Ziel des in der Anhörung diskutierten Gesetzentwurfs ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union. Zum 1. Januar 2024 soll die globale Mindeststeuer in Deutschland umgesetzt werden. Die DIHK hat in der Anhörung im Deutschen Bundestag konkrete Vereinfachungen gefordert, damit Unternehmen das neue Besteuerungssystem rechtssicher und mit vertretbarem Verwaltungsaufwand handhaben können.
Sachverständigen-Anhörung im Deutschen Bundestag am 16. Oktober 2023
DIHK fordert Vereinfachung bei Umsetzung der globalen MindeststeuerMit der neuen „Globalen Mindeststeuer“ soll weltweit eine Mindestbesteuerung von Unternehmen von mindestens effektiv 15 Prozent sichergestellt werden. Darauf haben sich 143 Staaten im sogenannten OECD/Inclusive Framework verständigt. Auf EU-Ebene wurde im Dezember 2022 eine entsprechende Richtlinie verabschiedet. Die Mindeststeuer ist ein Besteuerungssystem, das zusätzlich zur bestehenden Unternehmensbesteuerung eingeführt wird. Hierzu sollen neue, bislang unbekannte Rechtsbegriffe, neue Regelungen, neue Zuständigkeiten, neue Verfahrensschritte und neue Befolgungspflichten geschaffen werden. Damit erhöht sich die Komplexität der Unternehmensbesteuerung ganz erheblich, insbesondere deshalb, weil die zusätzlichen Steuerpflichten auf der Basis von handelsrechtlichen Rechnungslegungsstandards, wie zum Beispiel IFRS und US-GAAP, definiert werden.
Hohe zusätzliche bürokratische Belastung für Unternehmen
Die Mindeststeuer setzt sich zusammen aus zusätzlichen Steuern, die sich aus insgesamt drei Szenarien ergeben, die davon abhängen, wo die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe ihren Sitz hat. Steuerpflichtig sind alle im Inland belegenen Geschäftseinheiten, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, die in den Konzernabschlüssen der obersten Muttergesellschaft einen jährlichen Umsatzerlös von 750 Millionen Euro oder mehr ausweist (in mindestens zwei von vier dem Geschäftsjahr unmittelbar vorhergehenden Geschäftsjahren).
In der Praxis bedeutet dies: Es müssen von etwa 450 deutschen Muttergesellschaften (nach Angaben des Gesetzentwurfs) jeweils ca. 250 neue Datenpunkte ermittelt werden. Dazu sind in diesen Gesellschaften neue komplexe innerbetriebliche Informations- und Controllingprozesse sowie separate Buchführungssysteme aufzubauen. Dies erfordert einen immensen zusätzlichen Ressourceneinsatz. Ein zunehmendes Problem: In vielen Fällen stehen die erforderlichen Steuer-, Accounting- und IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.
Der Gesetzentwurf gibt für die laufende Umsetzung jährliche Befolgungskosten der Unternehmen zum Beispiel für Lizenzen, konzernweite Datenmanagementsysteme, Monitoring von Rechtsänderungen in allen Staaten, Steuerberechnungen und Erklärungspflichten von zusätzlich ca. 750.000 Euro an. Dieser Betrag dürfte eher das untere Spektrum der erwarteten Implementierungskosten abbilden. Unabhängig davon muss betont werden, dass die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten des Gesetzes ein Vielfaches dieses Betrages ausmachen dürften, weil in den kommenden Jahren erhebliche Compliance- und hohe Opportunitätskosten entstehen. Insbesondere letztere sollten unter einer volkswirtschaftlichen Perspektive berücksichtigt werden, weil Unternehmen erhebliche Ressourcen in die beschriebenen Prozesse investieren müssen, die in anderen Bereichen, wie Innovationen und Investitionen, fehlen, die eigentlich zur Erreichung der unternehmerischen Ziele viel wichtiger wären.
Erforderliche Anpassungen beziehungsweise Verbesserungen des Gesetzes
Unternehmen müssen die neuen Regeln bereits zum 1. Januar 2024 umsetzen und befolgen. Weil die verbindlichen Vorschriften erst im November feststehen werden, werden Ungenauigkeiten und Fehler bei der Anwendung nicht ausbleiben. Aus Sicht der DIHK sollte die Finanzverwaltung deshalb – angekündigt durch ein BMF-Schreiben – Betriebsprüfungen mit einer erhöhten Fehlertoleranz durchführen. Unmittelbar in das Gesetz sollte (wieder) aufgenommen werden, dass in einer Übergangsphase keine mit Bußgeldern begleiteten Sanktionen erfolgen.
Alle Möglichkeiten, das Gesetz zu vereinfachen, sollten genutzt werden. Die OECD hatte im Juli weitere „Safe Harbour“-Regelungen angekündigt. Vereinfacht kann man sagen: Die Anforderungen an die Unternehmen sollten konsequent reduziert werden, wenn sichergestellt ist, dass – in welchem Staat und durch welche Maßnahme auch immer – die effektive Besteuerung nicht niedriger als 15 Prozent ist. Die OECD schlägt vor, einige Vereinfachungen übergangsweise bis 2026 einzuführen. Zumindest diese Vorschläge sollte man aus Sicht der Unternehmen unbedingt im laufenden Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. Noch besser wäre, die sinnvollen Vorschläge dauerhaft im Gesetz zu verankern. Ein Beispiel sind die Fälle mit geringen Auslandsaktivitäten von unter 10 Millionen Euro Umsatz und 1 Million Euro Gewinn, bei denen vereinfachte Daten aus den CbCR-Reports genutzt werden könnten. Eine zusätzliche „Mindestbesteuerung“ könnte hier unterbleiben.
In das Gesetz aufgenommen werden sollte ferner eine „White-List“ von Staaten, in denen die Steuerbelastung nachweislich deutlich über 15 Prozent liegt. Wenn mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Ergänzungssteuer erhoben wird, muss ein solches Verfahren erst gar nicht gestartet werden. Sinnvoll wäre zudem eine zentrale Anlaufstelle mit Entscheidungs- und Weisungskompetenz, damit Auslegungs- und Qualifikationskonflikte effizient und zeitnah gelöst werden können.
Über die Verbesserungen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens hinaus sollte sich die Bundesregierung bei den derzeit auf OECD/IF-Ebene stattfindenden Arbeiten dafür einsetzen, dass in allen beteiligten Staaten eine möglichst einheitliche Anwendung der Mindestbesteuerung stattfindet. Einsetzen sollte sich die Bundesregierung dabei für den Aufbau von verpflichtenden Streitbeilegungsverfahren.
Auf unserer Website Link finden Sie detaillierte Erläuterungen unserer konkreten Vorschläge für Vereinfachungen sowie die von der DIHK gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden verfassten Stellungnahme an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages.