Wachstum, Innovation und Veränderungsgeschwindigkeit werden in Deutschland durch oftmals als endlos empfundene Planungs- und Genehmigungsverfahren ausgebremst. Das gilt für die schnelle Transformation zu einer klimaneutralen Industrie ebenso wie für den flächendeckenden Breitbandausbau, für die Entwicklung attraktiver Städte und Gemeinden sowie die Sanierung und den Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen. Die schleppenden Verfahren erschüttern bei Unternehmen zunehmend das Vertrauen in einen funktionierenden Staat. Und sie schwächen die Betriebe, die doch gerade jetzt Rückenwind für Investitionen durch einen schnellen Staat mit beweglichen Behörden brauchen.
Tempo ist machbar
Dass es auch anders geht, hat die Politik in der Gaskrise bewiesen: Mit den LNG-Terminals und Ausnahmen für den Fuel-Switch hat sie den notwendigen Mut bewiesen, zentrale Blockaden und alte Muster zu durchbrechen. Am 6. November 2023 haben Bund und Länder diese Erfahrungen im sogenannten Beschleunigungspakt aufgegriffen und zahlreiche Maßnahmen beschlossen, mit denen sie das beschworene "Deutschland-Tempo" erreichen wollen.
Vereinbart wurden 150 Arbeitsaufträge für schnellere und einfachere Verfahren. Dazu gehören viele Gesetzesänderungen im Genehmigungs- und Planungsrecht ebenso wie Veränderungen bei der Verwaltung (beispielsweise mit Blick auf Digitalisierung oder Personal).
Die Beschlüsse greifen viele zentrale Forderungen der IHK-Organisationen auf, die bei den zuständigen Ministerien, im Bundestag und im Bundesrat bisher keine Zustimmung fanden. Ihre Umsetzung wäre ein großer Schritt hin zu schnelleren und effizienteren Zulassungsverfahren von der einfachen Baugenehmigung bis zu komplexen Planfeststellungsverfahren. Damit der Pakt seine Wirkung für einen modernen und klimaneutralen Wirtschaftsstandort auch erreicht, muss er jedoch vollständig in den zahlreichen Fachgesetzen des Planungs- und Genehmigungsrechts umgesetzt werden.
Der DIHK-Beschleunigungsmonitor beobachtet den Umsetzungsgrad der aus Sicht der Wirtschaft wichtigsten gesetzlichen Maßnahmen von Genehmigungsfiktionen bis zur Einschränkung der aufschiebenden Wirkung (siehe unten). Beurteilt wird dabei, ob die jeweilige Maßnahme in den für die Wirtschaft wichtigsten Fachgesetzen begonnen und in welchem Umfang sie umgesetzt wurde.
Umsetzung zögerlich und kleinteilig
Anfang Oktober 2024 stellt der Monitor fest, dass mit der Umsetzung solcher ersten Maßnahmen nur sehr zögerlich begonnen wurde. So enthält die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) eine Stichtagsregelung und einen fakultativen Erörterungstermin nur für Windenergie und Elektrolyseure – nicht aber für weitere industrielle Anlagen. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) beschränkt sich bei den angestrebten einheitlichen Artenschutzstandards auf die Schieneninfrastruktur, und der Entwurf zur Änderung der Landesbauordnung in Niedersachsen enthält zwar eine Genehmigungsfiktion, begrenzt diese allerdings auf den Wohnungsbau. Statt einem großen Wurf bleibt es also beim bisherigen Klein-Klein.
Die Begrenzung beschleunigter Verfahrensregeln auf ausgewählte Projektarten wie erneuerbare Energien, Wasserstoffelektrolyse, Wohnungs- oder Breitbandausbau wird weder die Wirtschaft noch ihre Transformation entscheidend voranbringen. Das zeigt sich bei Windenergieanlagen: Sie benötigen Motoren, Rotorblätter, Stahl oder Beton von Industrieunternehmen, die ihre Anlagen aber nicht beschleunigt umbauen können, um den wachsenden Bedarf rechtzeitig zu decken. Analog wird ohne die raschere Zulassung der Infrastruktur der Transport dieser Teile und Materialien per Wasser, Straße oder Schiene zum Engpass.
Komplexität reduzieren
Auch verkomplizieren die vielen Beschleunigungsgesetze das bereits überkomplexe Zulassungsrecht. All diese Gesetze beschränken den Anwendungsbereich auf einzelne Anlagenarten und enthalten teils voneinander abweichende Regelungen. Ein Wasserstoffelektrolyseur beispielsweise wird meist zusammen mit Zufahrtswegen, Speichern, Leitungen, Netzanschlüssen, Umwandlern, Wasserförderung et cetera errichtet. Diese dazugehörigen Anlagen können von einigen in der jüngsten BImSchG-Novelle eingeführten Verfahrenserleichterungen profitieren, von anderen jedoch nicht. Schon um mögliche Fehler zu vermeiden, werden viele Unternehmen die beschleunigten Verfahren daher nicht nutzen. Auch hilft es ihnen wenig, wenn zwar der Elektrolyseur schneller zugelassen wird, die Genehmigungen für Zufahrtswege oder Wasserförderungen jedoch auf sich warten lassen.
Bei der Umsetzung der Beschlüsse vom 6. November 2023 sollten Bund und Länder deshalb schnell nachlegen. Wenn sie einen ernsthaften Beitrag zur Beschleunigung der Transformation leisten wollen, müssen sie Regelungen wie Fristen, Stichtage, Zustimmungs- oder Genehmigungsfiktionen und Verfahrenserleichterungen auf das gesamte Planungs- und Genehmigungsrecht anwenden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Genehmigungen vom Bauantrag bis zum komplexen Planfeststellungsverfahren tatsächlich beschleunigt werden.