
Die Infrastruktur ist das Rückgrat: Ohne Leitungen kann kein Wasserstoff-Markt entstehen
© audioundwerbung / iStock / Getty Images Plus
Die Infrastruktur ist das Rückgrat: Ohne Leitungen kann kein Wasserstoff-Markt entstehen
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Die Energiekrise macht eine Herausforderung für deutsche Unternehmen bei der Transformation in Richtung Klimaneutralität offensichtlich: Der Auf- und Ausbau des Wasserstoffmarktes kommt zu langsam voran. Damit die Unternehmen hierzulande betriebliche Klimaneutralität erreichen können, sind hier ein höheres Tempo und klare politische Rahmenbedingungen entscheidend. Nur so kann Deutschland im Rennen rund um den Wasserstoffmarkt wettbewerbsfähig bleiben.
Ein verlässlicher EU-Rechtsrahmen ist dafür der erste Schritt. Nur, wenn "grüner" und "kohlenstoffarmer" Wasserstoff (H2) klar und praxistauglich definiert sind, ist etwa eine Anrechnung des grünen Energieträgers auf die betrieblichen Klimaziele möglich.
Die strengen Kriterien, die aktuell in den delegierten Rechtsakten der Europäischen Kommission vorgesehen sind, stellen hingegen eine erhebliche Herausforderung dar – so etwa die Anforderung der "Zusätzlichkeit": Sie soll sicherstellen, dass die gestiegene Nachfrage mit grünem Wasserstoff gedeckt wird, zusätzliche Produktionskapazitäten also mit Strom aus erneuerbaren Quellen arbeiten. Solche Vorgaben erschweren nicht nur die Produktion, sondern auch den Import von H2, insbesondere aus weiter entfernten Ländern, da der Transport per Schiff und über größere Entfernungen erfolgen muss. Nur mit umfangreichem Wasserstoffimport aber kann die dringend benötigte Defossilisierung gelingen.
Das Bundeskabinett hatte Mitte 2024 ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, das nun aber nach der Bundestagswahl wieder neu aufgerollt werden muss. Das grundsätzlich unter den Parteien nicht umstrittene Ziel ist es, zügig einen deutschen Wasserstoffmarkt aufzubauen und damit zehn Gigawatt heimische Elektrolysekapazität bis 2030 zu erreichen. Das Gesetz soll dazu die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Wasserstoffinfrastrukturen wie Elektrolyseure, Importterminals und Speicherstätten verkürzen. Es wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, das nationale Ziel zu erreichen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Bisher wurde in Deutschland nur ein Prozent der anvisierten zehn Gigawatt erreicht. Immerhin sind viele Projekte bereits in der Planung, beispielsweise ein 320-Megawatt-Elektrolyseur in Emden oder ein 128-Megawatt-Elektrolyseur in Neustadt.
Auch die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) von Oktober 2023 sieht ehrgeizige Quoten für die Nutzung von erneuerbaren Energien und grünem H2 in der Industrie und im Verkehrssektor vor. Diese Vorgaben müssen bis Mai 2025 in nationales Recht umgesetzt werden – angesichts der aktuellen politischen Situation wird dies eine große Herausforderung.
Ohne eine leistungsfähige Infrastruktur kann kein Wasserstoff-Markt entstehen. Der Bau des im Oktober 2024 genehmigten Kernnetzes muss daher schnell beginnen, begleitet von der Abstimmung über regionale Verteilernetze und eine europäischen Wasserstoffinfrastruktur. Nur durch länderübergreifende Koordination lassen sich Synergien nutzen und die Versorgung sichern.
Als größter europäischer Wasserstoffimporteur ist Deutschland auf internationale Partnerschaften angewiesen. Bestehende Kooperationen mit Ländern wie Brasilien, Namibia oder der Nahost- und Afrika-Region müssen vertieft, neue geschlossen werden. Langfristige Lieferverträge und Investitionen in die Infrastruktur der Partnerländer sollten dabei aus Sicht der deutschen Wirtschaft Priorität haben.
Dabei gilt aber auch: Ein globaler Markt für Wasserstoff erfordert klare Regeln und Standards. Einheitliche Zertifizierungssysteme sind unerlässlich, um Transparenz zu schaffen und sicherzustellen, dass nachhaltig produzierter Wasserstoff korrekt bei den Unternehmen angerechnet werden kann.
Im Rennen um den Hoffnungsträger Wasserstoff gibt es noch viel zu tun. Derzeit ist H2 für die breite Anwendung in der Wirtschaft zu teuer. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind bisher in öffentlichen Förderprogrammen außer Acht gelassen worden. Auch Forschung und Entwicklung sind unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wasserstofftechnologien zu steigern. Die Optimierung der Elektrolyseverfahren sowie die Entwicklung von Speicher- und Transporttechnologien sind Beispiele solcher Forschungsvorhaben. Und nicht zuletzt tragen die Integration von blauem Wasserstoff (mit CO2-Abscheidung) sowie die Förderung gasförmiger und flüssiger nichtfossiler Energiequellen zur Diversifizierung bei.