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"Manche Teilnehmende erfinden sich völlig neu"

Projektleiterin Antje Baier zum Nutzen von Teilqualifikationen
Porträtfoto Antje Baier

Antje Baier

© DIHK / Jens Schicke

Warum es sinnvoll sein kann, sich "in Häppchen" auszuprobieren:
Antje Baier, Projektleiterin von "Chancen nutzen! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss", erläutert im Interview den Beitrag, den "TQs" zur Fachkräftesicherung leisten.

Frau Baier, wozu sind Teilqualifikationen gut?

Antje Baier: Wir machen das, um den Betrieben weitere Wege der Fachkräftegewinnung zu eröffnen – entweder, indem sie mehr einschlägig qualifizierte Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit finden, oder indem sie ihre eigenen Beschäftigten transformationsfit machen. Wir sprechen hier von einer riesigen Zielgruppe: Im Jahr 2022 waren laut Bundesinstitut für Berufsbildung 2,1 Millionen der 25- bis 34-Jährigen hierzulande ohne Berufsabschluss. Bei den Geringqualifizierten bis zum Rentenalter erreichen die Schätzungen hohe zweistellige Millionenwerte.

Können Angelernte, die mehr aus sich machen möchten, nicht einfach in eine Ausbildung eintreten und ihren Berufsabschluss nachholen?

Baier: Viele dieser Menschen sind im Berufsalltag sehr kompetent, haben aber Berührungsängste mit Theorie und Prüfungen. Für sie bietet die Teilqualifikation einen super Einstieg – die Teilnahme ist niedrigschwellig, und TQs bieten quasi "in Häppchen" die Möglichkeit, sich auszuprobieren. Das wird gut angenommen: Es gibt Unternehmen, die tatsächlich Wartelisten führen für Teilqualifikationen. In dem Beispiel, an das ich denke, hält der Betrieb jährlich sieben bis acht Plätze bereit, auf denen sich angelernte Beschäftigte zum Maschinen- und Anlagenführer qualifizieren können. Und es gibt schöne Geschichten von Menschen, die sich über TQs völlig neu erfinden.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Baier: Sehr beeindruckend finde ich etwa den Fall eines Kochs, der per Teilqualifizierung zum Industrieelektriker wurde. Absolut großartig ist auch das Beispiel von Luis Grömping, der über TQs bei der IHK Köln seinen Maschinen- und Anlagenführer abgeschlossen hat – als Landesbester auch neben allen "regulären" Azubis. 

TQs erreichen also Menschen, die sich auf den klassischen Weg zur formalen Berufsausbildung nicht mehr einlassen wollen oder können?

Baier: Genau. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Instrument so enorm flexibel ist – Teilqualifikationen lassen sich in Teilzeit absolvieren, können gemeinsam mit dem Unternehmen aufgesetzt werden und erlauben Pausen zwischen den einzelnen TQs. Und nicht zuletzt können sie auch in Krisensituationen ein gutes Instrument sein: Wird beispielsweise ein Standort aufgegeben, können Beschäftigte in ein anderes Unternehmen "hineinqualifiziert" und so in Beschäftigung gehalten werden. Denn die Bundesagentur für Arbeit unterstützt die Teilqualifizierung ausgesprochen gut mit Fördergeldern.

Welche Teilqualifikationen sind Ihrer Erfahrung nach am beliebtesten?

Baier: Die meisten Kompetenzfeststellungen führen die IHKs für die Teilqualifikationen Maschinen- und Anlagenführer, Berufskraftfahrer und im Bereich Lager durch – dicht gefolgt von den Kaufleuten für Büromanagement. Die Anzahl der Kompetenzfeststellungen sagt aber nichts über die Berufsabschlüsse aus. Bei einigen Teilqualifikationen sind die Teilnehmenden mit den erlernten Kompetenzen bereits nach TQ 1 oder TQ 2 für Unternehmen als Arbeitskräfte interessant und werden dann direkt eingestellt oder setzen die Qualifizierung nicht fort. Wir freuen uns für diese Menschen, setzen uns aber immer für die Möglichkeit ein, den Berufsabschluss nachzuholen.

Sehen Sie denn entsprechende Entwicklungen?

Baier: Auf jeden Fall! Immer mehr IHKs engagieren sich für das Thema. Nicht nur, dass die Zahl der Kompetenzfeststellungen steigt, Teilqualifikationen gibt es zunehmend auch für komplexere Berufe. Die Nachfrage steigt beispielsweise für den kaufmännischen Bereich und für die Produktion stark an. Ursprünglich zielten TQs vor allem auf zweijährige Berufe, inzwischen sind auch viele dreijährige dabei, etwa der Fachinformatiker.

Einige TQ-Zahlen aus den IHKs
Die IHKs führten 2023 mehr als 2.000 Kompetenzfeststellungen
durch.
450 der Kompetenzfeststellungen erfolgten digital.
Bereits 76 der deutschlandweit 79 IHKs unterstützen Teilqualifikationen.

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Antje Baier Projektleiterin Chancen Nutzen! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss

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Mann steht vor Gemälde und hat die Arme verschränkt.
Thilo Kunze Referatsleiter Infocenter, Chefredakteur POSITION
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