Drei Fragen an ... Sibylle Thierer
Frau Thierer, als deutsche Vizepräsidentin von Eurochambres werden Sie auch die Gelegenheit zu direkten Gesprächen mit Vertretern der EU-Kommission und des EU-Parlaments haben. Welche Botschaften möchten Sie hier platzieren?
Als Unternehmerin möchte ich vor allem die Unternehmensperspektive einbringen und für mehr Verständnis für die Unternehmensrealität werben. Denn viele Unternehmer kämpfen mit unterbrochenen Lieferketten und den hohen Energiepreisen zusätzlich zu bekannten Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel oder bürokratischen Auflagen.
Die Politik muss die Rahmenbedingungen fürs Wirtschaften verbessern, gerade in der Krise und gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das heißt konkret: Neue Gesetzesvorhaben müssen auf ihre KMU-Tauglichkeit geprüft und bei zu großer Belastung angepasst oder notfalls auch verschoben werden.
Meine Devise war immer "Stillstand ist Rückschritt". Wir können uns keinen Stillstand leisten, sondern brauchen Impulse, die die Wettbewerbsfähigkeit in Europa fördern. Dazu gehören gemeinsame Maßnahmen zum Umgang mit den hohen Energiepreisen, eine Förderung der betrieblichen Ausbildung, eine proaktive EU-Handelspolitik und dass wir die Chancen des EU-Binnenmarktes voll ausschöpfen.
Warum ist Eurochambres für die IHK-Organisation so wichtig?
Wir brauchen beides: eine starke Präsenz der IHK-Organisation in Brüssel, die das Gesamtinteresse der deutschen gewerblichen Wirtschaft vor Ort vertritt, und einen europäischen Dachverband, der mit einer Stimme für die Unternehmen in ganz Europa spricht.
Analog zur Frage von Henry Kissinger, wen er anrufen soll, wenn er mit Europa sprechen möchte, brauchen die EU-Institutionen auch einen Ansprechpartner, wenn sie mit der europäischen Wirtschaft sprechen wollen. Dass man für eine gemeinsame Position Kompromisse schließen muss und eine Spur Geduld braucht, ist klar.
Was bedeutet Europa für Sie als Unternehmerin?
In der täglichen Unternehmenspraxis habe ich immer wieder erlebt, dass sich die Teams an unseren verschiedenen Standorten in ihrer Herangehensweise an neue Projekte, Umsetzung und Durchführung unterscheiden. Aber alle setzen sich für dasselbe Ziel eines erfolgreichen Unternehmens ein. Genau das ist Europa, und wir haben bereits viel erreicht, wenn man sich den Binnenmarkt und die Ausgestaltung des europäischen Wirtschaftsraums anschaut.
Dies nutzen wir in unserem Unternehmen täglich, und selbstverständlich freue ich mich daher darauf, mit Eurochambres daran zu arbeiten, weiterhin gute Rahmenbedingungen für erfolgreiches Wirtschaften zu schaffen. Europa bietet hier für uns Unternehmer ein Meer von Möglichkeiten!
Zur Person
Seit dem 1. Januar 2023 ist Sibylle Thierer deutsche Vizepräsidentin sowie Vorstands- und Präsidiumsmitglied bei Eurochambres, dem europäischen Dachverband der Industrie- und Handelskammern. Die Unternehmerin aus Nagold in Baden-Württemberg ist Vorsitzende des Verwaltungsrates der Häfele Gruppe und war bis 2022 langjährige Geschäftsführerin des weltweit tätigen Familienunternehmen, das 2023 sein 100-jähriges Bestehen feiert. Seit 2007 engagiert sie sich zudem in der Vollversammlung der IHK Nordschwarzwald und ist seit 2017 Vizepräsidentin.