Im Interview spricht die Vorsitzende des DIHK-Bildungsausschusses Swaantje Creusen darüber, welche Rolle die Aus- und Weiterbildung bei der Fachkräftesicherung spielt und was sie sich von der europäischen Politik wünscht.
"Führungskräfte spielen eine erhebliche Rolle bei der Kompetenzentwicklung"
Interview mit der DIHK-Bildungsausschussvorsitzenden Swaantje CreusenFrau Creusen, die BayWa r.e. AG, für die Sie als Global Head of Organizational Development tätig sind, konzentriert sich auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Wie sehr spüren Sie den Fachkräftemangel in Ihrer Branche?
Swaantje Creusen: Hinter dem Bau und Betrieb eines Solar- und Windparks stecken hochsensible Prozesse, für die wir Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Projektleiterinnen und Projektleiter mit großem Know-how brauchen. Sind diese auf dem Markt nicht zu haben, gerät der gesamte Prozess ins Stocken. Wir sind sehr erfolgreich, aber wir brauchen Fachleute, um den Wandel des Energiesystems weiter voranzutreiben. Der Mangel an Personal mit entsprechendem Fachwissen ist so groß, dass es allgemein schon jetzt in der Branche schwierig ist, bestimmte Projektvolumina zu bearbeiten. Dort, wo es um innovative Entwicklungen wie beispielsweise Energiespeichersysteme geht, ist die Lage noch herausfordernder. Auch passende Nachwuchskräfte zu finden, gestaltet sich zunehmend schwieriger.
Würde eine vereinfachte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland die Situation entschärfen?
Die bürokratischen Hürden sind definitiv hoch und die Vorschriften hinsichtlich Sozialversicherung, Steuern, rechtlichen Aspekten et cetera sehr komplex. Selbst die Einstellung von Fachkräften aus dem europäischen Ausland ist für Unternehmen mit einem enormen Aufwand verbunden. Mein Wunsch an die europäische Politik wäre, diesen Aufwand zu verringern und das Verfahren zu vereinfachen.
Und welche Rolle spielt die Kompetenzförderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fachkräftesicherung?
Natürlich kann man Fachkräfte mit dem Wissen ausstatten, das ihnen noch fehlt, und Qualifizierungslücken mit Hilfe entsprechender Weiterbildungen schließen. Für Unternehmen ist es unerlässlich, dass sie interne wie auch externe Weiterbildungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten, denn am Ende lohnt sich die Investition von Zeit und Geld für beide Seiten.
Wer ist Ihrer Erfahrung nach leichter zu motivieren, wenn es um die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen geht – erfahrene oder jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Junge Menschen haben eine hohe Motivation durch die erst junge Karriere, natürlich auch in Hinblick auf eine Gehaltsentwicklung. Für langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen finanzielle Aspekte eher eine untergeordnete Rolle, hier braucht es andere Motivatoren und Herangehensweisen.
Inwiefern?
Für erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte bieten Konzepte wie "Peer Learning", Mentoring oder "Network Learning", die das Mit- und Voneinander-Lernen in den Vordergrund stellen, häufig interessantere Ansätze als eine weitere Schulung oder ein weiterer Lehrgang. Allerdings lassen sich die Kenntnisse, die hierbei erworben werden, schwer nachweisen. Da bräuchte es ein anerkanntes Qualifizierungssystem.
Welche Rolle spielen Führungskräfte beim Thema Kompetenzentwicklung?
Eine erhebliche! Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu zu motivieren, sich weiterzuentwickeln, braucht es inspirierende Führungskräfte, die diese Bereitschaft zum Lernen ebenfalls mitbringen. Nur wer selbst immer wieder seinen Status quo überprüft, kann das auch von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten. Bisher war es oft so, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem meisten Fachwissen und der höchsten Leistungsbereitschaft zur Führungskraft befördert wurden. Das sind aber nicht zwangsweise die inspirierendsten Leader. Deshalb plädiere ich dafür, auch Führungskräfte weiter zu qualifizieren – denn damit werden Unternehmen für die so dringend benötigten Fachkräfte attraktiv.