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Einstiegsqualifizierung: "Eine Chance für alle Beteiligten"

Wie Jugendliche und Arbeitgeber von dem Praktikums-Modell profitieren
Marius Schilinski steht im Lager der Hansenlogistic

Nach seiner sechsmonatigen Einstiegsqualifizierung bei Hansenlogistic in Hamburg startet Marius Schilinski dort eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik

© Mike Schäfer

Fachkräfte werden weiterhin dringend gesucht – und die Einstiegsqualifizierung (EQ) ist eine wichtige Antwort der deutschen Wirtschaft auf diese Herausforderung. EQs eröffnen jungen Menschen mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven – bedingt etwa durch schlechte Schulabschlüsse, psychische Erkrankungen oder Sprachbarrieren – eine echte Perspektive. Gleichzeitig bietet sie Unternehmen Gelegenheit, unverhoffte Talente frühzeitig kennenzulernen und zu fördern.

Wie funktioniert so eine Einstiegsqualifizierung ? Bei diesem Instrument handelt es sich um eine vier- bis zwölfmonatige bezahlte und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, die auf den Einstieg in eine Berufsausbildung vorbereitet, vorzugsweise im jeweiligen Unternehmen. "Ein längeres Praktikum mit einem hohen Praxisanteil, in dem sich junge Menschen in ihrem Wunschberuf ausprobieren können", erläutert Ulrike Schmidt, Bildungsbegleiterin im Verein Ausbildungsförderung der Hamburger Wirtschaft (AFHW e.V.). Dies ermögliche den Jugendlichen eine klare berufliche Orientierung – gleichzeitig hätten Arbeitgeber Zeit, potenzielle Auszubildende besser kennenzulernen, bevor sie sich für eine Anstellung entscheiden. Der Clou : Wenn sich eine Ausbildung in dem entsprechenden Beruf anschließt, kann das in der EQ erworbene Wissen und Können bereits angerechnet und die Ausbildung entsprechend verkürzt werden.

Schmidt betreut seit sechs Jahren junge Menschen auf ihrem Weg in die Berufsausbildung. „Wir möchten Unternehmen ermutigen, Menschen, die es auf dem Arbeitsmarkt oft schwer haben, eine reale Chance zu bieten“, erklärt sie. Dafür arbeitet der AFHW eng mit der Handelskammer Hamburg zusammen. Er unterstützt Jugendliche dabei, über EQs wertvolle Berufserfahrung zu sammeln und so ihre Zukunft zu gestalten. Im Jahr 2024 hat Ulrike Schmidt mit ihrem Team bislang rund 200 EQ-Teilnehmende beraten und begleitet.

Drei EQ-Varianten für gezielte Förderung

Neben der regulären EQ gibt es in Hamburg seit 2017 die "EQ-Migrant :innen" (EQ-M) – eine eigene Variante für junge geflüchtete Menschen mit Sprachförderbedarf. Die EQ-M verbindet drei Tage Betriebspraxis pro Woche mit zwei Tagen gezielter Sprachförderung an der Berufsschule. Eine weitere Version, "EQ-Kompetenz" (EQ-K), richtet sich an Jugendliche mit größeren Vermittlungshemmnissen wie Schulabbrüchen, Fehlzeiten, psychischen Belastungen oder anderen Herausforderungen. Diese Kandidaten erhalten bereits vor dem Beginn des Praktikums intensive Betreuung durch persönliches Mentoring und Workshops zu Bewerbungstraining, Verhalten im Betrieb sowie Zeit- und Stressmanagement. Schmidt sagt dazu : "Das ist eine gezielte Vorbereitung auf die EQ und hilft den Jugendlichen, sich besser im Arbeitsleben zurechtzufinden."

Das Ziel jeder EQ ist der direkte Übergang in eine duale Berufsausbildung. Doch auch wenn das nicht funktioniert, war der Einsatz nicht umsonst : Nach Abschluss der Maßnahme erhalten die Jugendlichen ein betriebliches Zeugnis sowie ein Zertifikat der jeweiligen Kammer, das ihnen bei späteren Bewerbungen hilft. Und während der EQ gibt es natürlich eine monatliche Vergütung, die dem Arbeitgeber in Höhe von aktuell bis zu 276 Euro von der Agentur für Arbeit erstattet wird – zuzüglich des pauschalierten Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

Das Modell ist schon deshalb förderungswürdig, weil eine EQ junge Menschen, im Gegensatz zu vielen anderen berufsvorbereitenden Maßnahmen, besonders gut auf die betriebliche Praxis und einen konkreten Ausbildungsplatz vorbereitet.

Vorzüge für Unternehmen

Sibylle Hansen, Personalverantwortliche bei der Speditionsfirma Hansenlogistic in Hamburg, hat bereits mehrere EQ-Teilnehmer in ihrem Unternehmen beschäftigt. "Ein Mitarbeiter, der vor Jahren durch eine EQ bei uns startete, ist inzwischen fest bei uns angestellt und seit zehn Jahren im Team", erzählt sie. Letztes Jahr vermittelte ihr der Verein AFHW den EQ-Kandidaten Marius Schilinski, der sich in der EQ so gut entwickelte, dass er nun eine Ausbildung im Betrieb absolviert. "Ein dritter EQ-Kollege ist seit knapp zwei Monaten bei uns und gliedert sich immer mehr ein. Es ist schön, das zu beobachten."

Hansen schätzt vor allem die Chance des gegenseitigen Kennenlernens. "Für einen Azubientscheidet man sich meist nach ein oder zwei Vorstellungsgesprächen. Stellt sich dann heraus, dass es nicht passt, ist das frustrierend. Die EQ gibt uns und den Jugendlichen die Zeit, einander kennenzulernen und herauszufinden, ob es passt."

Für Hansen stelle die EQ eine "tolle Option" dar, und sie plane, weiterhin EQ-Teilnehmer zu beschäftigen. Besonders hilfreich sei die Unterstützung durch den Verein gewesen : "Anfangs war ich überfordert mit den Formalitäten, aber die Ansprechpartner vom AFHW haben mir großartig geholfen."

Den richtigen Weg finden

Zum Glück auch für Marius Schilinski, der nach seiner sechsmonatigen EQ bei Hansen­logistic dort eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik startet. "Vor der EQ hatte ich große Schwierigkeiten, eine Lehrstelle zu finden", erinnert er sich. Die Einstiegsqualifizierung habe ihm die Chance geboten, sich beruflich zu orientieren und praktische Erfahrungen zu sammeln.

Die Anfangszeit empfand er als herausfordernd : "Es war alles neu und das Arbeiten ungewohnt. Doch dank der Unterstützung meiner Kollegen fand ich schnell in den Ablauf." Ein besonderer Moment für Schilinski war der, als er erste Aufgaben eigenständig übernahm : "Zum Beispiel durfte ich allein die Warenannahme abwickeln. Das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, war ein echtes Erfolgserlebnis."

Nach kurzer Zeit war ihm klar, dass er bleiben wollte : "Ich wurde oft gelobt und habe mich gut ins Team integriert. Die EQ hat mir geholfen, den richtigen Weg zu finden." Schilinski empfiehlt die EQ besonders Jugendlichen, die beruflich noch unsicher sind : "Man bekommt Berufs­erfahrung und Gehalt, und man erkennt, ob der Beruf zu einem passt."

Die Perspektiven von Unternehmerin und Teilnehmer zeigen den hohen Wert der EQ für beide Seiten. "Es geht nicht nur um Ausbildung, sondern auch um persönliche Entwicklung", fasst Bildungsbegleiterin Schmidt zusammen. "Wir schaffen Chancen für eine langfristige berufliche Perspektive und eröffnen Jugendlichen wie Unternehmen neue Möglichkeiten."

Kontakt

Mann steht vor Gemälde und hat die Arme verschränkt.
Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION

Der Verein AFHW …

… wird getragen von der Handelskammer Hamburg, der Handwerkskammer Hamburg und der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e.V. (UV Nord). Er unterstützt seit 2005 Jugendliche und Unternehmen in Hamburg bei der Ausbildungsvorbereitung.

IHK-Bildungsmagazin "Position"

Das IHK-Bildungsmagazin erscheint jeweils zum Quartalsanfang und bietet vor allem Ausbildern, Personalverantwortlichen und Prüfern Tipps, Ideen und Tools zur Fachkräftesicherung, Best Practices und bildungspolitische Vorschläge. Unter www.ihk-position.de begleiten Hintergründe, Bilderstrecken und Videos online das Printprodukt.