Vor ihrer Rede im Europäischen Parlament hat Ursula von der Leyen politische Leitlinien für ihre zweite Amtszeit veröffentlicht. Eine zentrale Rolle in diesen Leitlinien nehmen Maßnahmen für nachhaltigen Wohlstand und eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit ein.
Von der Leyens neue Amtszeit
Neue Schwerpunkte für die nächste Kommission angekündigtWettbewerbsfähigkeit, Bürokratieabbau und KMU
Am 18. Juli wurde Ursula von der Leyen mit einer Mehrheit der Stimmen der EU-Parlamentarier zur Kommissionspräsidentin wiedergewählt. In ihrer Rede, die sie vor der Wahl hielt, unterstrich von der Leyen, dass die obersten Prioritäten der EU für die nächsten fünf Jahre der Wohlstand in und die Wettbewerbsfähigkeit der EU sein werden. Letztere brauche jedoch einen "kräftigen Impuls". Als Maßnahmen nannte sie die Vertiefung des Binnenmarktes in allen Bereichen, die Reduzierung von Berichtspflichten, weniger Bürokratie und eine bessere Umsetzung sowie schnellere Genehmigungen. Konkret sollen jeder Kommissar und jede Kommissarin Maßnahmen ergreifen, um in ihren Bereichen für Entlastungen zu sorgen. Die Koordinierung und Berichterstattung über die Fortschritte dieser Maßnahmen soll von einem Kommissionsvizepräsidenten übernommen werden, der explizit für diese Rolle ernannt wird.
Fokus auf KMU beim Bürokratieabbau
Wie schon zu Beginn ihrer ersten Amtszeit 2019 betonte von der Leyen in ihrer Rede auch die Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) für Europa, stellt nun aber konkrete Maßnahmen für den Bürokratieabbau in Aussicht. KMU seien "das Herzstück" der europäischen Wirtschaft und bräuchten weniger Mikromanagement, sondern mehr Vertrauen. Mit Blick auf einen aus Sicht der Unternehmen dringend erforderlichen Bürokratieabbau kündigte sie einen neuen KMU- und Wettbewerbsfähigkeitscheck für eine bessere Rechtssetzung an. Darüber hinaus stellt sie spezifische Maßnahmen wie die Einführung einer neuen Kategorie für kleine Midcap-Unternehmen in den parallel zur Rede veröffentlichten Leitlinien in Aussicht. Auf Grundlage eines Stresstests für den gesamten EU-Besitzstand will die Kommissionspräsidentin Vorschläge zur "Vereinfachung, Konsolidierung und Kodifizierung der Rechtsvorschriften vorlegen, damit Überschneidungen und Widersprüchlichkeiten unter Aufrechterhaltung hoher Standards beseitigt werden".
Investitionen, Fonds und Haushalt
Eine der Überschriften in den Leitlinien lautet "Turboantrieb für Investitionen" und in ihrem Statement sprach von der Leyen davon, dass das nächste Mandat "eine Zeit der Investitionen“ sein müsse. Um die Digitalisierung und neue strategische Technologien zu ermöglichen, schlägt sie einen neuen "Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit" vor. Durch diese Investitionskapazität sollen mehr private Mittel mobilisiert werden und in den "Clean Industrial Deal" sowie IPCEIs ("Important Projects of Common European Interest") fließen. Neben dem – überarbeiteten – Vorschlag einer "Europäischen Spar- und Investitionsunion", bislang bekannt als Kapitalmarktunion, soll außerdem das öffentliche Auftragswesen besser als bislang genutzt werden, um Innovationen in den grünen und digitalen Wandel zu fördern. Insgesamt sollen erheblich mehr Ausgaben für KI, Raumfahrt, Biotech und andere strategisch wichtige Technologien getätigt werden. Mit Blick auf den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, das EU-Budget für die Jahre 2028-2034, welches im kommenden Jahr im Entwurf vorgestellt werden soll, erklärte von der Leyen, dass sie sich für gezielte und damit effektivere Ausgaben und eine einfachere Budget-Struktur einsetzen werde.
Sicherheit, Erweiterung und Kohäsion
Der an zweiter Stelle in den Leitlinien genannte große Themenkomplex ist die Notwendigkeit, in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Neben dem Aufbau eines Europäischen Verteidigungsfonds soll der Ausbau des Programms für die europäische Verteidigungsindustrie angestrebt werden.
Andere große Themen betreffen unter anderem die Erweiterung der EU, den Konflikt im Nahen Osten, die Landwirtschaft und das Sozialsystem. Im Zusammenhang mit Letzterem möchte von der Leyen erstmals einen Kommissar oder eine Kommissarin für den Verantwortungsbereich des Wohnungswesens berufen. Gleichzeitig möchte sie sich für eine starke Kohäsionspolitik einsetzen.