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Sachlich, unparteiisch und mit Augenmaß – nicht nur im Ahrtal

Interview: Jürgen Schauf begutachtet als Sachverständiger Schäden an Gebäuden
Jürgen Schauf im Büro

Der Sachverständige Jürgen Schauf setzt auf Fachinformation, nicht auf Fachchinesisch

© DIHK / Kai Müller

Jürgen Schauf, seit 2008 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Bereich "Schäden an Gebäuden", hat in den letzten Jahren neben vielen anderen Gebäudeschäden vor allem im Ahrtal Flutschäden begutachtet. Den Schutz der Bewohner im Fokus haben und mit Objektivität und Weitsicht arbeiten – das ist sein Credo, gerade in schwierigen Situationen.

Jürgen Schauf am Bau

© DIHK / Kai Müller

Herr Schauf, warum haben Sie sich dazu entschieden, als Sachverständiger tätig zu werden? 

Ich war lange als Tragwerksplaner tätig und hatte nur am Rande mit Schäden an Gebäuden zu tun. Ab und zu wurde ich gebeten, einen Schaden anzuschauen, oder meine eigene Arbeit wurde überprüft. Da habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, ein Projekt oder Bauwerk aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, möglichst viele Informationen zu sammeln, erst dann Schlussfolgerungen zu ziehen und schließlich konstruktiv und bisweilen auch wissenschaftlich ein Problem zu lösen. Manchmal geht es dabei um Leib oder Leben von Personen, manchmal kommen auch "nur" die Fliesen runter. Immer braucht man aber eine sachliche, unparteiische Sicht auf die Dinge. Das hat mich gereizt. 

Welche Qualifikationen muss man mitbringen, um Sachverständiger zu werden? 

Die genauen Bestellungsvoraussetzungen sind von Bereich zu Bereich verschieden. In meinem muss man neben den fachlichen Voraussetzungen, die quasi schon mit dem Studium erlernt werden, auch rechtliche Grundkenntnisse mitbringen. Die kann man in Seminaren lernen. Überhaupt sind regelmäßige Fortbildungen sinnvoll, und für den Weitblick nicht nur innerhalb des Bereichs, in dem man tätig ist. Ich zum Beispiel befasse mich intensiv mit dem konstruktiven Ingenieurwesen, habe viel mit Feuchtigkeitsschäden, Rissen und beanstandeten Ausführungsqualitäten zu tun. Bei den etwa 500 Überschwemmungsschäden, die wir in den letzten drei Jahren begutachtet haben, war die Erfahrung daraus sehr hilfreich. 

Unter welcher Prämisse gehen Sie vor, wenn Sie beispielweise ein Haus im Ahrtal begutachten? 

Die Prämisse ist der Schutz der Bewohner und Dritter. Außerdem braucht es eine faktenbasierte Herangehensweise mit Objektivität und Weitsicht und vor allem mit Augenmaß. Der Grad der Zufriedenheit zwischen verschiedenen Beteiligten ist oftmals sehr schmal, zwischen einem Auftraggeber und dem ausführenden Handwerker zum Beispiel. 

Der Nachwuchs fehlt bei den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Welche Folgen kann das haben aus Ihrer Sicht? 

Wenn ich einen Sachverständigen bestelle, erwarte ich – und auch die Gegenseite – eine unparteiische, sachverständige, faktenbasierte Einschätzung. Und die muss auch für Laien verständlich sein: So viel Fachinformation wie nötig, so wenig unverständliches Fachchinesisch wie möglich. Wenn es immer weniger kundige Sachverständige gibt, werden Begutachtungen qualitativ immer schlechter, unter Umständen einseitiger und beschränken sich nicht auf das Kernthema. Man kommt nicht zu angemessenen, fachkundigen Lösungen – die man ja auch gern außerhalb eines Gerichtsverfahrens haben möchte, um zusätzliche Kosten zu sparen. Doch auch vor Gericht wird es schwierig, denn der Sachverständige arbeitet optimalerweise Hand in Hand mit dem Gericht. Wenn hier die Qualität der Sachverständigen-Gutachten nachlässt, gibt es immer mehr angreifbare Gerichtsentscheidungen. Das tut auch der Rechtspflege nicht gut. 

Jürgen Schauf am Rechner

© DIHK / Kai Müller

Was würden Sie einem jungen Menschen raten, wenn er überlegt, sich zum Sachverständigen bestellen zu lassen? 

Ich spreche oft mit jungen Menschen und versuche, sie dazu zu motivieren. Mein Tipp: Man sollte den Gedanken reifen und sich Zeit lassen, Erfahrungen während der normalen Arbeitspraxis sammeln und sich dann entscheiden: "Wenn du der Meinung bist, du hast Ahnung und bist dazu noch in der Lage, einen Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, dann bist du im Sachverständigenwesen genau richtig. Und außerdem: Als Sachverständiger wirst du immer was zu tun haben!" Und um dem Gespenst "Prüfungsverfahren" den Schrecken zu nehmen, ist es am besten, Kontakte zu anderen Sachverständigen zu knüpfen und sich auszutauschen.

Kontakt

Porträtbild Daphne Grathwohl, Referatsleiterin Strategische Themenplanung und Qualitätssicherung
Daphne Grathwohl Referatsleiterin Mitgliederkommunikation und Interne Kommunikation | Pressesprecherin

Zur Person

Jürgen Schauf, 53 Jahre alt, ist gelernter Maurer und studierter Bauingenieur. Seit 2008 ist er öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Bereich "Schäden an Gebäuden".
Seine zuständige Industrie und Handelskammer ist die IHK Ostwestfalen zu Bielefeld. Schauf unterhält eine Zweitniederlassung im Zuständigkeitsbereich der IHK Koblenz.