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EU-Vorschlag für Klimaziel 2040 überfordert Deutschland und Europa

DIHK und VKU veröffentlichen Analyse
Windräder und Solarpanele in Sommerlandschaft

Schöne neue Klima-Welt bis 2040? Die DIHK-VKU-Analyse weckt Zweifel

© Frederick Doerschem / iStock / Getty Images Plus

Das von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klimaziel für 2040 gerät außer Reichweite – das zeigt eine Studie, die die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) am 1. Oktober in Berlin vorgestellt haben.

Der Brüsseler Vorschlag sieht eine 90-prozentige Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen (THG) im Vergleich zu 1990 vor. Was dies für die deutsche Klimazielsetzung bedeuteten würde und wie der Stand der Klimazielerreichung in Europa und Deutschland aktuell aussieht, analysiert die Studie "Mögliche Auswirkungen eines EU-Klimaziels von minus 90 Prozent für 2040 auf Deutschland" von DIHK und VKU.

Schon 2030er-Ziel wohl nicht zu halten

Ein Kernergebnis: Nach derzeitigen Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten wird bereits das für 2030 anvisierte europäische Ziel einer 55-prozentigen CO2-Reduktion verfehlt. Das Erreichen eines 2040-Ziels von minus 90 Prozent, das auf der Zielerreichung 2030 aufbaut, gerät damit außer Reichweite.

Die Studie stellt dar, dass das vorgeschlagene Klimaziel 2040 auf optimistischen Annahmen beruht, beispielsweise in Bezug auf die Verfügbarkeit von Technologien, Fachkräften, Rohstoffen und den Mitteln für Investitionen. Wenn diese nicht eintreten, drohen aus Sicht und DIHK und VKU mehr Regulierung, steigende Kosten sowie politische und wirtschaftliche Verwerfungen.

Mehr Realitätssinn nötig

Aus diesem Grund plädieren die beiden Organisationen für mehr Realitätssinn: Es sei kontraproduktiv, langfristige Ziele zu verschärfen, wenn man kurzfristigere nicht erreiche. Der Fokus solle stattdessen darauf liegen, wie das Ziel für 2030 kosteneffizient und wirtschaftlich tragbar angestrebt werden kann.

Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer

Achim Dercks

© DIHK / Werner Schuering

"Die deutsche Wirtschaft hat beim betrieblichen Klimaschutz schon viel erreicht", kommentiert der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks die Ergebnisse. "Die energieintensive Industrie ist im europäischen Vergleich in den letzten Jahren auf einem markanten CO2-Einsparpfad – allerdings vor allem bedingt durch kostenbedingte Einschränkungen der Produktion."

Die Formulierung immer neuer höherer Klimaziele führe "zu einer tiefen Verunsicherung in der Breite der Wirtschaft", warnt Dercks. "Denn wir sehen schon jetzt, dass beispielsweise die für 2030 formulierten Ziele nur schwer erreichbar sein werden. In vielen Unternehmen vergrößert sich die Sorge, dass die politischen Einsparziele zu noch mehr Regulierungen und weiteren Preiserhöhungen für Energie führen. Dabei sind die Kosten für Strom und Gas bereits heute schon problematisch hoch."

Ohne private Investitionen geht es nicht

Wie groß die Verunsicherung der Unternehmen durch die Energiepolitik mittlerweile sei, zeige auch das aktuelle DIHK-Energiewende-Barometer, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer: "Während in früheren Jahren viele Unternehmen auch Chancen in der Energiewende für den eigenen Betrieb sahen, überwiegen seit zwei Jahren deutlich die Risiken. Die Politik sollte daher aufpassen, dass nicht ganze Branchen bei den Themen Energiewende und Klimaschutz fast völlig die Zuversicht verlieren. Denn ohne private Investitionen wird die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft nicht gelingen."

Weg zur Klimaneutralität nicht beliebig verkürzbar

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing ergänzt: "Es ist wichtig, die Klimaziele möglichst schnell zu erreichen. Aber der Weg zur Klimaneutralität kann nicht beliebig verkürzt werden, insbesondere in 'trägen' Sektoren wie Verkehr und Gebäude." Das zeige sich aktuell bei der Wärmeplanung und dem Ausbau der Fernwärme, bei denen kommunale Unternehmen eine zentrale Rolle spielten.

Liebing: "Deutschland trägt bereits jetzt überproportional zu den rechtsverbindlichen europäischen CO2-Minderungszielen bei. Ein neues EU-Klimaziel von minus 90 Prozent bis 2040 würde das weiter verschärfen." Eine entsprechende Festlegung sei "voreilig und riskant", warnt er. "Der Fokus sollte stattdessen darauf liegen, die 2030-Ziele ('Fit for 55') des EU Green Deal zu erreichen."

Die zentralen Ergebnisse der Studie im Überblick:

Die Europäische Kommission zeigt auf, wie das für 2040 vorgeschlagene Treibhausgas-Ziel einer 90-prozentigen Nettoverringerung auf wirtschaftlich und ökologisch tragfähige Weise erreicht werden kann. Die Zielerreichung verlangt ein umfassendes und anspruchsvolles Maßnahmenbündel.

Die Kommission betont, dass das Ziel zwar anspruchsvoll sei, aber eine wissenschaftliche Notwendigkeit darstelle, um die schlimmsten Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels abzumildern. Rechtzeitige und nachhaltige Anstrengungen, unterstützt durch wirkungsvolle politische Maßnahmen und finanzielle Investitionen, seien unerlässlich, um einen realistischen Kurs in Richtung dieses Ziels einzuschlagen.

Die Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten deuten darauf hin, dass das für 2030 angestrebte Ziel einer Netto-THG-Reduktion um 55 Prozent deutlich verfehlt werden könnte.

2021 bis 2030 ist eine durchschnittliche jährliche Emissionsreduktion von 125 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erforderlich. Das vorgeschlagene Ziel für 2040 würde diesen Wert für 2031 bis 2040 bereits um etwa 30 Prozent auf 163 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erhöhen.

Erreichen die Emissionen hingegen das Niveau, das die Projektionen unter Berücksichtigung der bestehenden Maßnahmen erwarten lassen, wäre nach 2030 sogar eine durchschnittliche jährliche Reduktion von 209 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente erforderlich, was die Ambition in der laufenden Dekade um etwa 67 Prozent übersteigt.

Daher müssen besonders in denjenigen Sektoren, die die Zielerreichung 2030 gefährden, Maßnahmen erfolgen. Andernfalls könnte es immer schwieriger werden, die Klimaziele für 2040 und 2050 zu erreichen.

Mit ihren zwei Emissionshandelssystemen (ETS) verfügt die EU über Instrumente, die den Großteil ihrer Emissionen regulieren. Beide Systeme befinden sich in kritischen Phasen:

Für das ETS I, das große Energieanlagen und die energieintensive Industrie abdeckt, muss der Übergang von der kostenlosen Zuteilung zu einem System des Schutzes vor Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) durch den Grenzausgleichsmechanismus CBAM gelingen, um die industrielle Produktion in Europa nicht zu gefährden.

Die Einführung des ETS II, das Straßenverkehr, Gebäude sowie weitere Sektoren umfasst, muss ebenfalls erfolgreich umgesetzt werden. Dieses System wird voraussichtlich mit einem großen Minderungsdruck an den Start gehen. Es besteht die Gefahr erheblicher Belastungen für Haushalte, Industrie, Unternehmen und Kommunen. Für die Landwirtschaft gibt es derzeit keinen belastbaren Reduktionspfad.

Das vorgeschlagene 2040-Ziel hängt in hohem Maße von der raschen Entwicklung, Einführung und Anwendung neuer Technologien wie der Kohlenstoffdioxidabscheidung und -speicherung (CCS) und des grünen Wasserstoffs ab. Um dies zu erreichen, sind erhebliche Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich.

Der Aufbau der erforderlichen Infrastruktur, die Sicherstellung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und die Gewinnung einer breiten Unterstützung der Interessengruppen sind von entscheidender Bedeutung. Die Abhängigkeit von diesen Technologien erfordert dringend abgestimmte Anstrengungen, um eine rechtzeitige und effiziente Umsetzung zu gewährleisten.

Sollte Deutschland seine geplanten Emissionsreduktionen nicht erreichen, hätte dies nachteilige Folgen für andere EU-Mitgliedstaaten. Als größter Emittent und größte Volkswirtschaft der EU würde eine deutsche Zielverfehlung die Gesamtemissionen erheblich beeinflussen und es der EU erschweren, das vorgeschlagene 2040-Ziel zu erreichen. Dies könnte zu wirtschaftlichen Belastungen für alle Mitgliedstaaten führen und die kollektiven Klimaschutzbemühungen der EU untergraben.

Hier finden Sie die deutsche Langfassung der Studie zum Download auf der Website des VKU.

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Dr. Ulrike Beland Referatsleiterin ökonomische Fragen der Energie- und Klimapolitik

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Petra Blum Pressesprecherin