Von der Leyen II – Was die neue EU-Kommission zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit plant
Seit dem 1. Dezember 2024 ist die neue Europäische Kommission offiziell im Amt. Während das detaillierte Arbeitsprogramm für das Jahr 2025 erst Mitte Februar vorgestellt werden soll, hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits ihre Prioritäten für die ersten 100 Tage präsentiert. Mit sieben zentralen Initiativen will sie bis März erste Akzente setzen. Am bedeutendsten für die Unternehmen sind dabei der "Clean Industrial Deal" und Maßnahmen zum Bürokratieabbau, die das Wirtschaften in Europa vereinfachen sollen.
Fokus Wettbewerbsfähigkeit – alte Themen, neue Impulse
Das übergeordnete Leitthema für die neue Legislatur ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Hierzu kündigt die Kommission erste Initiativen an: Bereits Mitte Januar soll der sogenannte "Kompass für Wettbewerbsfähigkeit" vorgestellt werden – ein strategischer Rahmen für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Er wird drei Säulen umfassen: die Verkleinerung der Innovationslücke zu den USA und China, die Verringerung strategischer Abhängigkeiten sowie die Vereinbarkeit von Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit. Diese Themen sind bereits aus der letzten Legislatur bekannt. Entscheidend wird also sein, ob der Kompass lediglich eine Zusammenfassung und Fortschreibung der Politikinitiativen der vergangenen Jahre sein wird oder ob er tatsächlich neue Impulse für wirksame Maßnahmen setzt.
Vom Green Deal zum Clean Industrial Deal?
Ende Februar will die Europäische Kommission ihre Strategie für einen Clean Industrial Deal vorlegen. Diese soll laut den bisherigen Ankündigungen Ideen und Maßnahmen zu mehreren Themen enthalten: Aktionspläne für bezahlbare Energie und für die Automobilindustrie, ein Beschleunigungsgesetz für die Dekarbonisierung der Industrie, ein Maßnahmenpaket für die Chemieindustrie sowie Vorschläge für einen EU-Wettbewerbsfähigkeitsfonds, der die bestehenden EU-Fonds zur Förderung von Forschung und Innovationen innerhalb des europäischen Mehrjährigen Finanzrahmens bündeln soll. Bereits in der letzten Legislatur hatte es Strategiepläne wie beispielsweise den grünen Industrieplan gegeben, der Innovationen und Zugang zu Finanzierung insbesondere für Netto-Null-Industrien fördern sollte. Diese Pläne haben jedoch zu keinen spürbaren Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Unternehmen geführt. Soll der Clean Industrial Deal nun den Wirtschaftsstandort Europa attraktiver machen, muss er die Standortfaktoren für die Breite der Wirtschaft konkret verbessern, statt nur einzelne Branchen oder Technologien zu fördern.
Bürokratieabbau: der geforderte "revolutionäre" Ansatz?
Zeitgleich zum Clean Industrial Deal plant die Brüsseler Behörde einen übergreifenden Gesetzesakt, der den administrativen Aufwand von Berichts- und Sorgfaltspflichten der letzten Legislatur reduzieren soll. Ein umfassendes Omnibus-Gesetz zur Verringerung von Belastungen wäre ein starkes Signal, dass das Thema Bürokratieabbau ernsthaft angegangen wird. Dies kann aber auch nur ein erster Schritt sein hin zu dem "revolutionären Vereinfachungsprozess", den die EU-Mitgliedstaaten am 8. November 2024 in ihrer gemeinsamen Erklärung von Budapest zur Wettbewerbsfähigkeit gefordert hatten. Auch die Wirtschaft plädiert seit Langem dafür, dass Europa insgesamt schneller und einfacher werden muss – sowohl bei bestehenden als auch bei neuen Regulierungen: Beim IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl 2024 gaben 95 Prozent der Befragten an, dass der Abbau von Bürokratie oberste Priorität haben müsse.
Weitere Initiativen sollen folgen
Die Kommission hat weitere Initiativen angekündigt, die mit dem Thema Wettbewerbsfähigkeit im Zusammenhang stehen: etwa die Vorlage einer neuen Binnenmarktstrategie im Juni 2025, einen EU Innovation Act sowie ein Gesetz zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft, das 2026 kommen soll. All diese Initiativen bieten durchaus Chancen für die deutsche Wirtschaft – aber nur, wenn sie konkret werden und deutlich über die Absichtserklärungen der letzten Amtszeiten hinausgehen. Die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten müssen bei der Standortpolitik ambitioniert neue Wege gehen, statt nur die Strategien, Foren und abstrakte Zielvorgaben der letzten Amtszeit in neuen Gewändern zu wiederholen.