Die Initiative System Wasserstraße (ISW) kritisiert den überalterten Zustand deutscher Wasserstraßen scharf. In einem Impulspapier, an dem auch die DIHK mitgewirkt hat, fordert sie Entbürokratisierung, mehr Investitionsmittel und eine grundlegende Sanierung des Wasserstraßennetzes.
Wirtschaft besorgt über marode Wasserwege
Impulspapier mit Reformansätzen für Finanzierung und VerwaltungHintergrund für das Impulspapier sind Pläne der Bundesregierung zum Güterverkehr: Bis 2030 soll die Binnenschifffahrt zwölf Prozent der Verkehrsleistung erbringen – ein fast doppelt so hoher Anteil wie noch 2021. Doch darauf ist die deutsche Wasserstraßeninfrastruktur noch nicht vorbereitet. Schleusen, Brücken und Wehre seien vielfach marode, notwendige Fahrrinnenanpassungen erfolgten zu zögerlich, so die ISW. Die Konsequenz aus Sicht der Verbände: Die Wasserstraßen werden immer schlechter und unzuverlässiger; die Binnenschifffahrt verliert zunehmend an Leistungsfähigkeit.
Schwächung der Binnenschifffahrt trifft Schlüsselindustrien
"Verstetigt sich dieser Negativtrend, könnten Schlüsselindustrien und wichtige Arbeitgeber abwandern. Das benachteiligt den Wirtschaftsstandort Deutschland", heißt es im Papier. Zwei Milliarden Euro jährlich seien mindestens nötig, um die vorhandenen Wasserstraßen zu erhalten beziehungsweise zu sanieren und neue zu bauen. Die sind dringend notwendig: Rund die Hälfte der Stahlbauwerke, Brücken sowie Schleusen- und Wehranlagen sind vor 1950 gebaut worden.
"Um den Sanierungsstau abzubauen, müsste die WSV in Kurz- und Mittelfrist dreimal mehr Schleusen und Brücken und rund 20-mal mehr Wehre bauen als in den vergangenen Jahren", heißt es im Papier. Laut einem Verkehrsinfrastrukturbericht aus 2015 müssen in den nächsten drei Jahren 235 Bauwerke ersetzt werden.
Zum Vergleich: Von 1995 bis 2015 wurden sieben neue Schleusen errichtet. In Hinblick auf die gestiegene Transportfrequenz und veränderte Güterstrukturen wird ein Handeln immer wichtiger. Auch müssen die Wasserstraßen künftig an klimatische Veränderungen angepasst werden.
Die ISW bemängelt: "Der Investitionsbedarf für Erhalt und Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur ist seit Jahren deutlich höher als die getätigten Ausgaben." Auch für 2023 befürchtet die Initiative mit Blick auf den Bundeshaushalt eine "Unterfinanzierung der Wasserstraße", die jegliche Sanierungsvorhaben und langfristige Pläne hemme. Bereits in den vergangenen zehn Jahren habe sich die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit Restmitteln und Sonderförderungen durchschlagen müssen – eine Politik, die langfristige Projekte und Planung unmöglich mache.
WSV langfristig auskömmlich finanzieren und verschlanken
Neben einer hinreichenden Finanzierung sei auch eine Reform der WSV notwendig, so die ISW weiter. Sie plädiert für eine von den jährlichen Bundeshaushalten weitgehend unabhängige Finanzierung. Außerdem will sie weniger Abstimmungsaufwand zwischen Bundesverkehrsministerium, der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) sowie dem WSV. Nur mit effizienteren Strukturen ließen sich Planungen, Genehmigungen und Bauprojekte beschleunigen.
Außerdem ermögliche eine solche Reform eine bessere Nutzung der knappen Personalressourcen. Derzeit leidet der WSV laut ISW unter einem Know-how-Verlust: Aufgrund des Personalmangels seien Fachkräfte wie Ingenieure vor allem mit fachfremden Aufgaben beschäftigt.
Mehr als 30.000 Schiffe durchqueren jährlich den Nord-Ostsee-Kanal. Ein Ausbau der Binnengewässer ist für die deutsche Industrie unabdingbar: Ein Drittel der Stahltransporte läuft über die Wasserstraßen, bei den Massenchemikalien ist es ein Achtel. "Anders als bei Schiene und Straße können wir bei den Bundeswasserstraßen noch erheblich Kapazitäten ausloten", heißt es dann auch in dem ISW-Impulspapier.
Das komplette Impulspapier "Wasserstraßeninfrastruktur stärken" gibt es zum Download beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.