Wie die Einwanderung von Fachkräften gelingen kann, die in IHK-Berufen qualifiziert sind, erprobt das Projekt "Hand in Hand for International Talents" (HiH). Dafür bringt es qualifizierte Bewerbende aus Drittstaaten mit deutschen Unternehmen zusammen. Ganz praktische Einblicke in die Perspektive indischer Interessierter erhält das Projekt-Team in Berlin jetzt aus erster Hand auch von seiner neuen Werkstudentin Aishwarya Ketkar. Eine zentrale Erkenntnis: Die deutsche Sprache ist ein Knackpunkt.
"Da reicht Englisch oft nicht aus"
Warum der Faktor Sprache für indische Fachkräfte in Deutschland essenziell istParallel zu ihrem Studium der Interkulturellen Kommunikation und Europastudien arbeitet Ketkar seit August 2024 fest mit in dem Fachkräfteprojekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und von der DIHK Service GmbH in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt wird.
Migrationsabkommen für mehr Fachkräfte aus Indien
Die neue HiH-Werkstudentin wollte eigentlich schon immer nach Deutschland. In Mumbai lernte Aishwarya Ketkar als Jugendliche Deutsch, sie unterrichtete die Sprache an einer Grundschule und arbeitete bei der deutschen Auslandshandelskammer vor Ort. Heute ist sie eine von rund 50.000 jungen Inderinnen und Indern, die zum Studieren nach Deutschland gekommen sind und bleiben möchten. "So wie ich gehen sehr, sehr viele junge Menschen ins Ausland zum Studieren und Arbeiten, weil es nicht genügend Jobs in Indien gibt und die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist", berichtet Ketkar.
Auch daher hat die Bundesregierung bereits im Jahr 2022 ein Migrationsabkommen mit der indischen Regierung unterzeichnet. Damit Arbeitskräfte leichter nach Deutschland kommen können. In den nächsten Jahren soll die Zusammenarbeit noch verstärkt werden. Schließlich fehlen hierzulande bis zum Jahr 2035 schätzungsweise sieben Millionen Fachkräfte.
Doch wollen denn die indischen Fachleute auch nach Deutschland kommen? Ja – mit Einschränkungen, sagt Ketkar. "Das Land gewinnt viel an Beliebtheit, weil man in den Nachrichten mitbekommt, dass Deutschland internationale Talente sucht und es beschleunigte Verfahren gibt. Aber die meisten gucken eher Richtung USA oder Großbritannien. Also Länder, in denen Englisch gesprochen wird."
Keine (Studenten-)Jobs ohne Deutschkenntnisse
Dass es ohne Deutsch in Deutschland schwer ist, weiß sie aus eigener Erfahrung. "Die Sprache ist ultrawichtig. Besonders beim Ankommen. Die Unterlagen und die Briefe von der Ausländerbehörde sind alle auf Deutsch. Und selbst im Supermarkt muss man das Mindeste an Sprache können, damit man Salz nicht mit Zucker verwechselt. Wenn man die Sprache nicht kann, ist man erst mal entmutigt."
Dieses Problem betrifft laut Ketkar auch zahlreiche indische Studierende: "Viele fangen ein englischsprachiges Studium in Deutschland an, finden dann aber keine Studentenjobs, weil sie kein Deutsch sprechen. Oft nicht mal in der IT."
Informationen, die für "Hand in Hand for International Talents" von großem Interesse sind. Indien sei eines der Fokusländer des Projekts, erklärt HiH-Projektleiterin Anine Linder. Doch nicht alle indischen Abschlüsse würden in Deutschland anerkannt. "Daher konzentrieren wir uns im Projekt auf bestimmte IHK-Berufsgruppen", so Linder. "Mittlerweile bietet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in seiner neuesten Version aber auch die Möglichkeit der Einwanderung ohne Anerkennung, wenn die Fachkraft bereits über Berufserfahrung verfügt."
Auch Linder und ihr Team nehmen wahr, dass der Faktor Sprache essenziell ist: "Das hören wir immer wieder von Unternehmen in unseren Projektregionen. Besonders in Berufen, wo Sicherheit an erster Stelle steht, müssen die Fachkräfte oft schon sehr gutes Deutsch sprechen. Elektriker zum Beispiel. Oder im Service, wenn man mit Menschen zu tun hat. Da reicht Englisch oft nicht aus."
Dennoch sei das Interesse bei indischen Fachleuten groß, über das HiH-Projekt in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. "Schließlich bieten wir ihnen kostenlose Deutschkurse bis zum Niveau B1, um sie auf ihr Leben in Deutschland vorzubereiten."
Deutschland punktet mit Sozialsystem und Arbeitssicherheit
Auch nach Einschätzung von Aishwarya Ketkar kommt Deutschland in der Beliebtheits-Rangliste junger Inderinnen und Inder direkt nach den englischsprachigen Ländern. Das liege vor allem am deutschen Sozialsystem und der Arbeitssicherheit. "Und an der Work-Life-Balance wie zum Beispiel dem Anspruch auf Urlaub." Auch dass Deutschland Teil der EU sei und man damit unbürokratisch in 27 Länder reisen könne, sei ein Pluspunkt.
Und was gefällt Aishwarya Ketkar hier besonders? "Es wird an alles gedacht, das mag ich an Deutschland. Ich finde es zum Beispiel toll, dass man hier als Studierende Zugang zu so vielem hat: zur Bibliothek, zu Hilfestellungen wie etwa Schreibwerkstätten, zum Semesterticket – und dass Deutschland es erlaubt, dass Studierende hier arbeiten dürfen."
Letzteres finden auch ihre Teamkolleginnen und -kollegen toll. "Aishwaryas Expertise und Unterstützung im Projektalltag sind sehr wertvoll, aber vor allem schätzen wir sie auch menschlich als Kollegin sehr", lobt Projektleiterin Linder.