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EU-Digitalpolitik neu ausrichten: Mehr fördern, weniger überfordern

Frau und Mann an Datenwand

Die DIHK wünscht sich auch für den Mittelstand handhabbare Vorgaben

© gorodenkoff / iStock / Getty Images Plus

Die Europawahl markiert das Ende einer Legislaturperiode, die insbesondere im Digitalbereich eine enorme Menge an Gesetzen hervorgebracht hat. Von Künstlicher Intelligenz über Datenökonomie bis zu Plattformen und vielen weiteren Themen sind neue Regeln für Unternehmen entstanden. Nun stellt sich die Frage, wie es in der EU-Digitalpolitik weitergehen soll.  Die weitere Weichenstellung ist für die Wirtschaft – kleine wie große Betriebe quer durch alle Branchen – von großer Bedeutung. Denn die Ausrichtung der Digitalpolitik ist ein wesentlicher Faktor im globalen Wettbewerb, in dem sich der Wirtschaftsstandort Europa auch im Zuge der weltweiten Digitalisierung und harter Konkurrenz behaupten muss. Sie entscheidet auch darüber, wie Startups und klassische Betriebe künftig ihre Geschäfte auf der Basis von Daten zukunftsträchtig betreiben können.

Wirtschaftsstandort Europa stärken

Eine Vielzahl neuer Digitalregelungen haben in den vergangenen Jahren für etliche Bereiche wichtige Rechtssicherheit geschaffen, aber auch die Unternehmen mit neuen Verpflichtungen konfrontiert. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat das häufig Überforderung ausgelöst und damit eigentlich notwendige Investitionen in digitale Zukunftstechnologien gebremst. So nannten in der DIHK-Digitalisierungsumfrage 2023 nahezu ein Drittel der Unternehmen rechtliche Unsicherheiten als Herausforderung bei der Digitalisierung. Im Bereich der Datennutzung ist der Punkt mit 62 Prozent sogar das meistgenannte Hindernis.

Daher darf die Prämisse der neuen EU-Kommission nicht sein, im gleichen Tempo weiter zu regulieren. Stattdessen sollte es nun darum gehen, die vorhandenen Gesetze sinnvoll aufeinander abzustimmen, ihre Implementierung zu vereinfachen und gleichzeitig Europas digitale Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten.

Maßnahmen zur Verbesserung der Digitalpolitik umsetzen

In einem aktuellen Impulspapier zur europäischen Digitalpolitik hat die DIHK konkret e Punkte auf der Basis vieler Rückmeldungen aus der unternehmerischen Praxis formuliert. So soll beispielsweise eine europaweit einheitliche Umsetzung der Regelungen dafür sorgen, dass Unternehmen gleiche rechtliche Bedingungen vorfinden. Dies trägt zur Stärkung des Standorts Europa bei – sowohl intern als auch im globalen Wettbewerb. Um dies zu erreichen, sollte die Kommission die Implementierung der Regeln aktiv vorantreiben und den Betrieben praktische Unterstützung in allen Amtssprachen anbieten, beispielsweise durch Leitlinien und "Fragen und Antworten" (Q&As). Auf diese Weise können viele Anliegen direkt beantwortet werden, wie etwa welche Unternehmen betroffen sind und welche Regeln für spezielle Fälle gelten.

Um im internationalen Technologie-Wettbewerb gegen die USA und China zu bestehen, müssen Innovationen aus Europa mehr gefördert werden. Dies gelingt nur, wenn frühzeitig in Forschung, Entwicklung und die Ausbildung hochqualifizierter Arbeitskräfte investiert wird. Eine praxisorientierte berufliche Ausbildung mit starkem Einbezug der Wirtschaft und hohen Lernanteilen im real betrieblichen Arbeitsumfeld bleibt ein grundlegender Schwerpunkt. Die EU muss auch attraktiv für internationale Fachkräfte sein, um die europäische Position im globalen Wettbewerb um Talente zu stärken. Es ist wichtig, die Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups und KMU zu verbessern, um den Verlust von Wissen ins Ausland zu verhindern. Leicht zugängliche, bürokratiearme Förderprogramme sind entscheidend.

Laut der aktuellen DSGVO-Umfrage der DIHK geben auch fast sechs Jahre nach Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung 77 Prozent der Unternehmen an, dass die Umsetzung hohen bis extremen Aufwand mit sich bringt. Daraus ergibt sich, dass Erleichterungen dringend erforderlich sind, denn: Die Handhabung und Nutzung von Daten sind entscheidende Zukunftsthemen und für technologische Innovationen unerlässlich. Die Fortschritte im Bereich der Datenökonomie und des Datenzugangs, wie sie durch Gesetze wie den Data Act erzielt wurden, müssen in der nächsten Amtszeit konsequent fortgesetzt werden.

Auch eine sinnvolle Abstimmung der vielen Digitalgesetze ist wichtig. Nicht immer ist klar, wie weit sich ihr Geltungsbereich erstreckt und wie einzelne Regeln zusammenhängen. Eine Harmonisierung, beispielsweise zwischen der KI-Verordnung und sektorspezifischen Regeln zu Medizinprodukten oder Maschinen, aber auch mit der DSGVO, ist elementar. Damit einher geht die Notwendigkeit einer einheitlichen Umsetzung.

Immer wichtiger wird auch der Umgang mit Daten als Grundlage für einen Großteil von Zukunftstechnologien. Hohe Datenverfügbarkeit, aber auch realistische und praktikable Anforderungen an die Datenwirtschaft können hierzu beitragen. Auf noch grundlegenderer Ebene kann der digitale Wandel nur funktionieren, wenn die öffentliche Verwaltung umfassend digitalisiert und die digitale Infrastruktur wettbewerbsfähig gestaltet wird. Dies gelingt durch leistungsfähige und flächendeckende Glasfaser- und Mobilfunknetze und eine belastbare Supercomputing-Infrastruktur. Die DIHK-Digitalisierungsumfrage zeigt: Unternehmen sind erst ab der flächendeckenden Versorgung mit 1 Gbit/s durchgängig zufrieden. Auch der Digitalisierungsstand der öffentlichen Verwaltung wurde in diesem Kontext als ungenügend kritisiert. Konsequente Digitalisierung der Verwaltung könnte bürokratische Pflichten für Unternehmen effektiv reduzieren. Nicht zuletzt gilt es, Zukunftsthemen wie Quantentechnologien oder virtuelle Welten im Blick zu behalten – mit einem Fokus auf europäische Innovationsfähigkeit statt frühzeitiger (Über-)Regulierung.

Digitale europäische Zukunft gestalten

Die aufgestellten Forderungen zeigen, wohin der Weg gehen muss, wenn Europa im globalen Wettbewerb um Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bestehen will. Gleichwohl sind sie nur ein erster Schritt – die nächsten Monate und Jahre gilt es, die Anforderungen im stetigen Austausch zwischen Unternehmen und Politik zu konkretisieren. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass die Wirtschaft hoffnungsvoll in Richtung einer europäischen digitalen Zukunft blicken kann.


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Kontakt

Jonas Wöll_quer
Jonas Wöll Referatsleiter Digitaler Binnenmarkt, EU-Verkehrspolitik, Regionale Wirtschaftspolitik