Die Lage in der deutschen Automobilindustrie ist symptomatisch für Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft. Eine Sonderauswertung der IHK-Konjunkturumfrage Herbst 2022 wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, mit denen die Branche – wie auch die gesamte Industrie – derzeit kämpft.
Umbruch in der Automobilindustrie verschärft sich
Konjunktur-Sonderauswertung zeigt: Branche verlagert Produktion und JobsZu den Herausforderungen zählen nicht nur die sprunghaft gestiegenen Energiepreise, die 95 Prozent aller Betriebe im Kraftfahrzeugbau als ihr größtes Geschäftsrisiko nennen. Hinzu kommen eine zunehmend schwächelnde Inlandsnachfrage, fehlende Zukunftsperspektiven für den Verbrennungsmotor in Europa sowie sich verschärfende Finanzierungsprobleme.
In der aktuellen Sonderauswertung bezeichnen 43 Prozent der Autobauer ihre Finanzlage mittlerweile als problematisch, bei den Zulieferern sind es sogar fast die Hälfte (49 Prozent) – ein starker Anstieg seit dem Frühsommer. Der Anteil der Zulieferer, die sich von Insolvenz bedroht sehen, hat sich im gleichen Zeitraum verdreifacht: von 1 auf 3 Prozent.
Produktion sinkt oder wandert ab
Die Energiekosten sind so drückend, dass bereits 16 Prozent der Automobilhersteller als Folge ihre Produktion reduziert haben und 17 Prozent ihre Fertigung verlagern wollen – deutlich mehr als im Industriedurchschnitt (8 Prozent der Unternehmen mit Verlagerungsplänen, schon das ein besorgniserregender Wert).
Noch extremer sieht die Situation bei den Zuliefererbetrieben aus: Hier will jeweils jeder Fünfte seine Produktion wegen der Energiepreise reduzieren (21 Prozent) oder verlagern (19 Prozent). Angesichts der Rekordinflation, der gedrückten Konsumlaune der Verbraucher und auch der Investitionszurückhaltung der Unternehmen bereitet der Branche auch der heimische Absatzmarkt Sorgen. Der Anteil der Betriebe, die die Inlandsnachfrage als Geschäftsrisiko sehen, hat sich von 41 auf 58 Prozent erhöht.
Der Kraftfahrzeugbau-Standort Deutschland steht auch an weiteren Stellen vor strukturellen Herausforderungen. Arbeitskosten sind mittlerweile das zweitgrößte Risko im Kraftfahrzeugbau (64 Prozent nach zuvor 50 Prozent, ein Allzeithoch), gefolgt vom Fachkräftemangel (61 Prozent nach zuvor 52 Prozent). Die Branche befindet sich also insgesamt in schwierigem Fahrwasser.
Export- und Investitionsaussichten leicht erholt
Immerhin: Auch wenn das Auslandsgeschäft für die Automobilindustrie weiterhin schwächelt, haben sich die Exporterwartungen der Branche gegenüber der Vorumfrage aufgehellt – unter anderem, weil der chinesische Pkw-Markt besser läuft als noch 2021. Nach wie vor rechnen mehr Kraftfahrzeugbauer mit einer negativen als mit einer positiven Entwicklung ihrer Ausfuhren, doch ist der Saldo der Exporterwartungen seit dem Frühsommer von minus 17 auf minus 7 Punkte gestiegen.
Zudem will fast jedes dritte Unternehmen der Branche seine Investitionsausgaben steigern (30 Prozent). Dem gegenüber stehen 28 Prozent, die mit rückläufigen Investitionen rechnen. Der Saldo klettert damit von zuletzt minus 9 Punkten auf plus 2 Punkte. Darin spiegelt sich auch die Notwendigkeit wider, trotz der Krise den Transformationsprozess voranzutreiben und in Elektromobilität zu investieren: 46 Prozent der Kraftfahrzeugbauer planen Produktinnovationen.
Standortnachteile der EU drücken auf Beschäftigungspläne
Dass sich in der Europäischen Union ab 2035 ein komplettes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor anbahnt, macht es – ebenso wie der Fachkräftemangel – immer attraktiver, außerhalb der EU zu produzieren, wo es keine Technologievorgaben gibt. Dort sind auch die Wachstumsmärkte zu finden.
Die Folge ist Personalabbau im Inland: Fast jedes dritte Unternehmen (29 Prozent) rechnet mit einer sinkenden Belegschaft, während nur jedes zehnte (10 Prozent) von steigenden Beschäftigtenzahlen ausgeht. Damit verharrt der Saldo der Beschäftigungsabsichten wie in der Vorumfrage bei minus 19 Punkten. Die Personalplaner der Kfz-Zulieferer sind mit einem Saldo von minus 26 Punkte noch zurückhaltender als der Branchendurchschnitt.
Die kompletten Ergebnisse der Sonderauswertung gibt es hier zum Download:
Umbruch in der Automobilindustrie verschärft sich (PDF, 694 KB)