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Koalitionsvertrag – mittelstandspolitische Maßnahmen

Etliche richtige Maßnahmen für den Mittelstand - notwendiger „großer Wurf“ bleibt bislang aus
Reichstag

© RICOWde / Moment Open / Getty Images

Auf 144 Seiten halten die künftigen Koalitionäre ihre Maßnahmen für die kommende Legislaturperiode fest. CDU, CSU und SPD stellen ihren Koalitionsvertrag nun den Parteigremien vor. Erstes Fazit: Etliche richtige Maßnahmen, aber für den erhofften und notwendigen großen Wurf fehlt noch der Mut. Insbesondere sind die Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen bislang enttäuschend. Zudem fehlen Maßnahmen für zukunftsfeste und finanzierbare soziale Sicherungssysteme.

Immerhin 28 mal wird im Entwurf für den Koalitionsvertrag der „Mittelstand“ adressiert. Eigentlich zu wenig, denn der Mittelstand ist prägend für das deutsche Wirtschaftsmodell. Über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland beschäftigen weniger als 250 Mitarbeitende, über 80 Prozent haben weniger als zehn Beschäftigte, über 90 Prozent sind in Familienhand. Enge Verbundenheit mit Mitarbeitern und Region, die oft persönliche Haftung der Inhabenden sowie eine langfristige Perspektive prägend das Gros der Unternehmen des Mittelstands. Der Entwurf des Koalitionsvertrages nennt einige wichtige und richtige Maßnahmen. Allerdings werden wichtige Reformbaustellen nur unzureichend angegangen.

Steuerpolitische Vorhaben aus Sicht des Mittelstands enttäuschend, keine Kostenbegrenzung bei sozialen Sicherungssystemen (siehe auch Artikel „Steuerliche Maßnahmen im zukünftigen Koalitionsvertrag").

Über 70 Prozent der Unternehmen des Mittelstands in Deutschland werden als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft geführt. Für diese Unternehmen ist die Einkommensteuer die relevante Unternehmensteuer. Von der für Mitte der Legislaturperiode angekündigten Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen dürften die meisten Personenunternehmen in Deutschland jedoch nicht oder nur wenig profitieren.

Auch die Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen von der im internationalen Vergleich hohen Belastung mit Körperschaftsteuer ist eher enttäuschend. Der Körperschaftsteuersatz soll erst ab 2028 reduziert werden – und auch dann in kleinen Schritten von jeweils einem Prozent über 5 Jahre. Das betrifft die Kapitalgesellschaften und viele der international agierenden mittelständischen „Hidden Champions“.

Wieder eingeführt wird die beschleunigte Abschreibung in Höhe von 30 Prozent, allerdings zeitlich begrenzt für die Jahre 2025, 2026 und 2027. Hiervon dürften vor allem Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf und Investitionsvolumina profitieren. Die Maßnahme ist richtig, weil schnellere Abschreibungen ein wichtiger steuerlicher Hebel für höhere Investitionen der Unternehmen sind und damit für mehr Wachstum, sichere Arbeitsplätze und mittelfristig höhere Staatseinnahmen gesorgt werden kann. Noch besser wäre es, die degressive Abschreibung dauerhaft, ohne Befristung wiedereinzuführen. Denn sie gibt am ehesten den wirtschaftlichen Wertverzehr einer Investition wieder: am Anfang viel und am Ende weniger. 

Zudem fehlen nachhaltige Ansätze zur Begrenzung der Kosten- und Beitragsexplosion in den sozialen Sicherungssystemen. Davon sind vor allem kleine und mittelgroße Betriebe betroffen, die in der Tendenz eher in personalintensiven Branchen engagiert sind, wie Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen, Tourismus. Diese spüren unmittelbar die steigenden Lohnzusatzkosten, die sich in Zeiten zunehmenden Personalmangels nochmals stärker auswirken.

Zielführende Einzelvorhaben

Richtig ist, dass die Koalitionäre in spe Unternehmensnachfolgen und Existenzgründungen unterstützen wollen. Denn der derzeit mangelnde Nachwuchs an Unternehmerinnen und Unternehmern gefährdet die Zukunft eines wettbewerbsfähigen Mittelstands. Die Unterstützung ist jedoch noch vage formuliert. Sie sollte sich zudem nicht nur – wie im Vertragsentwurf beschrieben - auf Betriebe des Handwerks beziehen, sondern auch Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen umfassen. Aus diesen Wirtschaftszweigen drohen nach den Erfahrungen der IHKs in den nächsten fünf Jahren rund 250.000 Unternehmen die Stilllegung, wenn nicht eine geeignete Nachfolge gefunden wird.

Die sehr richtigen Maßnahmen zur Bürokratieentlastung und zur Digitalisierung von Prozessen im Start-Up-Bereich - Unternehmensgründung in 24 Stunden, vollständiger One-Stop-Shop, automatisierter Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden - sollten sich nicht nur auf das Segment der hochinnovativen und wachstumsorientierten Gründungen beziehen. Über 90 Prozent der Gründungen in Deutschland geschehen konventionell etwa in Dienstleistungsbereichen, Gastronomie, Handel. Unternehmensgründungen sollten in allen Bereichen Erleichterungen erfahren, um Innovations-, Wettbewerbs- und Wachstumsimpulse auch vor Ort in der regionalen Wirtschaft anstoßen zu können und eigenverantwortliches Unternehmertum konkret erlebbar zu machen. 

Der geplante Deutschlandfonds zur Hebelung privaten Kapitals ist ein notwendiger und sinnvoller Lückenschluss in der Unternehmensfinanzierung und sollte mit dem bestehenden Zukunftsfonds sinnvoll abgestimmt werden. Die vorgesehene Förderung von Gründerinnen von Start-Ups sollte konkretisiert werden.

Richtig ist ebenso die Verstetigung des Zukunftsfonds sowie der geplante Effizienz-Check“ für die gesamte Start-up-Finanzierungsarchitektur. Sinnvoll ist auch der geplante Mittelstandsfonds, der gehebelt bis zu zehn Milliarden Euro Eigen- und Fremdkapital für die digitale und klimaneutrale Transformation großer deutscher Mittelständler mit begrenztem Zugang zum Kapitalmarkt bereitstellen soll.

Die vorgesehene Ermöglichung von Bagatell-/Schwellenwerten bei der Rückzahlung der ausgezahlten Corona-Hilfen ist sinnvoll und trägt zur Verhältnismäßigkeit der Rückforderungsprozesse bei den Corona-Zuschüssen bei.

Die angekündigte Unterstützung der Gründung von Schülerfirmen sollte mindestens so vielen Schülerfirmen wie derzeit eine Unterstützung ermöglichen. Eine stärkere Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen dürfte zu einem realistischeren Unternehmerbild beitragen und damit das Klima für Unternehmertum insgesamt verbessern. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für die Zukunft des Mittelstands in Deutschland.

Kontakt

Evers, Marc_neu
Dr. Marc Evers Referatsleiter Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge