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"Es ist einiges passiert"

Regierung von Narendra Modi hat verschiedene Reformen angestoßen
Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der AHK Indien

Indien-Infos aus erster Hand bietet AHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Halusa im Experteninterview

© Eli Hamacher

Welche Rolle spielt Indien für deutsche Mittelständler? Welche hiesigen Branchen haben in Indien die besten Chancen? Was sind die größten Risiken für die Investoren? Ein Gespräch über diese und weitere Fragen mit Stefan Halusa, Hauptgeschäftsführer der AHK Indien.

Am südlichsten Zipfel Mumbais sitzt vis à vis vom World Trade Center Stefan Halusa. Nur wenige Monate nach Ausbruch der Corona-Pandemie rückte der ehemalige Brose-Manager im September 2020 als Geschäftsführer an die Spitze der AHK Indien, die in sechs Wirtschaftsmetropolen des Landes rund 100 Mitarbeitende beschäftigt. Zur Begrüßung steckten ihn die Inder erst einmal zwei Wochen lang in strengste Quarantäne. Über Mangel an Interesse am Standort Indien kann der asienerfahrene Manager und ehemalige Präsident der AHK Korea seit dem Ende von Covid-19 nicht klagen.  

Welche Rolle spielt Indien für deutsche Mittelständler? 

Das Interesse hat nach dem Ende von Covid-19 deutlich zugenommen. Speziell in diesem Jahr haben wir gespürt, dass sich auch vermehrt selbst kleinere Mittelständler Indien anschauen. Sie wollen keine Millionen investieren und gehen eher vorsichtig vor. Sie suchen erst einmal geeignete Geschäftspartner, bauen später gegebenenfalls eine kleine Produktion auf. Verstärkt wird auch vor Ort geforscht und entwickelt, weil es hier schneller und günstiger ist.

Was spricht für Indien? 

Die Firmen müssen im Rahmen des China-Derisking ihre Lieferketten stärker diversifizieren. Indien punktet unter anderem mit der weltgrößten Bevölkerung, noch dazu einer sehr jungen Bevölkerung, relativ niedrigen Lohnkosten, liegt näher an Europa als China, ist politisch stabil, hat die einstige Kolonialmacht Großbritannien bereits als Volkswirtschaft überholt, und auch die erstmalige Ausrichtung des G-20-Gipfels hat international für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Dennoch: Die Firmen gehen nicht aus China weg. Aber wenn sie erweitern wollen, machen sie es nicht mehr in China, sondern suchen sich andere Märkte, unter anderen Indien. 

Welche deutschen Branchen haben in Indien die besten Chancen? 

Dazu zählen Maschinenbau und Automobilindustrie, zumal sich in Pune schon sehr früh die deutschen Autobauer angesiedelt haben und das ganze Ökosystem vor Ort ist. Daneben sehen wir Investments von Pharma und Chemie. Auch bei Medizintechnik und erneuerbaren Energien wird sich viel tun.  

Was sind die größten Risiken für die Investoren? 

Ziel der indischen Regierung ist es, das Land auch als Industriestandort stärker zu pushen. Dafür muss die Infrastruktur weiter konsequent verbessert werden, um die vergleichsweise hohen Logistikkosten senken zu können, die durch die ineffizienten Systeme entstehen. Dies ist ein klarer Schwerpunkt der indischen Regierung.

Ein zweites Thema ist, dass bei stark wachsender Bevölkerung sehr viele Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, um den sozialen Frieden zu bewahren. Das Wachstum muss auch in größeren Teilen der Bevölkerung ankommen. Last but not least könnte sich aufgrund der stärker gewordenen Stellung Indiens eine Haltung entwickeln, dass das weitere Wachstum ein Selbstläufer ist und damit weitere Reformen und der Fortschritt bei den Handelsabkommen abgebremst wird.  

An der Spitze der Regierung steht seit fast zehn Jahren Narendra Modi mit seiner hindunationalistischen BJP. Was hat er erreicht? 

Indien gilt traditionell als schwieriger, komplizierter und bürokratischer Markt. Das trifft nach wie vor zu. Aber es ist auch einiges passiert. Für Firmengründungen etwa gibt es in einigen Bundesstaaten die One-Window-Lösungen mit einem Ansprechpartner für den gesamten Prozess. Steuererklärungen und Bezahlprozesse laufen mittlerweile auf elektronischem Weg. Das entzieht der Korruption zumindest auf der oberen Ebene den Boden, auf der lokalen Ebene sicher noch nicht im gleichen Maß.

Positiv war auch die Einführung der einheitlichen Goods and Services Tax, die eine Vielzahl von Steuern ersetzte und Steuererklärungen vereinfachte. Für Neuansiedlungen und Gründungen sind die Einkommenssteuersätze in einigen Bereichen von mehr als 30 auf unter 20 Prozent gesenkt worden. Allerdings nur bei Produktionsbeginn vor dem 31. März 2024. Noch nicht gelungen ist die Reform des Arbeitsrechts, mit dem mehr als 20 auf 4 Gesetze reduziert werden sollen, vor allem mit dem Ziel, die Zahl der formalen Beschäftigungsverhältnisse zu erhöhen. Damit würden auch mehr Inder eine Altersversorgung erhalten.  

Das bevölkerungsstärkste Land der Erde punktet mit einer sehr jungen Bevölkerung. Wie leicht finden deutsche Mittelständler geeignete Fachkräfte vor Ort?  

Bei Industriearbeitsplätzen gibt es sicher Engpässe, weil es kein duales System wie in Deutschland gibt. Wir versuchen als Kammer gegenzusteuern, vergeben A-Zertifikate für Ausbildungen wie Mechatroniker, Werkzeugmacher, Industriemechaniker, bilden die Ausbilder aus, stellen sicher, dass das deutsche Curriculum eingehalten wird und bei den Prüfungen theoretische und praktische Kenntnisse dem deutschen Niveau entsprechen.  

Seit Jahren wird um ein Handelsabkommen mit der EU gerungen. Wie stehen heute die Chancen auf einen Abschluss?  

Vor den Wahlen in Indien im Mai 2024 wird sicher nichts mehr passieren. Das gilt auch für das Abkommen Indien – UK. Die wichtigsten Themen sind für die Unternehmen Zollsätze, Zollverfahren, Ursprungszeugnisse und nicht tarifäre Handelshemmnisse. Europa will ein vollumfängliches Abkommen inklusive Nachhaltigkeitsthemen, Indien will sich eher erst einmal auf die Kernthemen konzentrieren.  

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Porträtfoto Katharina Wittke
Katharina Wittke Referatsleiterin Süd- und Südostasien, Pazifik | Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK)

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Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION