Energiepreise bedrohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie
Die Energiepreise in Europa und insbesondere in Deutschland zählen zu den höchsten weltweit: In Deutschland sind die Gaspreise bis zu siebenmal und die Strompreise bis zu fünfmal so hoch wie an konkurrierenden Standorten anderer Länder.
Strom fällt angesichts des hohen Preises hierzulande derzeit als Treiber der Transformation aus. Obwohl die Börsenstrompreise im letzten Jahr gefallen sind, steigen die Stromkosten für Unternehmen aufgrund von Abgaben, Umlagen und Entgelten immer weiter an. Abschaltungen von Photovoltaik- und Windkraftanlagen wegen fehlender Netzkapazitäten sowie Eingriffe in Kraftwerke zur Netzstabilisierung haben die Entgelte für das Übertragungsnetz in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Hinzu kommt eine Fördersystematik für erneuerbare Energien, die den Bundeshaushalt mit Milliardenbeträgen belastet. Insgesamt ist der Wirtschaftsstandort Deutschland mit Blick auf die Stromkosten der Unternehmen weder europaweit noch global konkurrenzfähig.
Alarmierende Zahlen bei abwanderungswilligen Unternehmen
Deutschland ist gleichzeitig auf eine starke industrielle Basis angewiesen. Für energieintensive Industrien wie beispielsweise Chemie, Metall, Mineralöl, Glas oder Papier bedeuten die steigenden Preise für Strom und Gas, dass ihre Produktion in Deutschland sehr viel teurer ist als in vielen anderen Ländern. Aber auch Rechenzentren, Automobilhersteller und Logistikbetriebe leiden unter den hohen Energiekosten.
Das Ergebnis: Immer mehr Unternehmen – so das jüngste IHK-Energiewende-Barometer – überlegen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, wo Energie günstiger ist. Andere Betriebe erwägen, ihre Produktion in Deutschland zu drosseln. In Summe denken der DIHK-Abfrage zufolge vier von zehn Unternehmen daran, ihre Fertigung wegen der Energiepreise hierzulande einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern.
Die Produktionsrückgänge der Wirtschaft in Deutschland lassen sich bereits am industriellen Energiebedarf ablesen, welcher dadurch in den vergangenen Jahren rückläufig war. Am deutlichsten zeigt sich das in der energieintensiven Industrie, wo die Energienachfrage in den vergangenen Monaten deutlich zweistellig eingebrochen ist. Deutschland droht ein Verlust wichtiger Teile seiner Industrie – Arbeitsplätze gehen verloren, und die Wertschöpfung verlagert sich in andere Länder. Aber auch die Innovationskraft könnte leiden, denn viele Unternehmen haben weniger Spielraum für Investitionen in Forschung und Entwicklung, wenn ein Großteil ihrer finanziellen Ressourcen in die Energiekosten fließt.
Grüne und günstige Energie als Treiber der Transformation
Die Gründe für die teure Energie sind vielfältig. Einerseits steigen die Preise, weil das Energieangebot durch den politisch eingeleiteten Atom- und Kohleausstieg verknappt wurde, ohne zeitgleich in neue witterungsunabhängige Kapazitäten zu investieren. Andererseits sind mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien die Systemkosten erheblich angestiegen. Entsprechend wurden neue Umlagen und Abgaben geschaffen und die Netzentgelte angehoben, um die zusätzlichen Modernisierungs- und Ausbauarbeiten zu decken. Hinzu kommt eine paradoxe Philosophie, der zufolge Strom – etwa durch eine hohe Steuerlast – angeblich teuer sein muss, um Anreize für eine effiziente Nutzung zu setzen. Stattdessen sollte jedoch vielmehr gelten, dass Strom so günstig wie möglich sein muss, damit er als Treiber der Energiewende finanziell attraktiv sein kann. Denn die Transformation gelingt nur, wenn Elektrizität günstiger ist als fossile Energieträger und damit finanzielle Anreize bestehen, Technologien wie E-Mobilität im Verkehrssektor, Wärmepumpen im Gebäudesektor oder Elektrifizierungsprozesse im Industriesektor einzusetzen.
Erst ausbauen, dann abschalten
Die Börsenstrompreise in der Energiebeschaffung lassen sich am besten durch eine Ausweitung des Stromangebots senken. Daher sollten zukünftig Kraftwerksabschaltungen nur zulässig sein, wenn ausreichend witterungsunabhängiger Ersatz vorhanden ist. Der Zubau von Interkonnektoren, also von grenzüberschreitenden "Zubringer-Stromleitungen", kann den grenzüberschreitende Handel von Strom erleichtern. Dabei sollte der Ausbau erneuerbarer Energien mit dem Bau der notwendigen Infrastruktur einhergehen. Für die deutsche Wirtschaft ist zudem entscheidend, dass die nationale CO2-Bepreisung zeitnah in ein europäisches Emissionshandelssystem (ETS-2) integriert wird. Nur so lassen sich bestehende Wettbewerbsnachteile auf dem europäischen Binnenmarkt eingrenzen.
Entgelte bezuschussen, Steuern und Abgaben auf EU-Niveau senken
Um die Energiekosten für die Wirtschaft zu verringern, sollten 10 bis 15 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds zurück in eine breit angelegte Kostensenkung für Wirtschaft und private Haushalte fließen. Damit könnte unmittelbar Entlastung geschaffen und gleichzeitig die Anreize zur Elektrifizierung vorangetrieben werden. Erstens sollten dabei 5 Milliarden Euro zur Deckung der verbleibenden Umlagen und Abgaben auf Strom in den Bundeshaushalt überführt werden. Ebenfalls mindestens 5 Milliarden Euro könnten zweitens als Zuschuss zum Netzausbau dienen, um die Übertragungsnetzentgelte zu stabilisieren. Weitere 2,5 Milliarden Euro würden drittens dazu beitragen, die Ermäßigung der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau auf alle Branchen auszuweiten.
Das würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und den Klimaschutz gleichzeitig stärken – und zwar, ohne einzelne Technologien zu verbieten oder ausgewählte Branchen erheblich zu fördern.