Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) wird es zwar eine Steigerung der Produktivität geben – ein Produktivitätswunder durch KI ist in Deutschland in den nächsten Jahren aber nicht zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft erstellt hat.
Eine weitere Kernaussage des Gutachtens "Wie wird KI die Produktivität in Deutschland verändern?", das am 18. März beim Gemeinschaftsausschuss-Mitglied Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin präsentiert wurde: Damit die Chancen, die KI eröffnet, überhaupt genutzt werden können, muss die Politik möglichst schnell wesentliche Verbesserungen bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Weg bringen.
Chancen aus der rasanten Technologie-Entwicklung nutzen
DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov betonte bei der Veranstaltung im Haus der Deutschen Wirtschaft mit 100 Gästen aus Politik und Wirtschaft die wachsende Bedeutung der künstlichen Intelligenz für die deutsche Wirtschaft: "Wir erleben gerade spannende Tage mit enormen globalen Herausforderungen und einer schweren Wirtschaftskrise im eigenen Land", so Melnikov. "Dabei zeigt sich, dass viele der Probleme struktureller Art sind – also hausgemacht. Aber es gibt aktuell auch große Chancen, Dinge konkret zu verbessern. Das betrifft vor allem die rasante technologische Entwicklung, die wir stärker nutzen müssen. Das gilt insbesondere für den Bereich der KI."
Hubertus Bardt vom IW stellte in Berlin die zentralen Ergebnisse der Studie vor. Expertinnen und Experten aus den Mitgliedsverbänden des Gemeinschaftsausschusses und aus der Politik diskutierten anschließend auf zwei Panels, ob und wie KI das Produktionspotenzial Deutschlands dauerhaft steigern kann und welche positiven Auswirkungen in verschiedenen Branchen vor allem bei der Lösung des Fachkräfteproblems zu erwarten sind.
Noch viel Potenzial von KI-Anwendungen ungenutzt
Die Studie zeigt, dass bisher immer noch relativ wenige Unternehmen hierzulande KI aktiv einsetzen: Nur jeder vierte bis fünfte Betrieb wendet die Technologie an. Im internationalen Vergleich ergibt sich ein gemischtes Bild. Bei der Einführung von KI in Unternehmen liegt Deutschland noch über dem EU-Durchschnitt, aber hinter EU-Spitzenreitern Dänemark, Finnland und Niederlande auf Platz 11. Auch in der Forschung und bei der Anzahl der notwendigen Supercomputer belegt Deutschland einen vorderen Platz, fällt aber bei der Verfügbarkeit und Weiterverwendung der Daten im OECD-Vergleich weit zurück (Platz 24).
Das Fazit der Studie: KI-Anwendungen bieten ein großes Potenzial zur Erhöhung der Produktivität in Deutschland, wir nutzen dieses Potenzial bisher aber nur unzureichend.
Jährlich 0,9 bis 1,2 Prozent mehr Produktivität
In einer Projektion für die Jahre 2025 bis 2030 erwartet das IW Köln für Deutschland ein jährliches Produktivitätswachstum von 0,9 Prozent und für die Jahre 2030 bis 2040 von 1,2 Prozent. In den 2020er-Jahren hat Deutschland ein Produktivitätszuwachs von lediglich 0,4 Prozent erreicht, wobei die Corona-Zeit zu berücksichtigen ist. KI-Anwendungen erhöhen also perspektivisch unser Potenzial, ein von vielen erhofftes "Produktivitätswunder" wird aber ausbleiben.
Positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten
Mit dem Einsatz von KI gehen Hoffnungen, aber auch Sorgen bezüglich der Beschäftigung einher. Es wird erwartet, dass Arbeitsschritte automatisiert und Tätigkeiten übernommen werden – was menschliche Arbeit erweitern und ergänzen, aber eventuell auch ersetzen kann.
Die Datenlage deutet insgesamt auf einen positiven Saldo dieser Effekte hin. KI wird sich also günstig auf den Arbeitsmarkt auswirken. Dies ist jedoch kein Selbstläufer und stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen auf allen betrieblichen Ebenen und an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Bessere Rahmenbedingungen und Weiterbildung vonnöten
Um die Nutzung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz in Deutschland voranzubringen, gibt das IW eine Reihe von Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft. So sollte die Bundesregierung die EU-Verordnung zur künstlichen Intelligenz (AI Act) zeitnah umsetzen. Das würde Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen schaffen.
Kleine und mittlere Unternehmen brauchen zusätzlich praxisnahe Checklisten und andere Umsetzungshilfen, um den AI Act aufwandsarm und regelkonform umsetzen zu können. Weiterhin muss die Bundesregierung darauf hinwirken, dass der AI Act auf EU-Ebene regelmäßig evaluiert und an aktuelle Erfordernisse angepasst wird, um neueste Entwicklungen abzubilden.
Die nächste Bundesregierung sollte zudem die Infrastruktur für KI fit machen. Dazu gehören beispielsweise der Bau von neuen Rechenzentren und die Ausweitung des Breitbandnetzes, denn vor allem die Qualität der Dateninfrastruktur wird bestimmen, ob wir KI erfolgreich einsetzen und anwenden können. Auch bei diesen Investitionsmaßnahmen wird es auf schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren ankommen.
Und: Die Unternehmen müssen bei der Ausschöpfung der Potenziale von KI ebenfalls aktiv werden. Digitalisierung und Datenmanagement in den Betrieben sind wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche KI-Anwendung. Schulungen und Weiterbildungen für rechtskonforme Anwendung und unternehmensorientierte Umsetzung sind unabdingbar.
Die kompletten Ergebnisse der KI-Studie gibt es hier zum Download: