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Der haushälterische Blick über die Grenze: Griechenland

Verschuldung weiterhin hoch, aber vorerst keine Sorgen mehr um Schuldentragfähigkeit
Flagge Griechenland

© kosmozoo / DigitalVision Vectors / Getty Images

In den vergangenen Jahren hat Griechenland erhebliche Fortschritte bei der Konsolidierung seiner Staatsfinanzen erzielt. Die Staatsverschuldung, die während der Finanzkrise alarmierende Höhen erreichte, wurde kontinuierlich reduziert.

Dennoch weist Griechenland im 2. Quartal 2024 mit rund 163,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weiterhin die höchste Staatsschuldenquote innerhalb der Europäischen Union auf. Das ist ziemlich genau das Doppelte der durchschnittlichen Verschuldung aller EU-Länder, die zum genannten Zeitpunkt 81,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betrug. In der Corona-Zeit betrug die Staatsschuldenquote Griechenlands, also das Verhältnis der Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Spitze über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung. Für die kommenden Jahre werden dem Land allerdings Werte von unter 150 Prozent vorhergesagt.

Schuldenreduzierung wird aktiv vorangetrieben

Griechenland wurde durch die Finanz- und Schuldenkrise ab dem Jahr 2008 besonders hart getroffen. Allerdings war der griechische Staat bereits davor hoch verschuldet. Im Sommer 2015 drohte ihm sogar der Ausschluss aus der Eurozone. Mit ersten Konsolidierungserfolgen im Rücken, hat die Ratingagentur Standard & Poor‘s die Kreditwürdigkeit Griechenlands im Oktober 2023 erstmals seit über 10 Jahren wieder auf das Niveau „BBB-“ hochgesetzt. Die Zinsen, die Griechenland auf seine Staatsschulden zahlen muss, sind deutlich gesunken. Diese Zinslast von rund fünf Milliarden Euro bei Gesamtausgaben von rund 110 Milliarden Euro (Zinsausgabenquote von 4,5 Prozent; im Vergleich dazu Deutschland 7,3 Prozent in 2024) verschaffen dem Land Luft, seine Haushaltsziele besser zu erreichen und gleichzeitig in wichtige Bereiche wie Infrastruktur und soziale Programme zu investieren. 

Zusätzlich hat Griechenland begonnen, seine Schulden vorzeitig zurückzuzahlen, um die Zinslast weiter zu reduzieren. In den vergangenen vier Jahren hat die Regierung Hilfskredite in Höhe von 24 Milliarden Euro vorzeitig zurückgezahlt und die Staatsschuldenquote um 56 Prozentpunkte gesenkt – schneller als jedes andere EU-Land. Der griechische Finanzminister zahlt für seine Staatsanleihen inzwischen weniger Zinsen als Italien.

Griechische Wirtschaft wächst – und erleichtert finanzielle Gesundung

Um seine Schulden dauerhaft begleichen zu können, müsste Griechenland in den kommenden 40 Jahren ein durchweg hohes Wirtschaftswachstum und Überschüsse im Haushalt erzielen. Nach der Pandemie, in den Jahren 2021 und 2022, ist ihm ein beachtlicher Aufschwung gelungen. Die jährliche Wachstumsrate betrug im Durchschnitt 7 Prozent. 

Griechenlands Wirtschaft zeigt derzeit eine robuste Entwicklung mit positiven Wachstumsaussichten. Für das Jahr 2024 wird in der Abrechnung ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,3 Prozent (Deutschland: -0,2 Prozent) erwartet, was über dem EU-Durchschnitt liegt. Ein wesentlicher Treiber dieses Wachstums ist und bleibt der florierende Tourismussektor, der rund ein Drittel zur Wirtschaftsleistung beiträgt. Im ersten Halbjahr 2024 stiegen sowohl die Zahl der Touristenankünfte als auch die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 15,5 Prozent beziehungsweise 12,2 Prozent. Trotz dieser positiven Entwicklungen hatte auch Griechenland seine Wachstumsprognose aufgrund von Stagnationstendenzen in anderen Eurozonen-Ländern zuletzt gesenkt. Diese Anpassung spiegelt die Auswirkungen einer verlangsamten Investitions- und Exporttätigkeit wider. Steigende Zinsen und dadurch zurückgehende Investitionen konnten aber auch durch die Inanspruchnahme von Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen aus der EU-Fazilität „Aufbau und Resilienz“ ausgeglichen werden.

Die EU-Kommission erwartet, dass Griechenlands Wirtschaft in den kommenden Jahren unterstützt durch fortlaufende europäische Fördermittel weiterhin um mehr als zwei Prozent jährlich wachsen wird. Für 2024 wird in der Endabrechnung ein reales Wachstum von 2,1 Prozent erwartet (EU-Durchschnitt: 0,9 Prozent). Für 2025 prognostiziert die EU-Kommission ein Wachstum 2,3 Prozent, gefolgt von 2,0 Prozent im Jahr 2026. 

Gleichwohl hat die Wirtschaftsleistung trotz der hohen Wachstumsraten der vergangenen vier Jahre nicht einmal nominal das Vorkrisenniveau des Jahres 2008 erreicht. Im Jahr 2024 wird das Bruttoinlandsprodukt zu laufenden Preisen voraussichtlich 232 Milliarden Euro betragen. Im Jahr 2008 waren es knapp 239 Milliarden Euro. Bis die Wirtschaftsleistung inflationsbereinigt wieder das Vorkrisenniveau erreicht, wird es - nach Hochrechnungen der griechischen Zentralbank - noch rund ein Jahrzehnt dauern.

Unerwartet hoher Primärüberschuss

Vor allem dank hoher Steuereinnahmen erwirtschaftete Griechenland in den ersten elf Monaten des Jahres 2024 einen Primärüberschuss (ohne die Ausgaben für den Schuldendienst) von zwölf Milliarden Euro. Das waren zwei Milliarden mehr als geplant. Zu diesem Ergebnis trug auch seine sparsame Haushaltsführung bei: der Staat gab allein in den ersten zehn Monaten 4,8 Milliarden Euro weniger aus als im Etat angesetzt. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet das Athener Finanzministerium Steuereinnahmen von 68 Milliarden Euro statt ursprünglich angesetzter 66,2 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr sollen es 70 Milliarden sein.

Während die EU-Kommission in ihrem jüngsten Herbstgutachten für 2025 noch ein Haushaltsdefizit von 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Aussicht stellt, rechnet die griechische Regierung mit einem ausgeglichenen Budget oder sogar einem kleinen Überschuss.

Einnahmeplus auch durch besseren Steuervollzug

Neben der kräftigen Konjunktur sind die staatlichen Einnahmen auch durch einen effektiveren Steuervollzug gestiegen. Vor allem die Digitalisierung der Finanzverwaltung und der von der Regierung geförderte Trend zu bargeldlosen Transaktionen im Einzelhandel und bei den Dienstleistern zahlen sich aus. Konkret lassen sich diese Erfolge bei der eingenommenen Umsatzsteuer sehen: Von 2017 bis 2021 hat das Land laut EU-Kommission die Mehrwertsteuerlücke von sechs auf 3,2 Milliarden Euro fast halbiert. Als Mehrwertsteuerlücke wird die Differenz zwischen den theoretisch möglichen und den tatsächlich erhobenen Einnahmen bezeichnet. Zwar verliert der Fiskus noch rund 15 Prozent der fälligen Mehrwertsteuern. Aber bis 2026 will die Regierung die Quote auf neun Prozent drücken. Nach Angaben der EU-Kommission lag die Mehrwertsteuerlücke im EU-Durchschnitt 2021 – neuere Daten liegen noch nicht vor – bei 5,3 Prozent.

Erfolgreiche Privatisierungen tragen zur Entschuldung bei

Mit Erlösen von voraussichtlich 5,8 Milliarden Euro könnte 2024 das ertragreichste Jahr seit Beginn des griechischen Privatisierungsprogramms 2011 werden. Allein 3,27 Milliarden Euro wurden im Oktober 2024 für die 25-jährige Konzession zum Betrieb der Athener Stadtautobahn „Attiki Odos“ eingenommen. Die Privatisierungserlöse werden für den Schuldenabbau genutzt. So bestimmen es die Kreditverträge mit den internationalen Geldgebern, die in der Schuldenkrise der 2010er-Jahre abgeschlossen wurden.

Damit wird die Schuldenquote des Landes nach Berechnungen der EU-Kommission im Jahr 2025 auf 146,8 Prozent des BIP zurückgehen. Das wäre der niedrigste Stand seit Beginn der Staatsschuldenkrise im Jahr 2010. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, ergeben sich kaum Zweifel an der griechischen Schuldentragfähigkeit. Dabei ist es hilfreich, dass Griechenland vor allem bei öffentlichen Finanzinstitutionen verschuldet ist, und zwar langfristig und zu günstigen Konditionen. Allerdings wird das Land sein Schuldenberg von zuletzt 370 Milliarden Euro noch lange drücken.

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Dr. Kathrin Andrae Referatsleiterin Öffentliche Finanzen

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Malte Weisshaar Referatsleiter Steuern in der EU | EU-Haushalt | Energiesteuern