Das FG Berlin-Brandenburg nimmt – übereinstimmend mit dem BFH – die beabsichtigten Änderungen des Umwandlungssteuererlasses vorweg. Demzufolge ist die Bildung negativer Anschaffungskosten durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum der Einbringung zulässig und führt nicht zu einer zwangsweisen Aufstockung der Buchwerte des nach § 20 UmwStG eingebrachten Betriebsvermögens.
Negative Anschaffungskosten durch nachträgliche Entnahmen bei Einbringung
Urteil des FG Berlin-BrandenburgEinbringung von Betrieben in Kapitalgesellschaften auch zu Buchwerten möglich
§ 20 UmwStG regelt die steuerliche Handhabung der Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Grundsätzlich ist das eingebrachte Betriebsvermögen unter Aufdeckung etwaiger stiller Reserven mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).
Allerdings können auf Antrag auch die Buchwerte fortgeführt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG); stille Reserven sind dann zumindest nicht im Zeitpunkt der Einbringung zu versteuern. Dieses Antragsrecht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Unter anderem dürfen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG die Passivposten die Aktivposten nicht übersteigen, wobei das Eigenkapital unberücksichtigt bleibt. Hierdurch sollen negative Anschaffungskosten vermieden werden.
Steuerliche Rückwirkung jedoch nicht für Entnahmen und Einlagen möglich
Regelmäßig erfolgt die Anmeldung solcher Umwandlungsvorgänge rückwirkend zu einem bestimmten Stichtag statt, allerdings beträgt der Rückwirkungszeitraum handelsrechtlich maximal 8 Monate (§ 17 Abs. 2 UmwG). Steuerlich gilt dies ebenso (§ 2 Abs. 1 UmwStG).
Abweichend bestimmen § 20 Abs. 5 Sätze 2 und 3 UmwStG, dass Entnahme und Einlagen während des Rückwirkungszeitraums nicht der „neuen“ Gesellschaft zuzurechnen sind, sondern die ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile an der Zielgesellschaft mindern bzw. erhöhen. Im vom FG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall wurden in diesem Zeitraum Entnahmen getätigt. Diese überstiegen den Buchwert auf den Übertragungsstichtag des eingebrachten Einzelunternehmens.
Finanzverwaltung: keine negativen Anschaffungskosten durch Entnahmen
Bisher ist die Finanzverwaltung der Ansicht, dass Entnahmen im Rückwirkungszeitraum nicht zu negativen Anschaffungskosten führen dürfen, weil hierdurch die Passivposten die Aktivposten (nachträglich) übersteigen und dies gerade nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG eine Übertragung zu Buchwerten ausschließt. Infolgedessen seien in einem solchen Fall die Buchwerte des übergehenden Betriebsvermögens insoweit aufzustocken, als dass sich Anschaffungskosten von 0 Euro ergeben (BMF-Schreiben vom 11. November 2011 (Umwandlungsteuererlass), BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.19).
BFH weist Verwaltungsauffassung zurück – FG Berlin-Brandenburg folgt BFH
Dieser Rechtsauffassung ist bereits der BFH mit Urteil vom 7. März 2018 (DStR 2018, 1560) entgegengetreten. Dennoch wendete das beklagte Finanzamt für eine Einbringung auf den 31. Dezember 2019 die im Umwandlungssteuererlass geäußerte Rechtsauffassung an.
Dieser Auffassung trat wiederum das FG-Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30. März 2023 (Az. 17 K 6063/22, rkr., DStRE 2024, 730) entgegen und wiederholte die seinerzeitigen Begründungen des BFH. Insbesondere bestünde kein Raum für eine teleologische Expansion des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG, der sich dem Wortlaut nach nur auf den Übertragungsstichtag bezieht.
Streichung im UmwStE geplant
Damit antizipierte das FG Berlin-Brandenburg auch die beabsichtigte Änderung in Tz. 20.19 des Umwandlungssteuererlasses. In der den Verbänden zur Stellungnahme versandten Entwurfsfassung zur Überarbeitung des Umwandlungssteuererlasses ist die entsprechende Passage zur Streichung vorgesehen.
Hinweis: Drittanfechtung möglich
Ganz nebenbei bestätigte das FG Berlin-Brandenburg, dass im Falle einer Einbringung nach § 20 UmwStG auch der Einbringende im Wege einer Drittanfechtungsklage gegen den Körperschaftsteuerbescheid vorgehen kann, da die Höhe der Anschaffungskosten gleichzeitig wegen der materiellen Bindungswirkung der bei der Kapitalgesellschaft angesetzten Werte den Veräußerungspreis für seinen Betrieb/Teilbetrieb darstellen.