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Pläne für Vergaberechtsreform bislang "eher enttäuschend"

DIHK sieht kein robustes Signal der Vereinfachung
Mann mit Hemd und Schlips telefoniert an einem mit Papier überfüllten Schreibtisch

Wer sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligt, braucht oftmals gute Nerven

© Wicki58 / iStock / Getty Images Plus

Die Reformpläne der Bundesregierung zum Vergaberecht sollen einen spürbaren Bürokratieabbau bringen – genau den lässt das vorgestellte Paket nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) jedoch vermissen.

Mit ihrem Ende September vorgelegten Referentenentwurf eines Vergabetransformationspakets hofft das Bundeswirtschaftsministerium, "Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren sowie zugleich die öffentliche Beschaffung sozial, ökologisch und innovativ auszurichten".

Porträtfoto Stephan Wernicke

Prof. Dr. Stephan Wernicke

© DIHK / Paul Aidan Perry

Diese zwei wichtigen Ziele passen nach Einschätzung von DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke allerdings nicht zusammen: Sie "widersprechen sich insofern, als zu viele Detailvorgaben zur nunmehr nahezu zwingenden Nachhaltigkeit die Ausschreibungen noch komplexer machen – und das für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen", gibt er zu bedenken. "Entbürokratisierung müsste aktuell aber absolute Priorität haben, davon ist in dem Vorschlag leider nur wenig zu spüren."

Eine Woche nach dem Bürokratieentlastungsgesetz IV sei das "eher enttäuschend". Wernicke: "Es fehlt ein robustes Signal der Vereinfachung, gerade wenn zeitgleich über weitere überaus bürokratische Kriterien wie Tariftreue strittig diskutiert wird."

Eher Lenkungs- als Beschaffungsinstrument

Dass Unternehmen, die bereits nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen anbieten als ihre Wettbewerber, von den bisherigen Reformvorschlägen Vorteile erwarten können, bezweifelt Wernicke: "Das Vergaberecht dient mittlerweile primär als Mittel zur Steuerung staatlichen Handelns – indirekt der Lenkung der Unternehmen – und nur noch sekundär der wirtschaftlichen Beschaffung", bedauert er. "Es gibt kaum belastbare Definitionen für Nachhaltigkeit, nur viele Ansätze." Letztendlich komme es immer darauf an, wie die Anforderungen zur Nachhaltigkeit in der Ausschreibung formuliert würden.

So sei es möglich, "dass eine tiefe Marktrecherche für den öffentlichen Auftraggeber zu aufwendig oder kaum möglich war und er gar nicht weiß, was es an nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen gibt", warnt der DIHK-Chefjustiziar. "Dann können Leistungsbeschreibungen auch wenig marktgerecht enden, zum Nachteil für alle – auch für die Unternehmen mit den nachhaltigsten Produkten. Faktisch wird das entweder zu einer Zielverfehlung oder höherem Aufwand der Vergabestellen führen, die bereits heute vielfach überlastet sind."

Anhebung der Schwellenwerte hilft etablierten Anbietern

Für Unternehmen seien öffentliche Aufträge "dann attraktiv, wenn es von der Suche nach Ausschreibungen über die konkreten Anforderungen bis hin zum Zuschlag und der Vertragsdurchführung einfacher wird, sich zu beteiligen", stellt Wernicke klar. "Je komplexer und bürokratielastiger die Anforderungen, desto unattraktiver die Teilnahme, die schon heute oft rückläufig ist."

Die Auswahl werde geringer, die wirtschaftliche Beschaffung schwieriger, beobachtet er. "Mit einer bloßen Heraufsetzung der Schwellenwerte ist es aus Unternehmenssicht jedenfalls nicht getan. Das mag für Unternehmen, die schon häufiger den Zuschlag erhalten haben, zwar positive Auswirkungen haben, weil sie eventuell als 'bekannt und bewährt' dann leichter Aufträge erhalten. Aber für andere Unternehmen wird es dadurch schwierig bis unmöglich, weil sie nicht einmal von dem Auftrag erfahren."

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Hildegard Reppelmund Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht | Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)

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Petra Blum Pressesprecherin