Der Name ist sperrig, der Inhalt erfreulich: Das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG), das der Deutsche Bundestag im Sommer 2024 verabschiedet hat, kann einen Betrag leisten, Prozesse in der beruflichen Ausbildung zu vereinfachen und den Fachkräftemangel zu lindern.
Berufliche Bildung: Was Digitalisierung und Validierung in der Praxis bringen
Die wichtigsten Neuregelungen aus dem BVaDiG im ÜberblickMit dem BVaDiG halten zwei Themen Einzug ins Berufsbildungsgesetz (BBiG), die für die Zukunft und Attraktivität der Beruflichen Bildung von großer Bedeutung sind: Zum einen ist seit August 2024 der konsequente Einsatz von digitalen Dokumenten und medienbruchfreien digitalen (Verwaltungs-) Prozessen in der Beruflichen Bildung möglich, zum anderen wird 2025 das Feststellungsverfahren der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit eingeführt ("Validierung").
Die DIHK hatte zum Referentenentwurf des BVaDiG im Dezember 2023 ausführlich Stellung bezogen:
DIHK-Stellungnahme Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (PDF, 281 KB)
Was genau ändert sich nun mit dem neuen Gesetz für die Betriebe?
Folgende Änderungen gelten seit dem 1. August 2024:
Damit ein vollständig medienbruchfreier digitaler Prozess möglich wird, muss die Abfassung eines Ausbildungsvertrages künftig nicht mehr die Unterschriften der Vertragsparteien enthalten. Vielmehr genügt es, wenn der Ausbildungsbetrieb den Auszubildenden (und gegebenenfalls ihrer gesetzlichen Vertretung) die elektronische Vertragsabfassung übermittelt und diese den Empfang bestätigen.
Die elektronische Vertragsabfassung muss so beschaffen sein, dass sie gespeichert und ausgedruckt werden kann. Der Empfangsnachweis lässt sich am einfachsten dadurch erreichen, dass der Betrieb die Auszubildenden bittet, den Erhalt des Vertrages elektronisch zu bestätigen, etwa durch eine separate Nachricht oder ein Bearbeitungsfeld im Dokument selbst. Unterschreiben die Auszubildenden den Vertrag handschriftlich, gilt dies zugleich als Empfangsnachweis.
Auch digitale Zeugnisse sind nun gesetzlich erlaubt: Mit Einwilligung der Azubis können Ausbildende das Zeugnis künftig in elektronischer Form erteilen. Dabei muss der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a BGB).
Die Eintragung elektronischer Kontaktdaten in das Ausbildungsverzeichnis wird zur Pflicht. Dies soll den zuständigen Stellen eine moderne Kommunikation mit den Azubis beziehungsweise deren gesetzlichen Vertretern und Vertreterinnen, Ausbildenden und dem Ausbildungspersonal ermöglichen. Im BBiG ist nun festgelegt, dass die Industrie- und Handelskammern künftig die elektronischen Kontaktdaten der Beteiligten erfassen und so rechtssicher auch digital mit ihnen kommunizieren können. Liegt keine Mailadresse vor, ist ersatzweise die Angabe einer Telefonnummer möglich.
Dank der Anpassung aus dem BVaDiG sieht das BBiG nun ausdrücklich die Möglichkeit des digitalen mobilen Ausbildens vor. Das bedeutet, dass die Vermittlung von Ausbildungsinhalten auch ohne gleichzeitige physische Anwesenheit von Azubi und Ausbilder an einem Ort stattfinden kann. Allerdings ist das mobile Ausbilden nicht uneingeschränkt erlaubt, sondern nur in "angemessenem Umfang". Der Gesetzgeber hat sich dabei bewusst gegen eine konkrete Festlegung des Umfangs entschieden. Maßstab ist die Qualität, in der die vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte vermittelt werden. Den angemessenen Umfang des mobilen Ausbildens gilt es dann jeweils für den konkreten Einzelfall zu beurteilen. Dabei gelten dieselben Kriterien wie in der Präsenzausbildung.
Die Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 20. Juni 2023 zum planmäßigen "Mobilen Ausbilden und Lernen" finden Sie unter www.bibb.de.
Die DIHK hat zum Thema "Mobiles Ausbilden" auch ein Impulspapier erarbeitet. Hier gibt es die aktuelle Fassung von Oktober 2024:
DIHK-Impulspapier Mobiles Ausbilden (PDF, 431 KB)
Künftig sollen sich Prüfende rechtsicher virtuell zu (mündlichen) Prüfungen zuschalten können. Auch außerhalb der Abnahme von Prüfungen wird die Nutzung elektronischer Kommunikation – insbesondere bei der Beschlussfassung durch den Prüfungsausschuss – ermöglicht. Dies soll die Flexibilität des Ehrenamtes weiter steigern und gleichzeitig Zeit und Kosten der Anfahrt sowie die damit zusammenhängende Entschädigung und Freistellung von der Arbeit minimieren.
Ausbildungsbetriebe müssen ihre Auszubildenden für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freistellen. Dabei wurde bislang die Berufsschulunterrichtszeit einschließlich der Pausen auf die Ausbildungszeit angerechnet. Zusätzlich werden nun die Wegezeiten zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte angerechnet – ausgeklammert bleibt jedoch der Weg von und hin zur eigenen Wohnung.
Gleiches gilt für Teilnahme an Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher oder vertraglicher Bestimmungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind. Auch hier ist der Ausbildungsbetrieb verpflichtet, die Azubis freizustellen. Bislang galt das nur für die Zeit der Teilnahme einschließlich der Pausen, künftig wird auch hier zusätzlich die notwendige Wegezeit zwischen Teilnahmeort und Ausbildungsstätte angerechnet.
Ein Ausweis der berufsschulischen Leistungsfeststellungen auf dem von der IHK ausgestellten Abschlusszeugnis erfolgte bislang nur auf ausdrücklichen Antrag der Auszubildenden. Künftig ist die IHK zur Angabe der Berufsschulnote auf dem IHK-Abschlusszeugnis verpflichtet, sofern das entsprechende Bundesland die automatische Übermittlung der Berufsschulnoten an die zuständigen Stellen unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben landesrechtlich (etwa in den Schulgesetzen der Länder) geregelt hat. In diesem Fall sind die Berufsschulen nach Landesrecht zur Übermittlung und die IHKs zum Ausweis der Noten verpflichtet.
Solange eine Übermittlung landesrechtlich nicht geregelt ist, können Azubis weiterhin eine Ausweisung der Note beantragen.
Zum 1. Januar 2025 treten die Regelungen zur "Validierung" in Kraft:
Nach § 50b Absatz 1 des BBiG sind künftig die Industrie- und Handelskammern (IHKs) für die Organisation und Durchführung von beruflichen Feststellungsverfahren ("Validierung") in Berufen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen zuständig.
Im Zuge einer solchen Validierung können Menschen, die über langjähriger Berufserfahrung, nicht aber über einen verbrieften Abschluss verfügen, ihre in der Praxis erworbenen Kompetenzen mit den Anforderungen des geltenden Berufsbildungssystems vergleichen und bewerten lassen.
Ab 2025 haben sie einen Anspruch auf ein solches Feststellungsverfahren bei der IHK. Damit sollen auch flächendeckend und bundesweit Standards und damit eine Vergleichbarkeit der Validierungen in diesen Berufen erreicht werden.
Wenn auf diesem Wege berufliche Handlungsfähigkeit dokumentiert wird, die unabhängig von einer formalen Berufsausbildung erworben wurde, aber einer Berufsausbildung vergleichbar ist, hilft das auch den Betrieben: Sie können dann das Wissen und Können von Menschen ohne Berufsabschluss besser einschätzen und diese entsprechend ihrer Fähigkeiten im Arbeitsleben einsetzen. Gleichzeitig hilft die Validierung dabei, den Weiterbildungsbedarf von angelernten Beschäftigen zu erkennen und sie passgenau weiter zu qualifizieren. Für Betriebe kann sie somit zu einem weiteren wichtigen Baustein in einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung und Mitarbeiterbindung werden.