Der Kommissionsentwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz geht weit über das deutsche Pendant hinaus. So sollen bereits Unternehmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz in die Pflicht genommen werden, entlang der Wertschöpfungskette menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu identifizieren – also weit außerhalb des Verantwortungsbereichs im eigenen Betrieb. In einer ganzen Reihe von Branchen gilt dies auch für noch kleinere Unternehmen.
DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier warnt vor einer Überlastung und Überforderung der Betriebe: "Für deutsche Unternehmen ist die Achtung der Menschenrechte ein wichtiges Anliegen", stellt er klar. "Der Richtlinienentwurf überschätzt aber den unternehmerischen Einfluss und setzt Lieferketten weiter enorm unter Druck."
Zusätzliche Hürden bei der Bewältigung von Lieferausfällen
Der Vorschlag der Kommission muss vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat gemeinsam angenommen werden, bevor er EU-Gesetz wird. Vor dem Hintergrund der stark veränderten Rahmenbedingungen und der Belastungen von historischem Ausmaß sollten die Pläne der EU nach Auffassung des DIHK-Außenwirtschaftschefs einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden.
Denn die geplanten Pflichten brächten Firmen in ein Dilemma, so Treier: "Um Verträge trotz Krieg und Pandemie einhalten zu können, müssen Unternehmen aktuell ihre Lieferketten weiter diversifizieren und Lieferausfälle in einzelnen Ländern durch den Aufbau von Geschäftsbeziehungen in möglichst vielen anderen Ländern kompensieren. Der geplante Katalog von 22 Menschenrechtskonventionen und 7 Umweltkonventionen erschwert es jedoch in vielen Ländern, sich rechtssicher und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu engagieren." Ein Rückzug, gerade aus Entwicklungs- und Schwellenländern, sei aber "weder im Sinne der Unternehmen noch des Gesetzgebers".
Leitlinien für Entlastung
Vor diesem Hintergrund fordert der DIHK eine Richtlinie, die dem Think-Small-First-Prinzip der EU gerecht wird, und schlägt folgende Leitlinien vor, die insbesondere den Mittelstand entlasten würden:
- Den unternehmerischen Einfluss nicht überschätzen
Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten sollten sich auf den eigenen Geschäftsbereich sowie auf direkte Zulieferer beschränken und dabei auf die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen fokussieren, die auch tatsächlich den unternehmerischen Kontrollmöglichkeiten unterliegen. - Den Mittelstand stärker in den Fokus der geplanten EU-Richtlinie rücken
Analog zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sollten nur Unternehmen ab 1.000 beziehungsweise 3.000 Beschäftigten erfasst werden. Unmittelbar – und damit nachrangig auch mittelbar – betroffene Unternehmen sollten sich lediglich auf schwerwiegende Risiken innerhalb des eigenen Sektors konzentrieren müssen. - Rechtssicherheit schaffen, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden
Unklare Formulierungen und unbestimmte Rechtsbegriffe verursachen bei den Unternehmen erhebliche Rechtsunsicherheit und erschweren eine einheitliche Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Insbesondere aber der vorgesehene weite Gestaltungsspielraum für die nationalen Kontrollbehörden lässt Zweifel an EU-weit harmonisierten Rahmenbedingungen aufkommen. Unternehmen können nur für ihre eigenen Aktivitäten in der Lieferkette haften, nicht aber für die ihrer Geschäftspartner oder ihrer Lieferanten. Angesichts der rechtlichen Unklarheit der unternehmerischen Pflichtenstellungen muss von einer zivilrechtlichen Haftung abgesehen werden.
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Details finden Sie auch in der
DIHK-Stellungnahme zum EU-Lieferkettengesetz (PDF, 257 KB)