Am 16. August 2022 ist der IRA in Kraft getreten. Dieser sieht unter anderem 369 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschüssen Steuergutschriften und Darlehen für Investitionen in den Klimaschutz vor. Damit soll unter anderem der Ausbau Erneuerbarer Energieerzeugung gefördert, die Energieeffizienz in Privathaushalten verbessert und Emissionen von Gas- und Kohlekraftwerken sowie landwirtschaftlichen Betrieben, Häfen und Gemeinden reduziert werden.
Für die deutsche Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, dass die USA ihr Ambitionsniveau im Bereich Klimaschutz steigern und sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, auch im Vorgehen gegen carbon leakage, ergeben. In diesem Zusammenhang ergeben sich für manche deutsche Unternehmen durch den IRA verstärkte Geschäftschancen, etwa für erneuerbaren Energien und Wasserstoffinfrastruktur insbesondere für bereits in den USA aktive Betriebe, aber auch in punkto Zulieferungen aus Deutschland im Bereich des Maschinenbaus. Die Auslandshandelskammern unterstützen diese Bemühungen.
Gleichzeitig sind bereits jetzt bestimmte Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen auch auf den IRA zurückzuführen, die zulasten des Wirtschaftsstandorts Deutschland und Europas gehen, da die US-Zuschussgewährung an hohe US-Wertschöpfungsanteile gebunden ist. Mit Blick auf bestehende Zuliefererstrukturen und Forschungsstandorte ergeben sich somit Herausforderungen für größere Teile der deutschen Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die den Hauptsitz ihrer Produktion an heimischen Standorten haben.
Besonders relevant sind US-Förderprogramme, die klar gegen Welthandelsregeln verstoßen sowie Unternehmen mit Produktion in Deutschland diskriminieren: Käufer neuer Elektroautos erhalten zum Beispiel eine Steuergutschrift von bis zu 7.500 US-Dollar. Bedingung für die Förderung ist die Endmontage in den USA, Kanada oder Mexiko. Hinzu kommen kontinuierlich steigende Lokalisierungspflichten für die in den Autos verwendeten Batterierohstoffen, wobei Ausnahmen für Länder bestehen, die mit den USA Handelsabkommen haben. Die EU hat bisher kein Handelsabkommen mit den USA und dort gibt es derzeit keine politischen Mehrheiten, Drittstaaten neuen Marktzugang zu geben. Insbesondere bei neuen Schlüsseltechnologien wie dem Wachstumsmarkt E-Automobilität, aber auch in anderen Bereichen können durch den IRA so bedeutende Handelsnachteile entstehen und Verlagerungen gerade erst entstehender Wertschöpfungsketten erfolgen.
Zum Vergleich investiert die EU im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen ebenfalls viele Milliarden Euro in grüne Technologien. Aus dem EU-weiten Wiederaufbaufonds "NextGenerationEU" (NGEU) werden 296 Milliarden Euro in Dekarbonisierung investiert. Der wesentliche Unterschied zum IRA liegt in den Nutznießern. Das sind beim IRA nur in den USA gezielt private, vor Ort ansässige Unternehmen. Damit erreichen sie im internationalen Wettbewerb einen direkt spürbaren Wettbewerbsvorteil.
Die US-Lokalisierungspflichten etwa im Automobil- und Batteriebereich sind gegenüber Unternehmen mit Produktion in Deutschland wettbewerbsverzerrend. Da in den betroffenen Branchen große Zuliefererstrukturen mit vielen Arbeitsplätzen bestehen, können Produktionsverlagerungen in die USA bedeutende negative Auswirkungen auf den Industriestandort Deutschland entfalten. Während derzeit etwa die deutschen E-Autoexporte in die USA stark ansteigen, ist durch den IRA eine perspektivische Exportdämpfung von Produkten zu erwarten, deren Produktion in die USA verlagert wird.
In einer aktuellen Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern (AHK USA) geben 17 Prozent der deutschen Unternehmen in den USA den IRA als einen Grund an, ihre Investitionen dort auszuweiten (hier zur Umfrage auf der Website von AHK USA). Für deutsche Unternehmen, die hierzulande produzieren und ihre Waren in die USA liefern, ergeben sich dadurch also schon jetzt Wettbewerbsnachteile. Die USA sind schließlich der wichtigste Exportmarkt Deutschlands mit einem jährlichen Exportvolumen von 156 Milliarden Euro.
Die EU und USA versuchen seit Jahren gemeinsam, Lücken im Regelwerk der Welthandelsorganisation für Industriesubventionen zu schließen, die durch anhaltende wettbewerbsverzerrende Praktiken unter anderem Chinas den Industriestandorten in Europa und den USA schaden. Diese Bemühungen stört der IRA empfindlich. Es droht ein transatlantischer Subventionswettbewerb, aber auch das Risiko von Nachahmungseffekten: Andere Staaten könnten mit wettbewerbsverzerrenden Steueranreizen versuchen, den globalen Standortwettbewerb zu verschärfen.