Warum die Wirtschaft solide Staatsfinanzen braucht
Ein wesentlicher Grund für das Ende der Ampel-Regierung war die Uneinigkeit darüber, wie der Staat zukünftig seine Kernaufgaben finanzieren soll. Im Zentrum der Debatte steht die Frage nach der Staatsverschuldung. Offensichtlich ist, dass Deutschland mehr Investitionen braucht. Das gilt für die öffentlichen Infrastrukturen (Straße, Bahn, Energienetze, Digitalnetze), für die äußere und innere Sicherheit, vor allem aber für die privaten Investitionen der Unternehmen.
Intensiv diskutiert wird im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl 2025, ob der Staat mit den Einnahmen auskommen sollte oder welchen Anteil der Ausgaben er mit Krediten finanziert. Die Kreditaufnahme des Bundes wird seit 2009 durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse begrenzt, weshalb auch eine Reform dieses Instruments erörtert wird.
Verantwortungsvolle Haushaltspolitik stärkt Resilienz
Die Krisen der letzten Jahre zeigen, dass eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik einen wichtigen Beitrag zur Resilienz von Staaten leistet. Die gute Lage der deutschen Staatsfinanzen zu Beginn der Covid-Pandemie ermöglichte etwa umfangreiche öffentliche Unterstützungen für die deutsche Wirtschaft in dieser schwierigen Situation. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kamen ergänzend staatliche Ausgaben zur Abfederung der Energiekosten sowie für die Verteidigungsfähigkeit hinzu. Weil das Grundgesetz in einer Notlage das Aussetzen der Schuldenbremse ermöglicht, war ein kraftvolles Agieren der Bundesregierung möglich. Allerdings ist in dieser Zeit der Schuldenstand Deutschlands deutlich gestiegen und die Zinslasten haben sich durch höhere Verschuldung und steigende Zinssätze stark erhöht. Die seit zwei Jahren andauernde Stagnation verhindert zudem ein "Herauswachsen" aus den Schulden, denn die Steuereinnahmen steigen in der Folge nicht so schnell wie die öffentlichen Ausgaben. Das zeigt: Resiliente und handlungsfähige öffentliche Haushalte sind auf Dauer nur bei positivem Wirtschaftswachstum möglich.
Hohe staatliche Einnahmen stützen Wachstumsstrategie
Trotz der schwierigen Lage bietet der Haushalt weiterhin Potenziale für wachstumsförderndes Handeln der neuen Bundesregierung. Anders als häufig im öffentlichen Diskurs zu hören, sind die Haushaltskassen nämlich nicht leer – die Einnahmen steigen vielmehr weiter an: Spätestens 2026 werden allen staatlichen Ebenen (Bund, Ländern und Gemeinden) gemeinsam Einnahmen von mehr als 1.000 Milliarden Euro zur Verfügung stehen – doppelt so viel wie noch 2008. Zudem existieren verschiedene Sondervermögen des Bundes wie der Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel und der CO2-Steuer in Höhe von knapp 22 Milliarden Euro für die Förderung von Investitionen der Wirtschaft in die Dekarbonisierung. Höhere Verteidigungsausgaben gewährleistet zumindest bis 2027 das Sondervermögen Bundeswehr, in dem insgesamt Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen sichern Investitionen
90 Prozent der gesamten Investitionen in Deutschland sind privater Natur – vor allem diese unternehmerischen Aktivitäten gilt es zu stärken. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, setzen Unternehmen auf eigenes Risiko Mittel ein, um in den Auf- und Ausbau von Standorten zu investieren, Innovationen voranzubringen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Für das exportstarke Deutschland und die EU ist zudem das Vertrauen der Märkte in den Euro ein wichtiges Element einer nachhaltigen Finanzpolitik. Am effektivsten lässt sich diese durch klare Fiskalregeln absichern. Sie sorgen für Haushaltsdisziplin, indem sie Grenzen für staatliche Ausgaben und deren Kreditfinanzierung setzen. Denn ein langfristig tragbares Niveau der Staatsverschuldung erhält fiskalische Spielräume und begrenzt letztlich die zukünftige Steuerbelastung für die Unternehmen. Was passiert, wenn die Kapitalmärkte an der finanziellen Stabilität eines Mitgliedslandes zweifeln, kann man derzeit gut in Frankreich beobachten, wo seit einigen Wochen deutlich höhere Zinsen auf langfristige Schuldenpapiere gezahlt werden müssen.
Schuldenbremse ist vertrauensbildend und flexibel zugleich
Die Schuldenbremse erfüllt eine stabilisierende, vertrauensbildende Funktion – und ist keinesfalls als Verbot zu verstehen. Im kommenden Jahr ist eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von fast 50 Milliarden Euro möglich, ohne dass es einer Ausnahme aufgrund einer Notlage bedarf. Fiskalregeln sind nicht unveränderlich, das gilt auch für die Schuldenbremse. Sie sollte aber nicht in ihrem Kern so verändert werden, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann. Eine Öffnung für eine Finanzierung von "investiven" Maßnahmen würde zurück zur "Goldenen Regel" führen, die bis 2009 die unbegrenzte Finanzierung von unklar abgegrenzten Investitionen erlaubte – und daher im Ergebnis nicht funktionierte. Bereits Ende 2009 hinterließ sie Deutschland erhebliche Schulden von 1.600 Milliarden Euro, die infolge der Kriseninterventionen auch im Rahmen der geltenden Schuldenbremse bis Ende 2023 auf 2.445 Milliarden Euro angestiegen sind.
Letztendlich müssen die zukünftigen Generationen die Folgen der heutigen Kreditfinanzierung auch tragen können. Daher müssen nicht nur mögliche aktuelle Investitionen, sondern auch die Lasten in Form von Tilgungen und Zinszahlungen bei Entscheidungen berücksichtigt werden. So bleibt in jedem Fall die Kernaufgabe der Politik bestehen, immer wieder Ausgaben zu priorisieren. Denn nur durch eine nachhaltige Wachstumsstrategie, die stärker in Infrastrukturen, Bildung und Forschung investiert, werden private Investitionen und dadurch eine positive wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst.