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"Nicht die Ernährung ist das Problem"

Küchle-Chef sieht Lebensmittelhersteller unter Generalverdacht
Kinder im Feld

Gegen Übergewicht hilft vor allem Bewegung

© Westend61 / Getty Images

Seit 150 Jahren stellt die schwäbische Firma Küchle GmbH & Co. KG klassische Oblatenprodukte her, mittlerweile umfasst das Portfolio auch Trenderzeugnisse wie Esspapier und Zungen-Tattoos. Das Familienunternehmen mit rund hundert Beschäftigten wird von Christof Küchle geführt, der in unserem Interview seine persönliche Einschätzung zum geplanten Werbeverbot abgibt.

Herr Küchle, wie bewerten Sie das Vorhaben der Bundesregierung, Werbung für Süßigkeiten einzuschränken?

Christof Küchle

Christof Küchle

© privat

Das wird gerne behauptet – dass es allein um Süßwaren geht. In Wahrheit sind aber auch viele Käsesorten, Quark und Butter betroffen, weil sie das geforderte Nährwertprofil nicht erfüllen, genauso wie salzhaltige Lebensmittel. Es geht also in Wahrheit darum, die Essgewohnheiten der Menschen ganz grundsätzlich zu steuern. Für mich ist das ideologische Politik, weil sie mit dem tatsächlichen Problem nichts zu tun hat.

Werbeverbote werden nicht für weniger Übergewicht sorgen. Der Pro-Kopf-Konsum von Zucker ist rückläufig, er lag 2020 sogar fünf Prozent unter dem Niveau von 1970. Die Kalorienzufuhr hat sich über die Jahre kaum verändert. Allerdings bewegen sich die Menschen, insbesondere Kinder, viel weniger als früher. 1970 waren das drei bis vier Stunden pro Tag, heute ist es gerade noch eine Stunde. Das Problem ist also nicht die Ernährung.

Welche Auswirkungen hätte ein mögliches Werbeverbot auf Ihr Unternehmen?

Unsere Produkte tragen den Nutri-Score "A", weil wir keinen Zucker verarbeiten. Auch machen wir als mittelständisches Unternehmen viel weniger Werbung als die großen Produzenten. Um den Umsatz mache ich mir also eher weniger Gedanken. Trotzdem wurmt mich das Gesetzesvorhaben. Ich fühle mich in meiner unternehmerischen Freiheit eingeschränkt. Seit Jahren werden wir Lebensmittelhersteller von Politik, Medien und Interessengruppen unter Generalverdacht gestellt. Das ist nicht nur ungerecht, es ist auch falsch und schädlich.

Ich hoffe, das Werbeverbot kommt nicht. Und wenn es kommt, wird es scheitern. So wie die Fettsteuer in Dänemark. Sie wurde 2011 eingeführt und ein Jahr später wieder abgeschafft. Sie hat das Ernährungsverhalten der Dänen nicht verändert. Außerdem hat sie die Verbraucherpreise erhöht, zu hohen Verwaltungskosten geführt und Arbeitsplätze in Dänemark gefährdet. Die geplante Zuckersteuer wurde damals gleich mit beerdigt. Die Menschen möchten nicht erzogen werden, sie wollen selbst entscheiden, wie sie leben und was sie essen.

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Porträtfoto Urban Comploj
Urban Comploj Referatsleiter Politische Kommunikation