Pfadnavigation

Der haushälterische Blick über die Grenze: Frankreich

Defizit und Verschuldung bleiben hoch, EU erhöht den Druck zunächst nicht
Fahne Frankreich

© Poligrafistka / DigitalVision Vectors / Getty Images

Frankreich ist hoch verschuldet. Im zweiten Quartal des Jahres 2024 lag die Staatsverschuldung bei 112 Prozent des BIP. Für die nächsten beiden Jahre zeichnet sich ein Anstieg auf zunächst 115 und weiter auf 117 Prozent ab. Das ist weit mehr als die nach den EU-Schuldenregeln zulässigen 60 Prozent. Auch das jährliche Haushaltsdefizit liegt weit über dem, was die EU erlaubt.

Dennoch hat das Land im Januar vom Rat der EU grünes Licht für seine Pläne zur schrittweisen Senkung seines erheblichen Defizits erhalten. Damit folgten die Staatenvertreter einer Empfehlung der EU-Kommission. Mittelfristig muss das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gehalten werden. Dies hat Frankreich allerdings seit 1999, dem Gründungsjahr der Eurozone, in den wenigsten Jahren geschafft. 

Staatsdefizit drückt …

Der nun akzeptierte Haushaltsplan aus Paris sieht vor, die Neuverschuldung bis 2029 stufenweise auf die vorgeschriebene Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert bei 6,2 Prozent. Für das laufende Jahr 2025 verspricht die Regierung eine Defizitquote von 5,4 Prozent – das liegt freilich höher als die von der Vorgängerregierung unter Michel Barnier angestrebten 5,0 Prozent. Allerdings war die vom ehemaligen EU-Kommissar geleitete Regierung nach nicht einmal 100 Tagen im Streit um diesen „Sparhaushalt“ von der Opposition gestürzt worden. Deshalb hat Frankreich im Moment noch keinen Haushalt, sondern nur die Zustimmung der EU für ein Parlamentsgesetz und für mittelfristige Finanzpläne mit folgenden Eckdaten:  eine Kombination aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen in Höhe von 53 Milliarden Euro sowie anfangs höhere Nettoausgaben (der wichtigste Indikator im Rahmen der überarbeiteten EU-Schuldenregeln), die sich aber - über sieben Jahre gerechnet - im Durchschnitt nicht erhöhen werden. Die Einnahmen sollen, unter anderem mittels einer Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes steigen: Profitable Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 3 Milliarden Euro sollen – und zwar nur für ein Jahr – ihre Gewinne mit einem Satz von 41,2 Prozent versteuern müssen. Fachleute fordern allerdings, die Maßnahme noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren mit einem Enddatum zu versehen, um den betroffenen Unternehmen die Befürchtung zu nehmen, es handele sich um eine dauerhafte Steuererhöhung. 

… genauso wie die hohe Verschuldung

In Bezug auf den Schuldenstand gehört Frankreich zu den Schlusslichtern der EU. Nur Griechenland (164 Prozent) und Italien (137 Prozent) waren im zweiten Quartal 2024 noch höher verschuldet. Das Gesamtvolumen der französischen Staatschulden beläuft sich auf 3,2 Billionen Euro – in Deutschland waren es zu diesem Zeitpunkt 2,46 Billionen Euro. Eine Billion davon sind in den vergangenen acht Jahren entstanden, zwischen 2017 und 2024 – in Deutschland belief sich der Schuldenanstieg im gleichen Zeitraum auf die Hälfte. Und anders als Deutschland, das nach der Finanz- und Schuldenkrise mit 81 Prozent eine vergleichbar hohe Schuldenquote (Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) besaß, hat Frankreich diese auch in finanzpolitisch guten Jahren niemals zurückgeführt. Für 2025 plant das französische Finanzministerium eine Schuldenaufnahme von gut 300 Milliarden Euro. Davon sind 170 Milliarden neue Schulden; der Rest wird für die Refinanzierung von Altschulden benötigt. Dazu kommen zunehmende steigende Risikoprämien an den internationalen Finanzmärkten: Frankreich musste Ende 2024 höhere Risikoaufschläge als Griechenland zahlen.

Staatliche Verschuldung löst keine Strukturprobleme

Die politische Instabilität in Frankreich lässt viele der Unternehmen pessimistisch in die Zukunft blicken. Frankreich steht dabei in der Industrie vor ähnlich großen strukturellen Herausforderungen wie Deutschland: der Zwang zur Transformation mittels neuer Technologien, wie zum Beispiel Elektroautos, eine wachsende Konkurrenz aus China und hohe Energiepreise. Auch die im internationalen Vergleich geringere Produktivität der französischen Wirtschaft drückt auf das Wirtschaftswachstum. Die Zahl der dortigen Insolvenzen befand sich zuletzt auf einem Höchststand: Mehr als 66.000 Firmen gingen laut einer Analyse der Bankengruppe BPCE im vergangenen Jahr bankrott und brachten dadurch rund 260.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Von Automobilzulieferern über die Bauwirtschaft bis zum Einzelhandel planen zahlreiche Unternehmen, Personal abzubauen. Die Reaktionsmöglichkeiten des französischen Staates darauf sind, aufgrund der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte, stark eingeschränkt.

Schuldentragfähigkeit steht zur Disposition

Wenn Frankreich nicht das Steuer herumreißt, drohen Probleme mit seiner Schuldentragfähigkeit. Dann könnten steigende Schulden, schwaches Wachstum und höhere Zinsen Investoren daran zweifeln lassen, dass das Land seine Verbindlichkeiten weiterhin bedienen kann. Wenn die überarbeiteten EU-Schuldenregeln es schaffen, Frankreich in die richtige Richtung zu drängen, dann haben sie ihre Bewährungsprobe bestanden.

Kontakt

Portätbild Kathrin Andrae
Dr. Kathrin Andrae Referatsleiterin Öffentliche Finanzen

Kontakt

Porträtfoto Malte Weisshaar
Malte Weisshaar Referatsleiter Steuern in der EU | EU-Haushalt | Energiesteuern