Pfadnavigation

Energie- und Klimapolitik: Große Unsicherheiten bleiben

Ein Ausblick für das Jahr 2024
Solarfeld und Windkraftanlagen

Die Energiewende erfordert Investitionen, zu denen sich die Betriebe derzeit kaum in der Lage sehen

© SanderStock / iStock / Getty Images Plus

Das Jahr 2023 endet, wie es begonnen hat: mit einem großen Fragezeichen. War es zu Jahresbeginn die Unsicherheit über die Gasversorgung, sorgte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Grundsatzurteil zur Schuldenbremse für die nächste Zeitenwende. Mit den nicht genutzten Mitteln aus der Corona-Krise, so der Plan der Ampelkoalition, sollte der Klima- und Transformationsfond (KTF) mitfinanziert werden. Das sei nicht zulässig, so die Verfassungsrichter, was bedeutet, dass es auch in Zukunft deutlich schwerer werden dürfte, mit Schulden Staatsausgaben zu finanzieren.

Für die im politischen Berlin bisher vorherrschende Strategie, die Transformation der Wirtschaft nicht nur durch den Staat zu organisieren, sondern auch erheblich mitzufinanzieren, ist das ein schwerer Rückschlag. Eines steht außer Frage: Wie zügig auch immer die Koalition sich auf den Haushalt 2024 einigen wird, für betriebliche Investitionen in die eigene Klimaneutralität werden zukünftig weniger Fördergelder zur Verfügung stehen.

Was passiert bei den Stromkosten?

Was Investitionen in den betrieblichen Klimaschutz erleichtern würde, wären deutlich niedrigere Strompreise. Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KTF hatte die Bundesregierung beschlossen, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent/Kilowattstunde (kWh) zu senken, die Strompreiskompensation für fünf Jahre zu sichern und leicht auszuweiten sowie einen Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zu gewähren, um deren massiven Anstieg zu verhindern.

Während die ersten beiden Maßnahmen trotz der Haushaltsprobleme voraussichtlich kommen werden, steht letztere auf der Kippe. Kommt der Zuschuss nicht, würde das bei einem typischen Mittelständler zu einem Anstieg der Netzentgelte von über 100.000 Euro führen. Damit würden etwaige Entlastungen bei der Stromsteuer überkompensiert. Aus heutiger Sicht deutet wenig darauf hin, dass die Beschaffungskosten für Strom und Gas weiter sinken könnten. Die Energierechnungen bleiben also auch 2024 hoch. Zumal die Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Jahreswechsel ersatzlos auslaufen. Sollte es also erneut zu einem deutlichen Anstieg der Preise kommen, träfe dies die Wirtschaft direkt.

Dagegen herrscht Klarheit bei einigen anderen Themen:

Erhöhung des nationalen Kohlendioxid- (CO2)-Preises: Zum Jahreswechsel steigt der nationale CO2-Preis von 30 auf 40 Euro je Tonne. Dies bedeutet an den Tankstellen zum Beispiel einen Preisanstieg des Liters Benzin oder Diesel von 3 Cent. Außerdem wird auch die Abfallverbrennung in das nationale Emissionshandelssystem einbezogen, Auswirkungen auf Fernwärme- und/oder Abfallentsorgungspreise sind zu erwarten. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der nationale Emissionshandel eine Sonderlast für deutsche Unternehmen darstellt. Erst 2027 soll auch in der EU eine Bepreisung von Wärme und Verkehr erfolgen. Die deutsche Carbon-Leakage-Kompensation für besonders belastete Unternehmen ist ein unvollständiger Ausgleich, immerhin aber inzwischen beihilferechtlich genehmigt. Nicht auszuschließen ist, dass die Bundesregierung im Rahmen eines Kompromisses zum Haushalt 2024 auch eine weitere Erhöhung des CO2-Preises beschließt.

Energieeffizienzgesetz gestartet: Das Gesetz bringt eine Reihe konkreter Verpflichtungen für Unternehmen: Ab 7,5 Gigawattstunden (GWh) jährlichem Gesamtendenergieverbrauch sind sie verpflichtet, ein Energiemanagementsystem (ISO 50001) oder Umweltmanagementsystem (EMAS) einzuführen. Darüber hinaus sind alle Unternehmen mit mehr als 2,5 GWh verpflichtet, binnen dreier Jahre für alle als wirtschaftlich identifizierten Effizienzmaßnahmen konkrete Umsetzungspläne zu entwickeln. Außerdem müssen sie diese veröffentlichen und sich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Pläne durch Zertifizierer, Umweltgutachter oder Energieauditoren bestätigen lassen. Diese Unternehmen unterliegen auch umfangreichen Pflichten zur Vermeidung, Reduzierung und Wiederverwendung sowie Informations- und Auskunftspflichten zu ihrer Abwärme. Mit der darüber hinaus geplanten Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes unterliegen diese Unternehmen künftig auch der Energieauditpflicht, unabhängig vom KMU-Status. Für Rechenzentren – auch unternehmenseigene – gelten weiterreichende Verpflichtungen.

Gebäudeenergiegesetz (GEG) bringt neue Vorgaben: Mit dem Gesetz kommt auch die Vorgabe, dass neu eingebaute Heizungsanlagen mindestens 65 Prozent der bereitgestellten Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugen müssen. Der Nachweis hat im Rahmen von Berechnungen nach der einschlägigen Norm (DIN V 18599) zu erfolgen. Alternativ kann auf eine der sechs gesetzlich festgelegten pauschalen Erfüllungsoptionen zurückgegriffen werden. Dazu gehören: Wärmenetzanschluss beziehungsweise Hausübergabestation, elektrische Wärmepumpe, Stromdirektheizung, solarthermische Anlage, Nutzung von Biomasse, Wasserstoff und Derivaten, Hybridheizung (Wärmepumpe oder Solarthermie in Kombination mit Gas-, Biomasse-, Flüssigbrennstofffeuerung). Die Regelungen gelten im Neubaugebiet ab sofort, für bestehende Gebäude beziehungsweise Neubauten im Lückenschluss ab Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung, spätestens jedoch ab Juli 2026 in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern beziehungsweise ab Juli 2028 in Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern. Darüber hinaus bringt das GEG unter anderem eine Reihe weiterer Prüfungs-, Optimierungs- und Nachrüstverpflichtungen für gebäudetechnische Anlagen und Systeme mit sich und schränkt zahlreiche bestehende Unwirtschaftlichkeitsklauseln ein oder streicht sie ganz.

Berichtspflichten in der CO2-Grenzabgabe (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM): Erstmals müssen Importeure von bestimmten emissionsintensiven Produkten im Januar 2024 einen Bericht zur CO2-Grenzabgabe abgeben, andernfalls drohen Strafen. Das heißt, sie müssen gegenüber der nationalen Behörde – die zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt war – berichten, wie viele Güter sie mit welchem CO2-Gehalt importiert haben. Die Gütergruppen sind: Zement, Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Ab 2026 greift dann die Zahlungspflicht.

Was 2024 noch anstehen könnte

Das Jahr 2024 wird darüber hinaus noch weitere Änderungen für die Wirtschaft in der Energie- und Klimapolitik bereithalten. Zum Teil kristallisieren sich diese bereits zum Jahreswechsel heraus: So ist für 2024 ein umfangreiches Solarpaket geplant, mit dem weitere Vereinfachungen bei Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) eingeführt werden sollen. Die Direktvermarktungspflicht soll für Anlagen über 100 Kilowatt (kW) zwar bestehen bleiben, jedoch sollen eingespeiste Mengen ohne Vergütung an den Netzbetreiber abgegeben werden können. Ein Schwerpunkt liegt auf der neu geschaffenen gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung, wobei der Anlagenbetreiber von der Lieferantenpflicht zur Reststromversorgung befreit werden soll. Darüber hinaus könnte die Förderung von Mieterstrom zukünftig auch auf Gewerbegebäude Anwendung finden. Für Photovoltaik- (PV-) Anlagen mit bis zu 30 kW soll zudem das vereinfachte Netzanschlussverfahren gelten. Dadurch werden Investitionen in kleinere Anlagen erleichtert. Ärgerlich ist allerdings, dass es beim Anlagenzertifikat für den Netzanschluss bei Anlagen größer 500 kW beziehungsweise einer Einspeisung von größer 270 kW bleiben soll.

Eigentlich sollte zum Jahreswechsel auch das Wachstumschancengesetz mit seiner Prämie von 15 Prozent für Energieeffizienzinvestitionen starten. Darunter wären auch betriebliche Investitionen in Windräder und PV-Anlagen gefallen. Diese hätten noch nicht einmal auf dem Betriebsgelände errichtet werden müssen. Es hätte genügt, dass es sich um eigenes Geld handelt. Nun hat der Bundesrat das Gesetz an den Vermittlungsausschuss verwiesen. Hintergrund sind befürchtete Einnahmeausfälle bei Ländern und Kommunen. Ob die Prämie angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts kommt, ist fraglich.

Interessant dürfte es auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei den Verteilnetzentgelten werden. Die Bundesnetzagentur, die seit Kurzem für dieses Thema zuständig ist, hat ein sogenanntes Festlegungsverfahren gestartet. Sie schlägt vor, dass Regionen mit einem bisher hohen Zubau an erneuerbaren Energien bei den Netzentgelten entlastet werden sollen. Dies beträfe nach bisherigem Vorschlag 17 Netzgebiete im ländlichen Raum. Die dann wegfallenden Einnahmen für die Netzbetreiber sollen auf alle Stromkunden in Deutschland über die sogenannte §19StromNEV-Umlage umgelegt werden. Während alle Stromkunden bis zu einem Verbrauch von 1.000.000 kWh den vollen Betrag bezahlen, wird für Strommengen darüber hinaus ein geringerer Betrag von 0,05 Cent/kWh fällig. Für die energieintensive Industrie und Speicher gelten zudem Sonderregeln.

Auf der politischen Agenda steht seit März 2023 auch eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes. Die Sektorziele sollen zwar erhalten bleiben, die Klimaschutzziele sollen aber sektorübergreifend erreicht werden können. Dies hat zwar keine unmittelbare Relevanz für Unternehmen, mittel- bis langfristig könnte sich das aber positiv auswirken. Schließlich würde damit keine direkte Handlungsnotwendigkeit für die Politik in einem Sektor entstehen. Sprich: Im Verkehrssektor zum Beispiel einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, um Zielverfehlungen auszugleichen, wird unwahrscheinlicher. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das der Politik eine Einhaltung der Sektorziele ins Stammbuch geschrieben hat. Eine Revision von Seiten der Bundesregierung ist möglich. Eine juristische Durchsetzung von Klimaschutzzielen könnte aber weiter Schule machen und die Politik zum Handeln zwingen. Große Unsicherheiten für die Wirtschaft bleiben, auch wenn sich die Ampel zu einem Kompromiss für den Haushalt 2024 durchringt.

© DIHK

Kontakt

Dr. Sebastian Bolay Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie