Die EU-Kommission sieht den freien Kapitalverkehr bei einem Steueraufschub durch die deutsche Finanzverwaltung für reinvestierte Immobiliengewinne dadurch als eingeschränkt an, dass der Grundbesitz von nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen automatisch dem Betriebsvermögen zugerechnet wird, bei anderen Unternehmen aber nicht.
EU-Kommission verklagt Deutschland
Mögliche Grundfreiheitsverletzung im Zusammenhang mit bestimmten reinvestierten VeräußerungsgewinnenAusgangspunkt der Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gegen Deutschland ist ein Verfahren, welches seit dem Jahr 2019 läuft (Kommission verklagt DEUTSCHLAND vor dem Gerichtshof der Euro). Im November 2019 hatte die EU-Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland gerichtet. Grund: Deutschland habe es versäumt, nicht nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen bei der Reinvestition von Immobiliengewinnen die gleichen Verfahrenserleichterungen zu gewähren wie nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen: die Annahme einer Betriebsstätte in Deutschland, auch wenn sie nicht nach deutschem Recht gegründet wurde für Zwecke der steuerfreien Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG.
Bei nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen wird davon ausgegangen, dass sie am Ort ihrer Hauptverwaltung (das heißtin Deutschland) eine solche Betriebsstätte unterhalten, selbst wenn sie in Deutschland keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Nach dem Recht eines anderen EU- oder eines EWR-Mitgliedstaats gegründete, ansonsten aber vergleichbare Unternehmen können diese Vermutung jedoch nicht für sich in Anspruch nehmen. Folglich profitieren sie – aus Sicht der EU-Kommission – nicht von der Regelung des deutschen Einkommensteuergesetzes, die es Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, Veräußerungsgewinne aus Immobilien unversteuert von in den Folgejahren erworbenen Immobilien abzuziehen.
Die Kommission wertet die Ungleichbehandlung als Diskriminierung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten und als nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs. Sie kommt zu dem Schluss, dass die bisherigen Bemühungen Deutschlands zum Beheben des Rechtsverstoßes unzureichend waren.
Bereits in der Vergangenheit hatte die Europäische Kommission eine Bestimmung des deutschen Steuerrechts gerügt, wonach neu angeschaffte Anlagegüter immer einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte zugeordnet sein müssen, und diese erfolgreich vor dem EuGH angefochten (siehe Rechtssache C-591/13, Kommission/Deutschland).