Christian Berthold ist Geschäftsführer von Antenne Thüringen. Der Vater von drei kleinen Kindern ist auch stellvertretender Vorsitzender des DIHK-Ausschusses für Kommunikation, Medien- und Kreativwirtschaft. Er befürchtet, dass durch die geplanten Verbote kleine Medienunternehmen noch mehr belastet werden – bis sie die finanzielle Last nicht mehr tragen können.
"Wir können die Einnahmeverluste nicht kompensieren"
Christian Berthold von Antenne Thüringen sieht Medienvielfalt bedrohtHerr Berthold, inwieweit ist Ihr Unternehmen vom geplanten Werbeverbot betroffen?
Schon bei dieser Frage beginnen die Probleme. Der Bundesminister für Ernährung verkündet öffentlichkeitswirksam Eckpunkte eines Gesetzes, von dem wir nach wie vor keine offizielle Entwurfsfassung haben. Im Gegenteil: Es geistern mehrere, teils stark voneinander abweichende Dokumente herum, die zweifellos aus seinem Haus stammen, die in ihrer Unterschiedlichkeit aber zeigen, dass das Vorhaben absolut unausgegoren und unabgestimmt ist.Wenn wir nach den Aussagen des Ministers gehen, soll es darum gehen, an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten stark einzuschränken oder ganz zu verbieten. Mir schwant allerdings Übles: Die bisher bekannt gewordenen Richtwerte für Inhaltsstoffe sind nämlich so eng gefasst, dass die Pläne in der Praxis zu einem faktischen Werbeverbot für einen Großteil der Lebensmittel führen würde. Das legt nahe, dass sich im Ministerium keiner die Mühe gemacht hat, mit einem der betroffenen Unternehmen zu sprechen.
Was lässt Sie zu diesem Schluss kommen?
Die private Medienlandschaft generiert ihre Einnahmen aus Werbung. Sortieren wir nach Branchen, ist die Werbung für den Lebensmittelsektor dabei konstant unter den Top Drei. Dürften wir Lebensmittel nicht mehr bewerben, brächen für uns als Antenne Thüringen geschätzte zehn Prozent der Gesamteinnahmen weg. Wie sollen wir das kompensieren? Schon jetzt kämpfen wir gegen mehrere Krisen gleichzeitig an, sparen an allen Ecken und Enden. Unsere Umsätze liegen nach wie vor deutlich unter denen von vor Corona. Wenn weitere Mittel verloren gingen, ließen sich Einschränkungen bei Programm und Personal vermutlich nicht mehr verhindern.
Laut einem Gutachten von Professor Justus Haucap, einem Wirtschaftswissenschaftler aus Düsseldorf, dürften der deutschen Medienlandschaft Bruttowerbeverluste in Höhe von fast drei Milliarden Euro entstehen. Für viele kleine und kleinste Medienunternehmen würde das wahrscheinlich das Aus bedeuten. Die private Medienlandschaft steht auch ohne Werbeverbot unter Dauerstress. Auf der einen Seite drückt der öffentlich-rechtliche, gebührenfinanzierte Rundfunk, auf der anderen Seite die großen amerikanischen Streaming-Plattformen. Private Medien drohen dazwischen zerrieben zu werden. Es geht aber nicht nur um den Umsatz. Professor Haucap warnt vor erheblichen Folgen für die Medienvielfalt. Diese Sorgen teile ich.
Was genau treibt Sie da um?
Drei Viertel der Werbeumsätze mit Lebensmitteln könnten entfallen. Das geht richtig ins Geld und schwächt die Wettbewerbsposition der privaten Medien. Gerade bei den regional tätigen Sendern werden die Einnahmeverluste wie ein Brandbeschleuniger wirken. Viele von ihnen werden um ihr Überleben kämpfen müssen. Und das alles für ein Gesetz, dessen Wirksamkeit schon jetzt von Experten in Zweifel gezogen wird: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, der zeigt, dass ein Werbeverbot für Lebensmittel zur Verbesserung der Gesundheit von Kindern beitragen könnte. Im Gegenteil: In Großbritannien gibt es ein solches Werbeverbot bereits – und der Anteil adipöser Kinder steigt weiter an.
Die große Sorge in der Branche ist: Was kommt als nächstes? Dürfen bald Brauereien keine Anzeigen mehr schalten? Wird die Werbung für Autos mit Verbrennungsmotor untersagt? Wir stehen für Aufklärung statt Verbote. Und für Motivation: Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO bewegen sich 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu wenig. Gemeinsam mit dem Landessportbund haben wir als Antenne Thüringen eine Kampagne gestartet, um junge Menschen zum Sport in Vereinen zu bewegen. Das halte ich für weitaus sinnvoller, um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu fördern als irgendwelche Verbote. In Berlin stoßen wir aber auf taube Ohren – das Vorhaben soll offenbar ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen werden.