Im Juli 2023 wurde Götz Kaßmann als Vorsitzender des DIHK-Rechtsausschusses wiedergewählt. Warum Juristen für Unternehmen eine wichtige Rolle spielen und was sich bei Rechtsstreitigkeiten verändert hat, erzählt er uns im Interview.
"Das Klima wird rauer"
Herr Kaßmann, für was genau benötigt man in einem Unternehmen der Bauzulieferbranche einen Rechtswissenschaftler?
Ab einer gewissen Größe braucht aus meiner Sicht jeder Betrieb einen Unternehmensjuristen. Dabei beschäftige ich mich weniger mit Reklamationen. Davon gibt es bei uns zum Glück nur wenige. Meine Aufgabe ist es vielmehr, die Entwicklung des Unternehmens rechtlich zu begleiten. Wenn etwa ein anderer Betrieb gekauft oder eine Kooperation begründet wird, springt der Unternehmensjurist ein. Und dann gibt es noch die vielfältigen gesetzlichen Herausforderungen, die immer stärker an Bedeutung gewinnen, zum Beispiel Compliance, Datenschutz und das Corporate Housekeeping.
Welchen Stellenwert haben Sie als Jurist im Unternehmen?
Das ist, was ich am Mittelstand so liebe: die direkte Möglichkeit der Einflussnahme. Die Wege sind kurz. Die Umsetzung von rechtlichem Rat in einem mittelständischen Betrieb geschieht unmittelbar und beeinflusst direkt die Unternehmensentwicklung.
Langweilig wird einem nicht so schnell, dafür wird immer wieder aufs Neue gesorgt. Nehmen Sie nur das frisch verabschiedete Lieferkettengesetz. Damit sind meine Kollegen und ich gut beschäftigt. Auch gesellschaftliche Entwicklungen und die Veränderungen in der globalen Wirtschaft wirken auf uns ein.
Können Sie uns dafür ein konkretes Beispiel nennen?
Wir beschäftigen uns unter anderem intensiv mit dem Patentrecht. Jedes innovative Unternehmen ist darauf angewiesen, mit Schutzrechten dafür zu sorgen, dass seine Innovationsführerschaft auch rechtlich abgesichert wird. Da steckt eine immense wirtschaftliche Bedeutung dahinter, schließlich geht es nicht selten um den Schutz der Marktposition eines Unternehmens.
Gerade in der Digitalwirtschaft ist das juristische Klima rauer geworden. Wir beobachten dort neben der Verdrängung traditioneller Firmen durch Plattformanbieter vermehrt Streitigkeiten mit immensen Streitwerten. Da kann vom Ergebnis eines Rechtsstreites auch schon mal der Fortbestand eines ganzen Unternehmens abhängen.
Sie sprachen auch von gesellschaftlichen Entwicklungen …
Manche Gesetzesvorhaben sind Ausdruck davon, wie sehr Politik meint, auf gesellschaftliche Strömungen reagieren zu müssen. Es gibt den Trend, immer mehr zu regulieren, nicht selten mit dem Ziel, gegenüber Unternehmen "härter" durchgreifen zu können. Umso wichtiger ist es, dass die Wirtschaft mit einer Stimme spricht. Am Ende des Tages müssen und wollen wir alle weiterhin gut wirtschaften können und Deutschland als attraktiven Wirtschaftsstandort erhalten. Gerade kleine Unternehmen dürfen nicht zu stark belastet werden.
Damit das gelingen kann, müssen wir uns untereinander vernetzen und austauschen. Letztlich stehen wir doch alle vor den gleichen Herausforderungen – auch wir Unternehmensjuristen. In Ostwestfalen habe ich schon vor vielen Jahren mit weiteren Kolleginnen und Kollegen einen Kreis gegründet, in dem sich Unternehmensjuristen untereinander austauschen können. Anfangs waren 5 Unternehmen beteiligt, heute 35. Und dem DIHK-Rechtsausschuss gehöre ich nunmehr in der vierten Legislaturperiode an. Die Begegnung mit den Kolleginnen und Kollegen, der Austausch untereinander, bereichert die eigene Arbeit ungemein. Daran habe ich Freude. Denn: Ich bin Unternehmensjurist mit Leib und Seele.
Zur Person
Götz Kaßmann ist seit 2007 als General Counsel verantwortlich für den Bereich Recht und Patente der Schüco International KG. Seit 2013 ist er zudem Chief Compliance Officer. Von 2013 bis 2021 war Kaßmann Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V., davon vier Jahre als Präsident.