Bei allen Unterschieden und Akzentverschiebungen in Regionen und Branchen zieht sich eine Erkenntnis wie ein roter Faden durch die aktuelle Konjunkturumfrage und auch die früheren Erhebungen: In der deutschen Wirtschaft lässt sich keine Aufbruchstimmung erkennen – trotz bemerkenswerter Resilienz und kreativer Kraft in vielen Unternehmen.
Investitionsschub lässt weiter auf sich warten
Nur rund jeder vierte Betrieb will Mittel aufstockenDer Erhebung zufolge planen 28 Prozent der Betriebe mehr Investitionen, zu Jahresbeginn waren es 27 Prozent. Zugleich wollen derzeit 24 Prozent ihre Investitionen verringern, zuvor hatten dies 26 Prozent vorgehabt.
Nicht genug zum Ausgleich der Corona-Verluste
"Ein solches Investitionsniveau reicht nicht aus, um die Verluste aus den Corona-Jahren auszugleichen", stellt Wansleben klar. "Dafür bräuchten wir deutlich mehr Ausrüstungsinvestitionen, also Anschaffungen von neuen Maschinen, Geräten oder Fahrzeugen. Gesamtwirtschaftlich wäre ein Plus von 5 Prozent in diesem Jahr nötig, um das Niveau von 2019 zu erreichen. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt."
Wichtig sei jetzt, dass die für die Energieversorgung und die Klimapolitik relevanten Gesetze zu zusätzlichen Investitionen und zu schnelleren Verfahren führten, mahnt der DIHK-Hauptgeschäftsführer. "Sie dürfen die Wirtschaft nicht durch zu hohe Kostenbelastung und durch zu bürokratische Regelungen abwürgen." Das gelte für das Energiethema selbst, aber auch für vieles andere, was die Politik in Berlin und Brüssel den Unternehmen auferlege – etwa die sogenannten Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetze.
Zinserhöhungen belasten Investitionspläne ...
"Die Investitionsbudgets der Unternehmen stehen nicht nur wegen der nach wie vor hohen Energie- und Rohstoffpreise unter Druck", erklärt Wansleben. "Auch die im Zuge der Inflationsbekämpfung richtigerweise angehobenen Zinsen schlagen durch."
In der aktuellen Umfrage stuft jedes fünfte Unternehmen seine Finanzierung aufgrund gestiegener Zinsen als "besonders beeinträchtigt" ein. Damit hat sich die Zahl der Betriebe mit dieser Einschätzung innerhalb eines Jahres von 6 Prozent im Frühsommer 2022 mehr als verdreifacht. Und: Über ein Drittel der Unternehmen (36 Prozent) mit einer entsprechenden Rückmeldung wollen auch Investitionen zurückfahren.
... vor allem in der Bauwirtschaft
Besonders betroffen von der Zinsentwicklung sind der Hochbau und die Immobilienwirtschaft, wo jeweils rund ein Drittel und damit mehr als der Durchschnitt aller Unternehmen eine stark beeinträchtige Finanzierung melden. "Im Wohnungsbau ist nicht nur die eigene Finanzierung teurer", erinnert Wansleben, "auch die Kunden zahlen deutlich mehr für Baukredite. Das ist eine enorme Herausforderung, auch über die Branche hinaus. Denn das auch von der Bundesregierung ausgerufene Ziel, deutlich mehr Wohnungen zu bauen, hängt hiervon ab."
Schließlich sei es eine sehr entscheidende Komponente in Konzepten gegen den Fachkräftemangel, "dass Arbeitskräfte, die umziehen oder auch aus dem Ausland einwandern, ausreichend bezahlbaren Wohnraum haben".
Kaum Impulse vom Export
Die Umfrageergebnisse lassen auch vom Weltmarkt derzeit keinen kräftigen Schub für die deutsche Konjunktur erwarten. Vielmehr berichten die Unternehmen von einer stockenden Nachfrage. So sanken die deutschen Exporte nach China im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent, was sich in den Orderbüchern der betroffenen Unternehmen merklich niederschlägt.
Rahmenbedingungen verbessern, Bürokratie abbauen
Für Deutschlands wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung sind laut Martin Wansleben deshalb "weitere und stärkere Investitionsanreize" erforderlich: "Die Politik sollte Impulse für Investitionen und Wachstum setzen – zum Beispiel in der Steuerpolitik. Wir brauchen hierzulande Regelungen, um Investitionen schneller abschreiben zu können. Es geht auch um Verbesserungen der Rahmenbedingungen, damit unsere Unternehmen im internationalen Wettbewerb eine Chance haben. Dazu gehört auch der dringend erforderliche Abbau von unnötiger Bürokratie."
In kaum einem anderen Industrieland müssten Unternehmen so viele Ressourcen aufwenden, um Berichte zu verfassen oder Nachweispflichten zu erfüllen, kritisiert der DIHK-Hauptgeschäftsführer. "Das bremst viele Investitionen enorm aus oder verhindert sie ganz." Er verweist auf die zehn Tempo-Thesen, mit denen DIHK-Präsident Peter Adrian gleich zu Beginn des Jahres "einen starken Impuls gesetzt" habe, "den wir jetzt auf allen Ebenen weiterverfolgen".
Wansleben: "Wir brauchen dabei mehr Miteinander als Gegeneinander. Wir als IHK-Organisation verstehen uns hier als konstruktiver Partner der Politik, wenn es darum geht, wie wir gemeinsame Ziele schneller, einfacher und wirtschaftlicher erreichen können."