahr mindestens 400.000 Wohnungen bauen zu lassen ...
Wo sollen sie errichtet werden? Die Kommunen haben verpasst, ausreichend Bauland auszuweisen. Kein Wunder: So ein Verfahren dauert fünf bis sechs Jahre. Das tun sich viele Kommunen nicht mehr an. Wir wollen, dass der Verwaltungsprozess zur Genehmigung eines Bebauungsplanes künftig in unter einem Jahr abgeschlossen ist. Das können wir als Ausschuss und DIHK beeinflussen: Das Recht auf Aufstellung von Bebauungsplänen wird im Baugesetzbuch geregelt, also auf Bundesebene.
Neben dem Neubau muss verstärkt bestehender Wohnraum verdichtet und aufgestockt werden. Aber auch für Änderungen an Bebauungsplänen sind die Fristen zu lang. Dabei haben Verdichtung und Modernisierung von vorhandenen Gebäuden viele Vorteile: Es müssen keine neuen Flächen erschlossen werden, die Infrastruktur – von Stromleitungen über Nahverkehr bis hin zu Schulen – steht schon bereit, soziale und kulturelle Angebote können genutzt werden. Die Bundesregierung muss hier zügig nachbessern, damit die Kommunen die Nachfrage nach Verdichtung bedienen können.
Das klingt nicht so, als könnten wir mit einer baldigen Entspannung auf dem Immobilienmarkt rechnen?
Für Investoren ist der deutsche Wohnungsbaumarkt nicht sonderlich attraktiv. Die Vorschriften im Baurecht sind kompliziert und vor allem viel zu umfangreich. In fast allen Bereichen hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren Verschärfungen beschlossen: Brandschutz, Schallschutz, energetische Richtlinien. Diese Auflagen verteuern das Bauen erheblich. Das war zu verkraften, solange die Zinsen niedrig waren. Doch jetzt merken wir: Potenziellen Käuferinnen und Käufern geht die Luft aus, sie können diese Preise nicht mehr stemmen. Dadurch sinkt die Nachfrage, was zu einem Rückgang der Bautätigkeit führt.
In der Bundesregierung erkenne ich wenig Bereitschaft, mietrechtliche oder baurechtliche Standards zu reduzieren, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Also müssen die Kosten an anderer Stelle kompensiert werden: Es könnten zum Beispiel und meiner persönlichen Meinung nach steuerliche Anreize für Investoren ins Leben gerufen oder bestrafende Steuern wie die Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer und Mietraumschaffung gestrichen werden. Ideen wie diese wollen wir als Ausschuss gemeinsam entwickeln und über die DIHK an die Bundespolitik herantragen, damit Wohnraum künftig schneller und günstiger geschaffen werden kann.