Im Projekt "Hand in Hand for International Talents" (HiH) wird erprobt, welche Unterstützung Unternehmen benötigen, die Fachkräfte aus dem Ausland anwerben wollen. Und wie es gelingen kann, diese Fachkräfte langfristig zu halten.
Willkommenskultur kann den Unterschied machen
"Hand in Hand for International Talents" zieht eine ZwischenbilanzEine indische Fachinformatikerin, die bei einer Düsseldorfer Softwarefirma tätig ist, ein Elektrotechniker aus Brasilien, der in einem Thüringer Wartungsunternehmen arbeitet: Sie und viele weitere Fachkräfte und Unternehmen hat "Hand in Hand for International Talents" (HiH), ein Projekt der DIHK Service GmbH und der Bundesagentur für Arbeit (BA), zusammengebacht.
Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels in Deutschland erprobt das Projekt seit Anfang 2020, wie die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten erfolgreich und nachhaltig gestaltet werden kann. Der Fokus liegt dabei auf nicht-akademischen Fachkräften, die qualifiziert sind, in Deutschland in IHK-Berufen zu arbeiten. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Mehr als 100 Fachkräfte vermittelt
In der ersten vierjährigen Pilotphase konnten über 100 qualifizierte Arbeitskräfte aus Indien, Brasilien und Vietnam an deutsche Unternehmen aus den Branchen IT, Elektro, Gastronomie und Hotellerie vermittelt werden. Dabei wurden die Betriebe Schritt für Schritt durch den gesamten Prozess – von der Anwerbung bis zur Integration in Deutschland – begleitet und erhielten beispielsweise Unterstützung bei der Organisation von Vorstellungsgesprächen oder bei Visumsprozessen.
Die individuelle fachliche Betreuung übernahmen die Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs), die BA und die Industrie- und Handelskammern (IHKs) vor Ort in Deutschland. Die Fachkräfte wurden von den AHKs unter anderem über die staatlichen Berufsschulen in den Pilotländern angeworben. Als zentrale Anerkennungsstelle für IHK-Berufe beteiligte sich auch die IHK Foreign Skills Approval (IHK FOSA) mit ihrer Expertise. Mit der Anwerbung verbundene Kosten, wie beispielsweise für Berufsanerkennungsverfahren, Sprachkurse oder die Beantragung von Visa, wurden im Rahmen des Projektes übernommen. Die Erfahrungen aus dem Projekt sind auch in die Novellierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) eingeflossen, das 2023 und 2024 stufenweise in Kraft tritt und es Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten erleichtern soll, nach Deutschland zu kommen.
Hohe Erfolgsquote
In nahezu allen Fällen war die Vermittlung erfolgreich: Gut 95 Prozent der eingereisten Fachkräfte sind auch nach drei Monaten noch in den Unternehmen. "Es hat sich gezeigt, dass die Integration mit Hilfe guter Vorbereitung und individueller Begleitung gelingen und nachhaltig wirken kann", sagt Projektleiterin Carolin Ruppert. "Gleichzeitig hat die vierjährige Pilotphase deutlich gemacht, dass bei deutschen Unternehmen ein hoher Informations- und Beratungsbedarf zu diesem Thema besteht."Während das Projekt gezeigt habe, dass Deutschland in den drei Pilotländern nach wie vor einen sehr guten Ruf genieße und als Einwanderungsland beliebt sei, gebe es in Deutschland selbst mancherorts noch Vorbehalte, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen. "Dabei handelt es sich oftmals um hochqualifizierte Arbeitskräfte, die sich das Unternehmen aussuchen können, in dem sie arbeiten wollen – und nicht umgekehrt", stellt Anine Linder klar, die sich die Projektleitung mit Carolin Ruppert teilt. "Das ist noch nicht allen Unternehmen bewusst." Damit eine langfristige Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert, müssen sich ausländische Fachkräfte auch in die Gesellschaft integrieren können. "Dafür ist eine Willkommenskultur entscheidend, in der sich die Person nicht nur als Arbeitskraft, sondern als Mensch wertgeschätzt fühlt."
Vorbereitung auf beiden Seiten
Die Projektergebnisse zeigen: Je früher die Integration beginnt, desto größer sind die Chancen für die Unternehmen, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter dauerhaft zu binden. So besuchten die Fachkräfte bereits in ihrem Heimatland Deutschkurse, erhielten Unterstützung beim Berufsanerkennungsverfahren und nahmen an interkulturellen Trainings teil. In den Trainings wurden auch praktische Fragen behandelt, beispielsweise wie das Steuersystem funktioniert oder wie man in Deutschland ein Konto eröffnet.
Vorbereitung ist aber nicht nur auf Seiten der Arbeitnehmenden wichtig. "Unternehmen, die jemanden aus dem Ausland einstellen, sind sich bewusst, dass sie damit Verantwortung für die Person übernehmen. Dazu gehört auch, Strukturen für die Einarbeitung zu schaffen und Mitarbeitende zu finden, die bereit sind und Zeit haben, sich um den neuen Kollegen oder die neue Kollegin zu kümmern", erklärt Ruppert. "Bevor ich als Unternehmen die Entscheidung treffe, sollte ich unbedingt die Offenheit in meinem Unternehmen prüfen und die Belegschaft entsprechend sensibilisieren."
Die meisten möchten sich hier ein Leben aufbauen
Viele der am Projekt beteiligten Unternehmen haben berichtet, dass sie bereits vor der Einreise mehrere Videocalls oder Telefonate mit den neuen Kolleginnen beziehungsweise Kollegen geführt haben, um Fragen zu klären. "Das zahlt sich auf jeden Fall aus", sagt Ruppert. Denn die meisten Fachkräfte kommen mit der Absicht, sich hier ein Leben aufzubauen. "Wenn es gelingt, sie ans Unternehmen zu binden, ist langfristig eine wertvolle Fachkraft gewonnen."
Hilfreich für die Integration sei laut Ruppert außerdem, wenn die Mitarbeitenden im Unternehmen über Englischkenntnisse verfügten und eine gewisse digitale Affinität vorhanden sei. "Auch, wenn die Fachkräfte vor ihrer Ankunft bereits einen Deutschkurs absolviert haben, kann die Sprachbarriere im Arbeitsalltag eine Herausforderung darstellen. Da kann es gerade in der Anfangszeit helfen, auch mal ins Englische zu wechseln oder eine Übersetzungs-App für die Kommunikation zu nutzen."
Mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie
Ein großes Fragezeichen bei der Einstellung einer Fachkraft aus einem Nicht-EU-Land ist oft der Zeitplan bis zur Einreise. "In der Regel dauert dieser Vorgang mehrere Monate. Die Dauer hängt allerdings stark von der Ausgangsposition ab," so Ruppert. "Am längsten dauert natürlich der Spracherwerb, vor allem, wenn die Person bei Null anfängt." Auch für das Anerkennungsverfahren und das Visum sind mehrere Wochen einzuplanen. "Oftmals müssen Dokumente zur Beantragung der Visa noch per Post in die Drittstaaten versandt werden", so Ruppert. Eine Forderung der Projektinitiatoren an die Politik lautet daher, die bürokratischen Prozesse bei der Fachkräfteeinwanderung zu vereinfachen und zu digitalisieren.
Je mehr Erfahrung, desto leichter der Weg
Das Projekt hat gezeigt: Unternehmen, die zum ersten Mal eine Fachkraft aus dem Ausland einstellen und sich in diesem komplexen Prozess entsprechende Kenntnisse und Erfahrung aneignen, gehen diesen Weg anschließend leichter. Viele der beteiligten Betriebe haben nicht nur eine, sondern zwei oder mehr Fachkräfte über das Projekt eingestellt. "Die Unternehmensleitungen sagen uns, dass es einfacher wird, wenn der Prozess einmal durchlaufen ist – alle Beteiligten im Unternehmen wissen dann besser, was zu tun ist", so Ruppert.
"Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich vor Ort unterstützende Netzwerke bilden – die Fachkräfte tauschen sich untereinander aus, helfen sich beispielsweise beim Einkaufen oder verbringen gemeinsam ihre Freizeit. Und auch die Unternehmen geben sich gegenseitig Tipps", so Ruppert. "Es ist dieser Geist einer gemeinsamen Willkommenskultur, der dann vor Ort den Unterschied machen kann."
Das Projekt soll zukünftig mit neuen IHK-Regionen und erweiterten Berufsgruppen fortgeführt werden.
Der Projekterfolg in Zahlen
Beteiligte Projektpartner in der ersten Projektlaufzeit
|