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Kein Zuckerschlecken: Bundesregierung plant Werbeverbot für Großteil der Lebensmittel

Auch Brot- und Quarkprodukte betroffen – Wissenschaft ist skeptisch
Lebensmittelregal

Von den Plänen sind zahlreiche Produkte betroffen

© Jacobs Stock Photography / DigitalVision / Getty Images

Wieder sorgt ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung in Teilen der Wirtschaft für Aufruhr: Das Anfang 2023 von Bundesernährungsminister Cem Özdemir angekündigte Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel kommt wieder auf die Tagesordnung. Die Bundesregierung hatte einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sämtliche an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel verbieten sollte, deren Salz-, Fett- oder Zuckeranteile einen festgelegten Anteil überschreiten. Nun soll der Entwurf noch einmal überarbeitet werden. Was über das Vorhaben bislang bekannt ist, welche Produkte betroffen sein könnten und was Unternehmer und Wissenschaftler dazu sagen – wir geben einen Überblick.

Das "Gesetz zum Schutz von Kindern vor Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt" ("Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz") sieht vor, dass Werbespots, die sich explizit an Kinder richten, künftig in "allen für Kinder relevanten Medien" untersagt werden sollen. Darunter fallen neben dem Fernsehen auch Beiträge im Internet und in den sozialen Medien, wie sie etwa von Influencern veröffentlicht werden. Für das Umfeld von Schulen und Kindergärten sind strenge Plakat-Werbeverbote vorgesehen. 

Darüber hinaus soll es auch für Reklame, die sich nicht speziell an Kinder richtet, Einschränkungen geben. Werbefilme für gelistete Lebensmittel dürften tagsüber auch dann nicht mehr ausgestrahlt werden, wenn sie sich an eine erwachsene Zielgruppe richten. So soll verhindert werden, dass sie von Kindern konsumiert werden. 

Strenge Kriterien 

Bei vielen Unternehmen sorgen die Pläne für Unruhe. Die vorgesehenen Nährwertprofile, anhand derer entschieden werden soll, ob ein Produkt zur Werbung zugelassen wird oder nicht, sind sehr eng gefasst. So fallen neben klassischen Süßwaren in den meisten Fällen wohl auch Produkte wie Quark, Käse, Brot und Joghurt unter das Werbeverbot. Einem Zeitungsbericht zufolge soll selbst vegane Wurst wegen des hohen Salzanteils nicht mehr beworben werden dürfen. 

Viele Unternehmen stehen dem Vorhaben kritisch gegenüber. Sie bewerten das geplante Werbeverbot als Einschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit. Außerdem werden in zahlreichen Branchen starke Umsatzeinbußen befürchtet – nicht nur in der Lebensmittelwirtschaft selbst, auch Betriebe in Handel, im Werbesektor und in der Gastronomie sehen sich betroffen. Bedenken werden zudem zur Praxistauglichkeit des geplanten Gesetzes laut. 

So ist etwa unklar, ob Unternehmen noch Trikotwerbung buchen dürfen, wenn die Sportveranstaltungen tagsüber im Fernsehen oder per Stream übertragen werden. Gleiches gilt für Busse: Dürfen sie und andere Verkehrsmittel mit Werbebotschaften bedruckt werden, wenn auf ihrer Fahrtroute eine Schule liegt? Und warum darf in der Nähe eines Kindergartens nicht geworben werden, an Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen dagegen schon? 

Kritische Gutachten

Nicht nur innerhalb der Wirtschaft ist die Ablehnung des geplanten Werbeverbotes groß. Auch unterschiedliche wissenschaftliche Gutachten ziehen die Sinnhaftigkeit des Gesetzesvorhaben in Zweifel oder bestreiten sie gänzlich. 

Prof. Martin Burgi, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht der Ludwig-Maximilians-Universität München, kommt in einem juristischen Gutachten zu dem Ergebnis, dass das geplante Werbeverbot verfassungs- und europarechtswidrig sei. Dies gelte sowohl für das adressatenunabhängige Teilwerbeverbot als auch für das Totalverbot bei Adressierung der Werbung an Kinder. In Auftrag gegeben wurde das Gutachten vom Lebensmittelverband und vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft. 

Eine Schwächung der Medienvielfalt befürchtet der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Justus Haucap, ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission. In seiner Untersuchung für den Markenverband zieht er das Fazit, dass das Gesetzesvorhaben ein "nahezu generelles Werbeverbot für den überwiegenden Anteil aller Lebensmittel" bedeuten würde. Gerade für privatwirtschaftlich finanzierte Medien wären die Auswirkungen fatal: Sie generierten bis zu 16 Prozents ihres Gesamtbudgets über Lebensmittelwerbung. 

Die beiden Statistik-Experten Prof. Walter Krämer und Katharina Schüller kritisieren die Studien, die dem geplanten Werbeverbot zugrunde liegen. Sie wiesen "methodische Schwächen" auf und würden von Befürwortern des Werbeverbots "grob falsch und interessengeleitet" zitiert. Alle untersuchten Studien stellten entweder keine Behauptungen auf, die das Verbot stützen würden, oder seien inhaltlich und methodisch derart mangelhaft, dass ihre Aussage haltlos seien. Die beiden Experten kommen zum Schluss, dass eine wissenschaftliche Grundlage, aus der sich in evidenzbasiertes Werbeverbot zur Gesundheitsförderung ableiten ließe, "nicht hinreichend gegeben" sei.

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Porträtfoto Urban Comploj
Urban Comploj Referatsleiter Politische Kommunikation