Bereits vor der Corona-Krise, die in allen Ländern die öffentlichen Haushalte belastete, war der österreichische Staat nach den Maßgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu hoch verschuldet, wenngleich auf einem Konsolidierungspfad. Nachdem das Land in den Jahren 2017-2019 seinen Schuldenstand von 78 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 70 Prozent zurückgefahren hatte – das Defizit lag jeweils unter einem Prozent – brachten ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 7,7 Prozent (2020) und eine Neuverschuldung im gleichen Jahr um 10 Prozent die Umkehr. In der Folge stiegen die öffentlichen Schulden auf 87 Prozent (2021) und damit deutlich stärker als in Deutschland. Ab diesem Zeitpunkt beträgt das Haushaltsdefizit um die vier Prozent jährlich.
EU plante bereits Defizitverfahren
Beide Fiskalindikatoren sind zu hoch und verletzen die EU-Schuldenregeln. Das europäische Regelwerk schreibt vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit, also die - vor allem durch Kredite - zu deckende Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gehalten werden. Im Jahr 2024 stieg das österreichische Defizit auf 3,9 Prozent und die EU-Kommission wollte ein Defizitverfahren gegen das Land eröffnen. Die amtierende Regierung bekam eine Nachfrist eingeräumt, konnte Mitte Januar 2025 aktualisierte Wirtschaftsdaten, unter anderem mit niedrigeren Zinszahlungen und einem Maßnahmenkatalog mit abgesenkten Investitionsprämien und einer niedrigeren Exportförderung vorlegen – und die Verfahrenseröffnung abwenden.
Haushaltslage bleibt angespannt – große Herausforderungen für neue Regierung
Doch die haushaltspolitische Lage in unserem Nachbarland bleibt derzeit angespannt. Die neue Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und den liberalen Neos hat sich auf eine Budgetkonsolidierung über sieben Jahre geeinigt und damit die Möglichkeiten der neuen EU-Schuldenregeln – in zeitlicher Hinsicht – voll ausgeschöpft. Der österreichische Fiskalrat prognostiziert dem Land gleichbleibend hohe Budgetdefizite von um die vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was deutlich über der in der Eurozone zulässigen Obergrenze von 3 Prozent liegt. Die deutliche Verschlechterung des Budgetsaldos im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 wird dabei vorrangig durch den Anstieg der Staatsausgaben, aber auch Mindereinnahmen aufgrund der Rezession und Steuersenkungen, zum Beispiel im Rahmen der Ökosozialen Steuerreform, verursacht. Die hohen Budgetdefizite lassen die Schuldenquote 2024 und 2025 auf 79,7 beziehungsweise 81,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Die Schuldenquote wird voraussichtlich im Jahr 2028 nicht nennenswert unter die des Jahres 2019 (71 Prozent) gesunken sein.
Ausgaben steigen stärker als Einnahmen
Unter anderem die hohe Inflation der letzten Jahre verursachte einen deutlichen Anstieg der Sozialausgaben sowie der Löhne und Gehälter der öffentlich Bediensteten. Denn die kalte Progression wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2023 durch eine automatisierte Anpassung abgeschafft. Seitdem wird den Menschen die jährlich aufgrund der Inflation entstehende steuerliche Mehrbelastung abgegolten. Das gilt auch für die Sozial- und Familienleistungen. Die im Jahr 2025 auszugleichende Inflationsrate beträgt 5,0 Prozent, errechnet als der Durchschnitt der jährlichen Inflationsraten über die Monate Juli 2023 bis Juni 2024.
Die vollständige Budgetwirkung entfaltet sich erst zeitlich verzögert im Jahr 2024 und hält, etwas abgeschwächt, auch 2025 an. Gleichzeitig schwächt sich das inflationsbedingt hohe Einnahmenwachstum, aufgrund des Rückgangs der Inflation ab 2024, deutlich ab. Abseits des zeitlich verzögerten Anstiegs der Staatsausgaben ist das inflationsbedingte Wachstum der Staatsausgaben höher als jenes der Staatseinnahmen. Dies führt zu einer deutlichen und dauerhaften Verschlechterung des Budgetsaldos. Einnahmenausfälle aufgrund der Konjunkturverschlechterung und Ausgabenerhöhungen aufgrund höherer Arbeitslosigkeit und des Hochwasserereignisses 2024, zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen (zum Beispiel Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen) und konjunkturstützende Maßnahmen (Wohnraum- und Bauoffensive), die ohne Gegenfinanzierung verabschiedet wurden, belasten den Staatshaushalt gegenüber dem Vorjahr zusätzlich.
Neubewertung durch EU-Kommission im Frühjahr 2025
Die Abwendung des übermäßigen Defizitverfahrens spart der Republik Österreich auf den Finanzmärkten Geld. So hatte die Rating Agentur Fitch zuletzt den Ausblick für Österreich unter anderem deshalb verschlechtert, weil sie von einem Defizitverfahren ausgegangen war. Zusätzliche Ausgaben für seinen Schuldendienst bleiben dem Land so vorerst erspart, genauso wie noch häufigere Überprüfungen österreichischer Fiskaldaten durch die EU-Kommission oder die EZB. Allerdings wird das Land in den kommenden sieben Jahren, wie nach Brüssel gemeldet, weiter entweder seine Ausgaben senken oder zusätzliche Einnahmen erzielen müssen, um Defizitverfahren dauerhaft zu vermeiden. Im Frühjahr will die Kommission die österreichische Haushaltslage neu bewerten.
Österreich ist auf Ebene der Europäischen Union eigentlich als „fiscal hawk“ bekannt, das heißt es hat sich in der Vergangenheit stets für eine solide Haushaltsführung eingesetzt. Stets hat es in verschiedenen EU-Gremien und -Verhandlungen betont, wie wichtig es ist, die Haushaltsdisziplin zu wahren und die Verschuldung zu begrenzen. Mit einer Verkettung unvorhergesehener Ereignisse – von der Pandemie über den Angriff Russlands auf die Ukraine und gleich mehrere Hochwasserkatastrophen – konnte das Land so aber nicht rechnen. Nun hat es mit einem schleppenden Wachstum bei hohen Staatsausgaben, vor allem für sozialpolitische Maßnahmen in der Vergangenheit, zu kämpfen.
Nichtsdestotrotz ist Österreich ein wirtschaftlich erfolgreicher Mitgliedstaat der EU. Aufgrund seines hohen Wohlstandes zahlt es im Durchschnitt 0,6 Milliarden Euro pro Jahr mehr in den EU-Haushalt ein, als es direkte Rückflüsse aus ihm erhält. Um dieser Vorbildfunktion weiter gerecht werden zu können, ist es nötig, dass unserem Nachbarn eine Trendumkehr gelingt.