"Sustainable Finance: Finanzierung der Transformation fördern statt erschweren!"
DIHK-Vorstandspapier vom 22. November 2022Taxonomie stellt die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen
Die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität fällt aktuell mit einer massiven Energiekrise zusammen. Dazu kommen die hohe Inflation und der zunehmende Fachkräftemangel. Gleichzeitig muss die internationale Wettbewerbsfähigkeit für zukünftigen Wohlstand in Deutschland gesichert werden: Selten in den letzten Jahrzehnten stand die deutsche Wirtschaft vor ähnlich großen Herausforderungen.
In der aktuell eher angespannten Liquiditätssituation müssen Unternehmen die Transformation zur Klimaneutralität mit hohen Investitionen unterlegen, angefangen von der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen über die Modernisierung von Betriebsanlagen, die Umstellung der betrieblichen Energieversorgung und der Logistik bis zur Sicherung der Klimaneutralität auch in den Lieferketten. Diese immensen Investitionen können viele Unternehmen nur mit externem Kapital bewerkstelligen.
Eine Richtschnur für die Nachhaltigkeitsbewertung der Wirtschaft soll die EU-Taxonomie bieten, sodass die Finanzierung in klima- und umweltfreundliche Investitionen gelenkt wird. Damit dies zu den gewünschten Ergebnissen führen kann und die Unternehmen gerade in der derzeitigen Situation nicht überfordert, sind aus Sicht der IHK-Organisation drei Leitlinien zu beachten:
Drei Leitlinien aus Sicht der IHK-Organisation
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1
EU-Taxonomie vereinfachen – dann dynamisch und in der Praxis handhabbar umsetzen
Die Regulierungen im Bereich Sustainable Finance sollten die Finanzierung der Transformation der Wirtschaft fördern und nicht hemmen. Der Zugang der Unternehmen zu Finanzierungsmitteln muss dafür erleichtert statt erschwert werden. Die Transformation von bislang "braun" bewerteten Unternehmen zu "grünen" Unternehmen muss im Mittelpunkt einer "Transformations-Taxonomie" stehen. Die Regelungen sollten daher eher Ziele beschreiben und dynamisch im Zeitablauf an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden: Externe Schocks wie die aktuelle Energiekrise sollten ebenso wie technologische Entwicklungen in der Taxonomie aufgegriffen werden können. Eine solche atmende, kooperative Regulierung ist für die Unternehmen deutlich einfacher zu handhaben, als es engmaschige und statische Vorgaben sind, die in vielen Fällen die Bedingungen der Unternehmen nicht richtig widerspiegeln.
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2
Verhältnismäßigkeit für die Breite der Wirtschaft wahren
In der Ausgestaltung der Berichtspflichten kommt es darauf an, die Unternehmen nicht zu überfordern. Dabei gilt es, die Verhältnismäßigkeit zwischen den Nachhaltigkeitszielen einerseits und der Relevanz des jeweiligen Beitrags der einzelnen Unternehmen zur Erreichung der genannten Ziele andererseits zu wahren. Es sollten also die Größe der Unternehmen und deren Impact hinsichtlich der Zielerreichung berücksichtigt werden. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten auf freiwilliger Basis innerhalb dieses Systems berichten können. Die in den Wertschöpfungs- und Lieferketten auch an KMU durchgereichten Informationsanforderungen sollten eng begrenzt und standardisiert werden.
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3
Globale Standards unterstützen
Die international aktiven deutschen Unternehmen, die ihre Aktivitäten auch weltweit finanzieren, stehen vor der Aufgabe, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen an Kennzahlen, Berichten und Nachweisen operieren zu müssen. Um die bürokratischen Lasten zu begrenzen und Wettbewerbsneutralität zu wahren, sollte in Kooperation mit den bestehenden Initiativen eine Konsolidierung auf einen globalen und minimalen Berichtsstandard erfolgen.
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Der aktuelle Stand der Sustainable-Finance-Politik
"Sustainable Finance" ist, ergänzend zur CO2-Bepreisung, ein wesentlicher Eckpfeiler des EU Green Deal. Die Umsetzung umfasst
- die Finanzierung selbst (vor allem im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung, die wirtschaftliche Tätigkeiten hinsichtlich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit einstufen will), aber auch
- umfangreiche Offenlegungs- und Nachweispflichten. Zu diesen europäischen Regelungen kommen noch
- globale Initiativen zu Offenlegungsstandards, da Sustainable Finance auch international an Bedeutung gewinnt.
Mit der EU-Taxonomie wird der Versuch unternommen, wirtschaftliche Aktivitäten danach einzuteilen, ob sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen oder nicht. Dabei orientiert sich die Taxonomie an sechs Umweltzielen, die auch in Zielkonflikten zueinanderstehen können: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, Wasser- und Meeresschutz, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung und Biodiversität. Aktuell konzentriert man sich zunächst nur auf die ersten zwei Umweltziele, also Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.
Alle gemäß Taxonomie bewerteten wirtschaftlichen Aktivitäten fließen in die Ermittlung der sogenannten Green Asset Ratio (GAR) ein. Anhand der Ratio sollen Banken den nachhaltigen Anteil ihrer Finanzierungsaktivitäten ausweisen. Allein die durch die GAR hergestellte öffentliche Transparenz soll dann die Finanzierung in eine nachhaltige Richtung lenken, ohne dass für die GAR derzeit konkrete Zielgrößen vorgeschrieben werden.
In delegierten Rechtsakten der EU-Kommission werden die sehr detaillierten und anspruchsvollen, teilweise aber nur schwer erfüllbaren quantitativen und technischen Kriterien beschrieben, mit denen eine wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig eingestuft wird oder nicht. Das Vorhaben hat eine zunehmende Komplexität, weil vor allem für die Transformation von noch nicht nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten die Taxonomie erweitert werden muss. Hieran arbeitet derzeit die Platform on Sustainable Finance, ein Beratungsgremium der EU-Kommission, die im März 2022 einen ersten Bericht dazu veröffentlicht hat.
Die Berichts- und Offenlegungspflichten werden auf EU-Ebene anhand von drei Instrumenten ausgestaltet:
- Durch die reformierte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) müssen voraussichtlich künftig deutlich mehr Unternehmen (insbesondere Unternehmen unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung ab 250, statt wie bisher große kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 500 Mitarbeitern) unmittelbar über ihre Nachhaltigkeit berichten. Die Berichte müssen erstmals für das Geschäftsjahr 2024 erstellt werden und fallen unter die externe Prüfpflicht.
- Finanzmarktteilnehmer, insbesondere Banken, müssen gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) Angaben zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäfte machen.
- Zusammen mit den Offenlegungspflichten aus Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung ergeben sich damit direkt, aber auch indirekt umfangreiche Offenlegungspflichten für weite Teile des Mittelstands, da sie über Lieferketten und Finanzierungen an die direkt berichtspflichtigen Unternehmen und Finanzdienstleister angebunden sind.
Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) operationalisieren die Berichtsanforderungen für die Unternehmen. Entwickelt werden die Standards durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die die EU-Kommission bei diesem Thema unterstützen soll.
Mit den UN-Sustainable Development Goals haben sich Länder und Regionen, Standardsetzer und Regulatoren weltweit auf den Weg gemacht, die globalen Ziele mit konkreten Maßnahmen zu unterfüttern. In den vergangenen Jahren hat es international eine Vielzahl an Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegeben und es wurde eine Fülle von Rahmensystemen, Methoden und Kennzahlen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Unternehmen, die Teil internationaler Wertschöpfungsketten sind, sehen sich deshalb inzwischen einer Vielzahl verschiedener Anforderungen gegenüber. Besonders große Auswirkungen haben die Entwürfe des International Sustainability Standards Board (ISSB), die Auswirkungen auf die Rechnungslegung nach IFRS haben werden.
Das Papier zum Download
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