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"Kosten senken und Innovationen fördern"

Interview mit Prof. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Andreas Löschel

Prof. Andreas Löschel

© Bernhard Moll

Im Interview plädiert der Umweltökonom Prof. Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum für eine Energiepolitik, die Innovationskraft fördert und den Unternehmen genügend Spielraum gibt, um auf Basis stabiler Rahmenbedingungen selbstständig zur Energiewende beizutragen.

Herr Prof. Löschel, wie bewerten Sie die aktuellen Rahmenbedingungen der deutschen Energiepolitik in Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen?

Andreas Löschel: Das Problem der Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen in Deutschland ist breit gefächert. Es gibt sehr viele Bereiche, in denen wir in den letzten Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, unter anderem bei den steuerlichen Rahmenbedingungen, bei den Lohnkosten, bei den Arbeitskräften, bei der Bürokratisierung. Und jetzt kommen die steigenden Energiepreise noch hinzu. Es hat sich ein ganzes Bündel von Problemen angesammelt, die dazu führen, dass die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich leidet. Vor allem für große Unternehmen sind die hohen Energiekosten ein Problem.

Welche kurzfristigen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die steigenden Energiekosten für Unternehmen abzufedern?

Mir scheint es wichtig, dass wir in der Energiewende pragmatisch vorankommen. Die Politik sollte deshalb sowohl Stromsteuersenkungen als auch Zuschüsse für Netzentgelte in Betracht ziehen. Beides entlastet und bringt gleichzeitig die Elektrifizierung voran. Und es muss stärker herausgearbeitet werden, wie Unternehmen von der Energiewende profitieren können, etwa in Wachstumsmärkten mit globaler Marktattraktivität und hoher deutscher Wettbewerbsfähigkeit wie bei den industriellen Effizienztechnologien, der Elektrifizierung oder der Stromnetztechnik. Darüber hinaus sollten wir Einsparpotenziale prüfen, damit diese Transformation effizient und bezahlbar gestaltet werden kann.

Wo könnten Kosten gespart werden?

Etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien, indem zum Beispiel mehr auf Marktintegration gesetzt wird, Photovoltaikanlagen auf Freiflächen statt auf Dächern gebaut werden und der Ausbau von Windkraftanlagen auf See kostengünstiger gestaltet wird. Beim Netzausbau könnten die Kosten gesenkt werden, indem man auf Freileitungen setzt, das Netz nicht auf die letzte Kilowattstunde auslegt und das Potenzial etwa von Batteriespeichern prüft. 

Mittelfristig gilt es, auf einen modularen Ausbau der Infrastruktur zu setzen und Maßnahmen zwar durchzuplanen, vor dem eigentlichen Baustart aber noch einmal die Erforderlichkeit zu prüfen. Auch sollte geschaut werden, ob das Ziel eines Anteils von 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 mit den Ausbauzielen für die Erneuerbaren noch zusammenpassen. Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Stromnachfrage bis 2030 auf etwa 750 Terawattstunden steigt. Die Stromnachfrage ist aber heute auf einem der niedrigsten Niveaus der letzten dreißig Jahre. 

Steigt die Stromnachfrage in den nächsten fünf Jahren wirklich um 50 Prozent? Was bedeutet es, wenn wir mit der Elektrifizierung, der Flexibilisierung und der Sektorkopplung langsamer vorankommen als gewünscht? Im letzten Jahr hatten wir fast 500 Stunden mit negativen Preisen, weil das Stromangebot die Nachfrage übersteigt, die Flexibilitätsoptionen begrenzt sind und das Stromnetz an seine Kapazitätsgrenzen stößt.

Wie kann die nächste Bundesregierung sicherstellen, dass die Energiewende speziell auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wirtschaftlich tragbar bleibt?

In der Vergangenheit sind KMU mit hohen Energiepreisen recht gut zurechtgekommen, wenn sie auf Innovation und hohe Wertschöpfung gesetzt haben. Das wird in Zukunft auch die Herausforderung sein. Dafür brauchen sie geeignete Rahmenbedingungen. Die Senkung von Abgaben und Umlagen ist für KMU besonders wichtig, aber auch der Zugang zu günstigem Strom aus erneuerbaren Energien. 

Hier stellt sich die Frage: Wie kommen KMU da ran? Ein Beispiel wären etwa besser Zugang und insbesondere Finanzierungabsicherungen. Beispielsweise mit einer staatlichen Bürgschaft für bilaterale Stromlieferverträge, bei denen Unternehmen direkt mit Produzenten von erneuerbarem Strom langfristige Lieferverträge abschließen können. Das würde KMU ermöglichen, sich langfristig stabile Strompreise zu sichern. Und dann brauchen natürlich auch KMU Planungssicherheit, Entbürokratisierung, die Verbesserung der Infrastruktur und die Schließung der Fachkräftelücke.

Wie könnte eine Energiepolitik aussehen, die sowohl ökologisch nachhaltig als auch ökonomisch tragfähig ist?

Auch wenn die Energiewende nicht so schnell vorankommt wie erhofft, hat Deutschland im globalen Vergleich bereits große Fortschritte gemacht, unter anderem durch massive Investitionen. Von dieser Vorreiterrolle kann die Wirtschaft profitieren. Dazu müssen wir vor allem dort Wertschöpfung schaffen, wo es nicht nur um Massenproduktion, sondern um Innovation geht. Also technologische Entwicklungen und neue Geschäftsfelder fördern, die nicht nur kurzfristig wirken, sondern auch langfristig zukunftsfähig sind wie etwa Klimatechnologien, Automatisierung oder Gesundheit. 

Wir brauchen weniger punktuelle Industriepolitik, sondern müssen die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stärken, damit Unternehmen eigenständig in neue Felder investieren und Innovationen vorantreiben können.

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Julia Löffelholz
Julia Löffelholz Pressesprecherin

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Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION