Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021, das Anfang 2022 vom Bundestag beschlossen wurde und mit dem 60 Milliarden Euro nicht verbrauchter Kreditermächtigungen aus 2021 dem Klima- und Transformationsfonds zugeleitet wurden, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 15. November 2023 für nichtig erklärt.
60 Milliarden Euro weniger im Klima- und Transformationsfonds
Bundesverfassungsgericht erklärt Überführung von Corona-Notlagenkrediten in den Fonds für nichtigDie Bundesregierung hatte im Herbst 2021 nach der Wahl ein 2. Nachtragshaushaltsgesetz zum Bundeshaushalt 2021 vorgelegt. Dieses Gesetz wurde vom Bundestag am 18. Februar 2022 beschlossen. Als Reaktion auf die Corona-Pandemie war zunächst mit dem 1. Nachtragshaushaltsgesetz vom April 2021 ein Neuverschuldungsrahmen für das Haushaltsjahr 2021 von 240 Milliarden Euro beschlossen worden. Mit dem Regierungswechsel zeichnete sich ab, dass dieser Rahmen für Maßnahmen zur Überwindung der Corona-Pandemie in 2021 nicht ausgeschöpft werden würde. Das 2. Nachtragshaushaltsgesetz bereitete den Weg für eine Umwidmung von 60 Milliarden Euro in den "Energie- und Klimafonds" (EKF). Mittlerweile heißt dieser Fonds "Klima- und Transformationsfonds" (KTF). Es handelt sich bei diesem Fonds um ein unselbstständiges Sondervermögen des Bundes.
Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts
In seiner ersten grundlegenden Entscheidung zur Schuldenbremse des Grundgesetzes erklärte das Bundesverfassungsgericht nun diesen 2. Nachtragshaushalt für unvereinbar mit den Regelungen und auch für nichtig.
- Der Gesetzgeber habe den notwendigen Zusammenhang zwischen der festgestellten Notsituation – Corona-Krise – und den ergriffenen Krisenbewältigungsmaßnahmen nicht ausreichend dargelegt.
- Die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage vom tatsächlichen Einsatz der Kreditermächtigungen wird kritisiert. Das Gebot der Jährlichkeit werde verletzt. Es geht also nicht, dass eine Regierung in Zeiten, in denen die Schuldenbremse ausgesetzt ist, hohe Kreditermächtigungen im Bundeshaushalt "bucht", die Kredite aber erst in späteren Jahren zur Finanzierung von Ausgaben einsetzt. Die faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die "Schuldenbremse" bei gleichzeitiger Anrechnung als "Schulden" im Haushaltsjahr 2021 ist demzufolge unzulässig.
- Die Verabschiedung des 2. Nachtragshaushaltsgesetzes 2021 nach Ablauf des Haushaltsjahres 2021 verstoße gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit aus Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG. Der Haushalt muss vor Einsetzen der Haushaltsperiode beschlossen sein.
Unmittelbare Handlungsnotwendigkeiten der Politik
Der Bundesfinanzminister hat noch am 15. November 2023 die 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds gelöscht. Alle im Wirtschaftsplan des KTF ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen für 2023 sind mit sofortiger Wirkung gesperrt. Davon ausgenommen ist lediglich die Förderung von Maßnahmen der Energieeffizienz und erneuerbarer Energien im Gebäudebereich.
Die Politik ist nun gefordert, schnellstmöglich die Finanzierung der Projekte des KTF inklusive der Entlastungen bei der EEG-Umlage oder der Strompreiskompensation sicherzustellen. Angesichts der hohen Energiekosten für die Unternehmen ist dies dringender denn je.
Mehr zu investieren ist das Gebot der Stunde. Das gilt für die staatlichen Ebenen wie für die Unternehmen. Aus Sicht der Wirtschaft sollten die öffentlichen Ausgaben stärker als bisher auf Investitionen in die Infrastruktur und die Sicherung wettbewerbsfähiger Produktionsbedingungen konzentriert werden.
Angesichts von über 920 Milliarden Euro Steuereinnahmen des gesamten Staates in diesem Jahr und schon erwarteten Einnahmen von über einer Billion Euro in 2025 sollte dies auch möglich sein, ohne auf eine stärkere Kreditaufnahme auszuweichen.
Die Schuldenbremse ist aus Sicht der Unternehmen eine passende Begrenzung im Sinne der zukünftigen Steuerzahler. Ihre Verankerung in der Verfassung wirkt und zwingt rechtlich zu Klarheit und Verbindlichkeit, auch und gerade in "außergewöhnlichen Notsituationen", ohne dass Handlungsspielräume eingeschränkt würden. Höhere Schulden heute belasten die öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren mit Zinszahlungen und Tilgungsverpflichtungen.
Perspektivisch sähen sich Unternehmen dann eher mit höheren Steuerbelastungen konfrontiert. Dringend notwendig ist aber vielmehr eine Reduzierung der Belastungen durch Steuern und Bürokratie, damit Unternehmen wettbewerbsfähig sein können.
Weiterer zeitlicher Ablauf
Die Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag für den Etat des Bundes 2024 befinden sich in der letzten Runde. Der Wirtschaftsplan 2024 und die mittelfristige Planung für den Klima- und Transformationsfonds muss neu aufgesetzt werden. Um mögliche Rückwirkungen auf den Kernhaushalt des Bundes berücksichtigen zu können, wurde die finale Beschlussfassung im Haushaltsausschuss zunächst vertagt.